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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Mirza dient in sexueller Konnotation als Symbol <strong>für</strong> Rustans bedrohte Männlichkeit und seine<br />

verletzte Ehre. 114 Das Handgemenge zwischen Rustan und dem Mann vom Felsen – in dem<br />

Rustan Züge des Rivalen Osmin zu erkennen glaubt – gerät zum Wettstreit um Mirza. Es<br />

kommt zum Kampf. „Sie ringen auf der Brücke“ und Rustan ruft: „Sein Berühren ist Entmannen.<br />

/ Zanga, Zanga, rette mich!“ (HKA, S. 135, V. 1137-1138). Der Mann vom Felsen<br />

entgegnet „Zurücksinkend: Rustan! Rustan! Mirza! Rustan!“ (HKA, S. 136, V. 1148) und<br />

rückt Mirza dadurch mitten in den männlichen Potenzkonflikt des Traumgeschehens.<br />

Die genannten Belege zeigen, dass Grillparzer auf eine individuelle Charakterisierung<br />

Mirzas verzichtet. Umso größer ist die Fülle jener stereotypisierten weiblichen Eigenschaften,<br />

die Mirza zum Inbegriff des bürgerlich-biedermeierlichen Frauenbildes machen.<br />

b) Gülnare<br />

Die Bedeutung von Gülnares Aussehen unterscheidet sich quantitativ und qualitativ<br />

von der Darstellung der äußeren Merkmale Mirzas. Während Grillparzer Mirzas Aussehen<br />

mit keiner Silbe erläutert, unterstreicht er die blendende Wirkung der Schönheit Gülnares. 115<br />

Auf die Ausgestaltung von Details wie Kleidung oder Haar- und Augenfarbe legt Grillparzer<br />

allerdings auch bei Gülnare keinen Wert. Es genügt, dass die Königstochter als „Lichtgestalt“<br />

bezeichnet wird. 116 Weniger als körperliche Merkmale sind es vielmehr die Schmuckstücke,<br />

die Rustan und Zanga verzaubern: „Zanga zu Rustan: Schaut nur, schaut! Seht halb euch<br />

blind! / Gold und Spangen, Perlen, Kleider, / Seht der Hoheit Vollgewalt“ (HKA, S. 126, V.<br />

869). Hier wird deutlich, dass es die ungewöhnliche Kombination aus strahlender Weiblichkeit<br />

und den Insignien der Macht ist, die Gülnare ihre außergewöhnliche Attraktivität verleiht.<br />

Beides sind Attribute, die Mirza gänzlich fehlen. So überrascht es zunächst, als im dritten<br />

Aufzug ein laut vorgelesener Brief unerwartet körperliche Ähnlichkeiten zwischen Mirza und<br />

Gülnare erhellt: In dieser Briefbotschaft werden äußerliche Gemeinsamkeiten zwischen Mirza<br />

und Gülnare angedeutet. Dennoch ist die Rangordnung klar: Mirza ist keineswegs schön wie<br />

Gülnare, sondern lediglich „die Einzge, die vergleichbar“ scheint und ihr zumindest „nahe<br />

kommt“ (HKA, S. 157, V. 1780-1781). Die charakterlichen Differenzen zwischen diesen beiden<br />

Frauenfiguren bleiben allerdings bestehen. Ein aufschlussreiches Beispiel da<strong>für</strong> sind die<br />

Figurenreden. Während die äußere Form auch in Gülnares Sprache gewahrt wird, indem sie<br />

wie alle anderen Figuren vierhebige Trochäen verwendet (´xx ´xx ´xx ´xx), unterscheidet sich<br />

die Substanz ihrer Aussagen wesentlich von jener Mirzas. Denn Gülnare macht sich selbst<br />

114 Vgl. Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 238.<br />

115 Vgl. HKA, S. 126 (V. 867-870).<br />

116 Vgl. ebd., S. 126 (V. 869).<br />

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