DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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3.3.3 Strategien zur Unterdrückung<br />
Auf Rahels unkonventionelles Wesen reagieren die Männerfiguren des Dramas mit<br />
zunehmender Unruhe. Daher suchen sie nach Strategien, um Kontrolle über Rahels autonome<br />
Weiblichkeit zu erlangen. Von Isak über den König bis zu Manrike setzen die männlichen<br />
Figuren ab dem Moment der ersten Begegnung mit Rahel verschiedene Mittel ein, um Rahel<br />
auf ein – nach patriarchalem Ermessen – erträgliches Maß herabzuwürdigen.<br />
Eines dieser Mittel ist die Infantilisierung, die vor allem von König Alphons eingesetzt<br />
wird. Indem er Rahel zum unmündigen Kind degradiert, erscheint es geradezu seine Pflicht zu<br />
sein, Kontrolle über dieses schutzlose Geschöpf auszuüben, Entscheidungen <strong>für</strong> Rahel zu treffen<br />
und ihr somit jegliche Fähigkeit zu eigenständigem Denken abzusprechen: Der König<br />
nennt Rahel „mein gutes Kind“ (HKA, S. 506, V. 609), beteuert „sie ist ein Kind“ (HKA, S.<br />
518, V. 899), tadelt sie sie als „albern spielend, töricht-weises Kind“ (HKA, S. 522, V. 1029)<br />
und behält sie auch nach ihrem Tod so in Erinnerung, wenn er sich folgendermaßen erinnert:<br />
„Sie spielte noch, ein Kind“ (HKA, V. 545, V. 1666). Dass Alphons mit diesem Verhalten in<br />
der Tat auf eine bewusste Herabwürdigung Rahels zielt, zeigt sich darin, wie konträr er mit<br />
seinem leiblichen Sohn umgeht: Ihn bezeichnet Alphons seltener als „Kind“ (vgl. HKA, S.<br />
552, V. 1878 und S. 553, V. 1901) als seine Geliebte Rahel. Der Kronprinz wird von Alphons<br />
häufiger als „mein Sohn“ (HKA, S. 552, V. 1869 und V. 1883, S. 553, V. 1897) genannt.<br />
Demgegenüber tituliert er Rahel stets geschlechtslos als Kind. Damit unterstreicht er ihren<br />
Status als Unschuldige und Unberührte, was <strong>für</strong> die sexuelle Beziehung zwischen Alphons<br />
und Rahel vermutlich von Bedeutung ist. Zugleich bildet diese sprachliche Infantilisierung<br />
Rahels die Basis <strong>für</strong> den besitzergreifenden, herablassenden Umgang des Königs mit seiner<br />
Geliebten.<br />
Der alte Graf Manrike hat offenbar erkannt, dass eine Infantilisierung Rahels nicht<br />
ausreicht, um ihre Wirkung auf den König zu schmälern. Schon im ersten Akt versucht er<br />
mehrfach, Rahel aufgrund ihres jüdischen Glaubens vor dem König herabzuwürdigen: „Verboten<br />
ist der Eintritt diesem Volk“ (HKA, S. 495, V. 321), das er wenig später als „Pöbel“<br />
(HKA, S. 498, V. 394) bezeichnet. Im zweiten Akt spielt Manrike auf die exzentrischen Charakterzüge<br />
Rahels an: Sie sei „dem losgelassnen Wahnsinn gleich“ (HKA, S. 508, V. 663).<br />
Wenig später ist es dann bereits der König, der Rahel angesichts ihrer Wirkung auf ihn dämonische<br />
Kräfte unterstellt:<br />
RAHEL mit einer Nadel nach dem Bilde fahrend:<br />
Siehst du? gerad ins Herz.<br />
KÖNIG Halt ein! Beim Himmel!<br />
Hast du mich fast erschreckt. Wer bist du Mädchen?<br />
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