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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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samen Tod Rahels versucht, ihre Schönheit in Frage zu stellen, ist ein unbeholfener Versuch,<br />

diesen Mord zu relativieren und sich selbst von Schuld reinzuwaschen:<br />

KÖNIG […] Ich sage dir: sie war nicht schön.<br />

GARCERAN Wie meint ihr [sic]?<br />

KÖNIG Ein Böser [sic] Zug um Wange, Kinn und Mund,<br />

Ein lauernd Etwas in dem Feuer-Blick<br />

Vergiftete, entstellte ihre Schönheit.<br />

Betrachtet hab’ ich mir’s und hab’ verglichen […].<br />

(HKA, S. 551-552, V. 1848-1852)<br />

Freilich hat dieser Beschwichtigungsversuch des Königs gegenteilige Wirkung: Alphons’<br />

gekünstelte Relativierung von Rahels Schönheit streicht die Bedeutung ihres faszinierenden<br />

Aussehens umso deutlicher hervor. Denn noch im vierten Akt hatte der König gegenüber seiner<br />

Ehefrau Eleonore seine Schwäche <strong>für</strong> Rahel mit deren natürlicher Schönheit begründet,<br />

der er nicht widerstehen könne: „Und schämte mich, wär’s nicht natürlich wieder“ (HKA, S.<br />

537, V. 1462). Diese authentische und daher unbezähmbare Schönheit ist es, die Rahel <strong>für</strong> die<br />

bestehende Ordnung so gefährlich macht: „Nature, then, disurbs art, threatening order and<br />

discipline both in the royal household and in the state.“ 184 Denn Rahels natürliche Authentizität<br />

ist ein Quell der Wahrheit:<br />

KÖNIG Sie war die Wahrheit, ob verzerrt,<br />

All was sie tat ging aus aus ihrem Selbst,<br />

Urplötzlich, unverhofft und ohne Beispiel.<br />

Seit ich sie sah, empfand ich, daß ich lebte<br />

Und in der Tage trübem Einerlei<br />

War sie allein mir Wesen und Gestalt. (HKA, S. 546, V. 1685-1690)<br />

Rahels Andersartigkeit manifestiert sich am Beginn des Dramas auch in ihrer außergewöhnlichen<br />

Sprache, die im Kontrast zu den Äußerungen des Königs und seines Gefolges wirksam<br />

wird. Rahel, ihre Halbschwester Esther und der Vater Isak 185 verwenden zunächst vierhebige<br />

Trochäen (´xx ´xx ´xx ´xx). Der König, die Königin und ihr Gefolge sprechen von Beginn an<br />

im gemäßigten Blankvers (x´x x´x x´x x´x x´x). Die Sprache der drei Juden wirkt im direkten<br />

Vergleich mit dem fünfhebigen reimlosen Jambus der Königlichen emotional aufgeladen<br />

und angespannt:<br />

RAHEL Ich will nicht allein sein! Hört ihr?<br />

Bleibt! – Sie gehen. – O weh mir, weh!<br />

Ich will nicht allein sein! Hört ihr?<br />

Ach, sie kommen. – Schwester! Vater!<br />

184 Yates, William Edgar: Grillparzer, Die Jüdin von Toledo. In: Landmarks in German drama. Hg. v. Peter Hutchinson.<br />

Oxford u.a.: Peter Lang 2002 (British and Irish Studies in German language and literature 27), S. 111-<br />

125, S. 117-118.<br />

185 Zur Orthografie: In der Sekundärliteratur wird Rahels Vater auch als „Isaak“ bezeichnet, die Schreibweise in<br />

dieser Arbeit richtet sich mit „Isak“ nach Helmut Bachmaiers Werkausgabe (Vgl. HKA, S. 484).<br />

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