DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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S. 538, V. 1479-1481). Worin Rahels Schönheit konkret besteht, erläutert der König in einem<br />
Monolog gegenüber Garceran. Als die beiden Männer unter sich sind, wird Alphons bei der<br />
Beschreibung Rahels äußerer Reize deutlicher als zuvor. Die phantasievolle Schilderung Rahels<br />
durch den König klingt wie ein sexueller Wunscherfüllungstraum des Herrschers:<br />
KÖNIG […] Die Tür geht auf und hell im Kerzenschimmer<br />
Auf dunkeln Samt die Glieder hingegossen,<br />
Den weißen Arm umkreist von Perlenschnüren,<br />
lehnt weichgesenkten Hauptes die Ersehnte,<br />
Die goldnen Locken – nein, ich sage, schwarz! –<br />
Des Hauptes Rabenhaar – und so denn weiter! (HKA, S. 501, V. 472-477)<br />
Es ist bezeichnend, dass der König die Frau seines Tagtraumes zunächst mit goldenen Locken<br />
imaginiert. Dies zeigt, wie sehr Alphons das konventionelle weibliche Schönheitsideal verinnerlicht<br />
hat: Gerade die Betonung der Locken deutet auf das typisierte Biedermeiermädchen<br />
hin, das auf zeitgenössischen Porträts nahezu ausschließlich mit einem korrekt frisierten Lockenkopf<br />
gezeigt wird. 182 Das Bild der Rahel widerspricht diesen Darstellungen von unschuldiger,<br />
kindlich-naiver Weiblichkeit nach streng vorgegebenen Normen: In den Augen ihrer<br />
Halbschwester Esther ist sie „ein verwöhnt, verwildert Mädchen“ (HKA, S. 507, V. 634-635),<br />
der königliche Berater Manrike bezeichnet Rahel gar als „Dirne“ (HKA, S. 528, V. 1182).<br />
Wie eng <strong>für</strong> den König der Rahels Schönheit mit ihrer sexuellen Anziehungskraft verbunden<br />
ist, zeigt sich besonders deutlich im zweiten Aufzug in der Szene im Gartenhaus. Als der König<br />
Rahel erblickt, wirkt er einmal mehr wie betört. In einer Klimax aus vier Verben, in denen<br />
die erotische Spannung förmlich spürbar wird, verleiht der König seiner Begeisterung <strong>für</strong> Rahels<br />
weibliche Reize Ausdruck:<br />
KÖNIG: Zu Garceran:<br />
Ist sie nicht schön?<br />
GARCERAN Sie ist’s mein Herr und König.<br />
KÖNIG Und wie das wogt und wallt und glüht und prangt. (HKA, S. 507, V. 640-643)<br />
Die deutlichsten Worte <strong>für</strong> die Reduktion der jungen Jüdin zum Lustobjekt des Königs findet<br />
Garceran, der Rahel als „Das Weib als solches, nichts als ihr Geschlecht“ (HKA, S. 516, V.<br />
859) beschreibt. Politzer wertet diese explizit erotische Frauendarstellung, die Grillparzer <strong>für</strong><br />
Rahel wählt, als literarischen Meilenstein: „Kaum je zuvor hatte ein Mann es gewagt, einer<br />
Frau öffentlich ein solches Maß an erotischer Macht zuzugestehen.“ 183 Und gerade diese erotische<br />
Macht ist es, die Rahel schließlich das Leben kostet. Dass der König nach dem gewalt-<br />
182 Vgl. Krezic, Anita: Familie und Rollenzuordnungen in der Malerei der Aufklärung und des Biedermeier.<br />
<strong>Wien</strong>, Diplomarbeit 2007, S. 76.<br />
183 Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 337.<br />
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