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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Bereits Gülnares abweisendes Verhalten gegenüber dem um sie werbenden Chan von Tiflis<br />

war verhängnisvoll gewesen. Damit hatte sie eine Spirale patriarchaler Gewalt in Gang gesetzt,<br />

die sie seither ständig bedroht: „Was so eben Boten künden: / Jener blutge Chan von<br />

Tiflis, / Mein Bewerber und mein Feind, / Hat in mächtgen Heeres Mitten / Unsre Gränze<br />

[sic] überschritten, / Hundert Völker stolz vereint / Weil er hilflos uns vermeint“ (HKA, S.<br />

128, V. 943-948). Dieser männliche Machthunger – ausgehend vom Chan von Tiflis, aber<br />

auch von Rustan und Zanga – stellt eine Gefahr <strong>für</strong> Gülnares Selbstbestimmtheit dar. Denn<br />

die Prinzessin ist einerseits das Ziel der Anstrengungen, andererseits aber auch das Mittel zum<br />

Zweck. Nicht nur ein bewaffneter Konflikt mit Samarkand bietet die Aussicht auf die Landesherrschaft.<br />

Die Alternative dazu ist die Sicherstellung der Verfügungsgewalt über Gülnares<br />

Körper innerhalb einer (erzwungenen) „Vernunftehe“. Gülnare erkennt diese doppelte<br />

Bedrohung und kämpft bewusst dagegen an. Einen wichtigen Rückhalt im Ringen um ihre<br />

Vormachtstellung stellt das Heer dar. Als hermetischer Komplex verdichteter männlicher Hierarchie<br />

ist das Militär ein Sinnbild <strong>für</strong> patriarchale Machtstrukturen. Deshalb erscheint es zunächst<br />

als eine weitere Quelle der Bedrohung <strong>für</strong> Gülnare. Doch Grillparzer stellt ihr in diesem<br />

Bereich den klugen Krieger Karkhan zur Seite. Dieser präsentiert sich als zurückhaltender,<br />

besonnener Ratgeber, der Gülnares Gefolge hinter sich weiß:<br />

KARKHAN Fürstin, sei du nicht beklommen,<br />

Noch ist alles nicht verloren,<br />

Mancher Helfer bleibt dir noch.<br />

Meine Freunde stehn in Waffen,<br />

Und was lange still beschlossen,<br />

Frei und offen künd ichs nun.<br />

Während hierzu dir ich spreche,<br />

Sprechen sie zu deinem Volke,<br />

Schütteln ab das feige Joch. […]<br />

Ja, dein Volk führt deine Sache,<br />

Und es kam der Tag der Rache. (HKA, S. 171, V. 2109-2127)<br />

Grillparzer charakterisiert Karkhan als Gegenentwurf des hitzigen Rustan und des hinterlistigen<br />

Zanga: Karkhan ist besonnen statt machthungrig, bescheiden statt hochmütig, beharrlich<br />

statt wankelmütig – und er macht Gülnare in keiner Situation erotische Avancen. Daher kann<br />

Gülnare ihn als ihren Ratgeber akzeptieren. Mit Karkhans Hilfe gelingt es Gülnare, sich selbst<br />

in der Armee, einer Sphäre konzentrierter männlicher Machtstrukturen, gegen patriarchale<br />

Unterdrückungsmechanismen zur Wehr zu setzen.<br />

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