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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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isiert Menschen, die aus unterschiedlichen Motiven gegen die repressiven Normen der Gesellschaft<br />

aufbegehren.<br />

Eine deutliche Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang die Figur der Mirza, die in<br />

der Rahmenhandlung von Der Traum ein Leben nur als schmuckes Beiwerk dient. Zugleich<br />

verkörpert Mirza einen interessanten Kontrapunkt zu den drei emanzipiert gezeichneten Figuren<br />

Gülnare, Hero und Rahel. Denn mit der Figur der Mirza zeigt Grillparzer den Prototyp des<br />

naiven Biedermeiermädels, das von einem idyllischen Familienleben träumt, seinen Tagesablauf<br />

ganz auf den Mann ausrichtet und diesem alle Fehltritte gutmütig nachsieht. Mirza ist<br />

bemüht, die Spannungen zwischen ihrem Geliebten und ihrem Vater auszugleichen und <strong>für</strong><br />

innerfamiliäre Harmonie zu sorgen. Grillparzer platziert dieses mustergültige Mädchen passenderweise<br />

in einer pittoresk verklärten Landschaft. Mit einem Setting auf der Hausbank in<br />

der Abendsonne, umgeben von zwitschernden Vögeln, unterstreicht Grillparzer den unschuldig-reinen<br />

Anspruch, den das Biedermeier den Frauen seiner Zeit in allen Lebensbereichen<br />

vorgibt. Der zentrale Bestimmungsort einer Frau wie Mirza ist das Haus.<br />

Die Überlegung, dass Grillparzer seine Mirza nicht nur typisiert gestaltet, sondern<br />

überzeichnet und damit das biedermeierliche Idealbild der Frau in Frage stellt, muss bei der<br />

Auseinandersetzung mit dem Stück Der Traum ein Leben zumindest erwähnt werden. Freilich<br />

lässt sich diese Ansicht rasch entkräften, da irritierende Brüche und kritische Reflexion im<br />

Zusammenhang mit Mirza zur Gänze fehlen. Daher lässt sich festhalten, dass Grillparzer mit<br />

seiner Mirza dem verklärten Idealbild der Biedermeierfrau ein literarisches Denkmal gesetzt<br />

hat. Der Umstand, dass Mirza am Ende des Stückes mit der Aussicht auf die lange ersehnte<br />

Heirat ihr stilles Glück findet, spricht deutlich da<strong>für</strong>: Die Figur der Mirza bleibt ein biedermeierlicher<br />

Typus, dem Grillparzer kaum individuelle Charakterzüge verleiht. Zugleich hat er<br />

dieses Idealbild des Biedermeiermädels durchaus konsequent gestaltet: Das zeigt sich an Mirzas<br />

ökonomischer Abhängigkeit ebenso wie an ihrer Positionierung innerhalb der Gesellschaft,<br />

in der Mirza erst durch ihre Verbindung mit einem Mann an Bedeutung gewinnt.<br />

Grillparzer erklärt Mirzas angepasstes Verhalten allerdings nicht als Resultat der Anwendung<br />

männlicher Unterdrückungsstrategien, sondern als positiv verinnerlichte Normen, die von der<br />

jungen Frau nie in Frage gestellt werden.<br />

Als Kontrapunkt zu Mirza entwirft Grillparzer die Figur der Gülnare, die sich innerhalb<br />

von Rustans Traumgeschehen als selbstbestimmte Frau gebärdet. Der dramentechnische<br />

Kniff des Traumes innerhalb des Bühnengeschehens ist <strong>für</strong> die Entwicklung dieses weiblichen<br />

Charakters von entscheidender Bedeutung, da damit jeglicher Anspruch auf Realisierung in<br />

der Wirklichkeit verloren geht. Wenn der elternlose, ländliche, unerfahrene Rustan im Traum<br />

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