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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Leander haust in einer schlichten Hütte (vgl. HKA, S. 68, Regieanweisung nach V. 1528) und<br />

lebt als „arme[r] Fischerbursch[…]“ 178 von der Hand in den Mund.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen,<br />

die Heros Leben prägen, ihre Abhängigkeit von männlicher Willkür widerspiegeln. Heros<br />

ökonomische Positionierung ergibt sich zunächst aus väterlicher Entscheidungsgewalt,<br />

später aus dem Wohlwollen des Priester-Onkels. Jene Freiheit, die Hero durch den Umzug<br />

vom Elternhaus auf die Insel Sestos gewonnen hat, ist demnach nur eine scheinbare, denn in<br />

wirtschaftlichen Belangen tritt der Priester als autoritäre Machtfigur auf. Er allein trifft die<br />

Entscheidungen: Hero bleibt lediglich die Aufgabe, sich damit zu arrangieren. Die ökonomischen<br />

Zwänge, die auf sie einwirken, sind demnach ein wesentlicher Faktor im Korsett der<br />

Abhängigkeiten, das Hero schließlich die Luft zum Atmen raubt.<br />

3.2.5 Zusammenfassung: Hero und das biedermeierliche Frauenbild<br />

Grillparzer gestaltet mit Hero eine vielschichtige, facettenreiche und authentische<br />

Frauenfigur, die sich von dem konventionellen Lebensentwurf als Ehefrau lossagt. Jene Normen,<br />

die Heros Unfreiheit bedingen, erinnern deutlich an das bürgerlich-konservative Wertesystem<br />

der Biedermeierzeit. Heros Auflehnung gegen diesen Lebensentwurf, der von der<br />

Mutter verkörpert wird, kann daher durchaus als Kritik Grillparzers an dem reaktionären<br />

Frauenbild seiner Zeit gelesen werden. Heros Charakterzüge widersprechen dem typisierten<br />

Idealbild eines tugendhaften Biedermeiermädchens: Hero kümmert sich wenig um gesellschaftliche<br />

Konventionen; Eigenschaften wie Höflichkeit, Demut und Zurückhaltung sind ihr<br />

fremd: Sie zeigt kaum Respekt vor väterlicher und priesterlicher Autorität.<br />

Dennoch ist sie von den patriarchalen Machtstrukturen vor allem ökonomisch abhängig.<br />

Als unverheiratete junge Frau bietet ihr nur der Dienst als Priesterin eine gesicherte Existenz<br />

außerhalb einer Ehe. In dieser Position muss sie sich allerdings den Anordnungen des<br />

Priester-Onkels fügen. Auf ökonomischer Ebene bleibt Hero daher die Unabhängigkeit sowohl<br />

im Elternhaus als auch im Dienst als Priesterin versagt. Damit spiegelt Heros wirtschaftliche<br />

Unfreiheit reale Abhängigkeitsverhältnisse, die auch in der Biedermeierzeit wirksam<br />

waren.<br />

In ähnlicher Weise entpuppt sich Heros Positionierung im patriarchalen Gesellschaftsgefüge<br />

als negatives Sittenbild der Biedermeierzeit in antikem Gewand. Unterdrückt von Vater<br />

und Bruder verlebt das Mädchen eine schwere Kindheit. Die Mutter wird auf den Status<br />

als unmündige Ehefrau reduziert und bietet der Tochter keine Orientierungshilfe. Die von<br />

178 Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 228.<br />

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