25.12.2013 Aufrufe

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

die Fürsorge, die alle domestiziert, und es ist die Gegenseitigkeit, die die Harmonie<br />

dieser Idylle ausmacht. 110<br />

Doch Rustan scheint keinen Wert auf derartige Gegenseitigkeiten zu legen – im Gegensatz zu<br />

Mirza. Sobald Rustan endlich zurückgekehrt ist, geht Mirza ganz in der Fürsorge um ihren<br />

zukünftigen Ehemann auf: „‘Sorge‘ ist ihr Zentralwort“. 111 Es wirkt selbstverständlich, dass<br />

Mirza das Abendessen vorbereitet und das Bett gemacht hat:<br />

RUSTAN Horch! Mich dünkt, dein Vater ruft.<br />

MIRZA Ich soll gehen? O, komm du mit!<br />

Du bist heiß, die Nachtluft kühl,<br />

Und der müde Fuß will Ruhe.<br />

RUSTAN Laß nur! Hier –<br />

MIRZA Nicht doch! Du sollst!<br />

In der Hütte ruht sichs besser<br />

Und das Abendessen wartet.<br />

Komm! Der Vater zürnt nicht mehr,<br />

Alles ist vergessen. – Komm!<br />

Mit Rustan in die Hütte ab. (HKA, S. 109-110, V. 429-437)<br />

Ebenso oberflächlich wie Mirzas Handeln bleibt ihre Sprache. Ihre Botschaften kleidet<br />

sie häufig in Interjektionen oder geseufzte Phrasen: „Horch! War das nicht Hörnerschall? / Ja,<br />

er ists! Er kommt! Er naht!“, ruft die auf Rustan Wartende. Als sich der nahende Jäger als<br />

anderer entpuppt, klagt sie voll Selbstmitleid: „Jetzo wendet er das Antlitz! / Rustan!? – –<br />

Armes, oftgetäuschtes Herz! […] Trage, wunder Busen, trage; / Bist des Tragens ja gewohnt!“<br />

(HKA, S. 98, V. 31-38). In Rhythmus und Versmaß stimmen Mirzas Aussagen mit<br />

denen ihrer Familienangehörigen überein. Wie alle anderen Personen des Stückes spricht<br />

Mirza durchgängig in spanischen Trochäen (´xx ´xx ´xx ´xx), die Grillparzer aus den spanischen<br />

Barockdramen übernommen hat. Diese strikt vereinheitlichte Sprache vermittelt ein<br />

enges innerfamiliäres Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es <strong>für</strong> das Biedermeier typisch ist.<br />

Andererseits zeugt diese konsequente Ähnlichkeit freilich von bedrückender Enge und strengen<br />

Normen. Mirzas Sprache kann demnach in zweierlei Hinsicht gedeutet werden: Sie vermittelt<br />

Zugehörigkeit, doch zugleich bedeutet sie die Akzeptanz bestehender Verhaltensmuster.<br />

Durch ihr schlichtes Wesen und ihre Rolle als Wartende verliert „die duldsame Mirza“ 112<br />

den Bezug zur Gegenwart. Sie hängt der harmonischen Vergangenheit mit einem Rustan aus<br />

besseren Tagen nach und verknüpft dies mit Zukunftsträumen:<br />

MIRZA Scheltet drum ihn nicht, mein Vater!<br />

War er doch nicht immer so.<br />

110 Geißler, Rolf: Ein Dichter der letzten Dinge – Grillparzer heute. Subjektivismuskritik im dramatischen Werk.<br />

Mit einem Anhang über die Struktur seines politischen Denkens. <strong>Wien</strong>: Wilhelm Braumüller 1987, S. 61-62.<br />

111 Ebd., S. 62.<br />

112 Janke, Pia: Gescheiterte Authentizität, S. 61.<br />

- 25 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!