DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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3.2 Hero aus Des Meeres und der Liebe Wellen<br />
Gerade in der Sekundärliteratur zu Des Meeres und der Liebe Wellen 133 rückt der biographische<br />
Aspekt besonders deutlich in den Vordergrund. Gerne wird betont und belegt, wie<br />
Grillparzer bei der Gestaltung seiner Hero von Frauen aus seiner unmittelbaren Umgebung<br />
beeinflusst worden ist. 134 Namentlich genannt werden Marie Rizy, Charlotte von Paumgartten<br />
und Marie von Smolenitz, die später den Grillparzer-Freund und Biedermeiermaler Moritz<br />
Daffinger heiratete: Diese Frauen hätten „das Hero-Bild mitgeformt“. 135 Brigitte Prutti geht<br />
noch einen Schritt weiter und verweist neben dem Konnex zwischen Grillparzers realen Bekanntschaften<br />
und der Hero-Figur auch auf Parallelen zwischen dem mutterfixierten Leander<br />
und Grillparzer selbst. 136 Die folgende Analyse klammert diese – mitunter höchst spekulativen<br />
– biographischen Details bewusst aus.<br />
3.2.1 Äußeres Erscheinungsbild, Charakter und Sprache<br />
In Des Meeres und der Liebe Wellen, einem Trauerspiel in fünf Aufzügen, adaptiert<br />
Grillparzer den antiken Stoff von Hero und Leander. Somit sind die äußeren körperlichen<br />
Merkmale und das Alter seiner weiblichen Hauptfigur bereits in den Grundzügen vorgegeben.<br />
Auf nähere Erläuterungen kann Grillparzer daher verzichten. Tatsächlich erwähnt Grillparzer<br />
keinerlei ausschmückende Einzelheiten über Heros Aussehen, ganz im Gegensatz zu seiner<br />
Schilderung Leanders, den er bis ins letzte Detail in Größe, Statur, Haar- und Augenfarbe<br />
festlegt. Naukleros beschreibt seinen Freund Leander:<br />
NAUKLEROS Da lehnt er, weich, mit mattgesenkten Gliedern.<br />
Ein Junge, schön, wenn gleich nicht groß, und braun.<br />
Die finstern Locken ringeln um die Stirn;<br />
Das Auge, wenns die Wimper nicht verwehrt,<br />
Sprüht heiß wie Kohle, frisch nur angefacht;<br />
Die Schultern weit, die Arme derb und tüchtig,<br />
Von prallen Muskeln ründlich überragt; (HKA, S. 32, V. 579-585)<br />
Diese plastische Schilderung des jungen, braungebrannten Leander will vor allem nachvollziehbar<br />
machen, welche erotische Anziehungskraft dieser „arme[…] Fischerbursche[…] von<br />
133 Wie Der Traum ein Leben beschäftigte auch dieses Drama den Dichter über Jahre hinweg. Erste Notizen zum<br />
Hero-und-Leander-Stoff stammen aus 1820. 1826 beginnt Grillparzer mit der Ausarbeitung, den Großteil des<br />
Dramas schreibt er 1828. Nach mehrmaliger Überarbeitung stellt er den Text 1829 fertig. Die Uraufführung<br />
erfolgt 1831, der erste Druck 1840. Vgl. Grillparzer, Franz: Werke Bd. 3, S. 571-572.<br />
134 Vgl. Yates, William Edgar: Grillparzer and the Fair Sex, S. 71-72, Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das<br />
abgründige Biedermeier, S. 110 sowie Scheit, Gerhard: Grillparzer, S. 59 und vor allem Hagl-Catling, Karin: Für<br />
eine Imagologie der Geschlechter, S. 126-135.<br />
135 Bachmaier, Helmut: Kommentar zu Des Meeres und der Liebe Wellen. In: HKA, S. 572.<br />
136 Vgl. Prutti, Brigitte: Letale Liebe und das Phantasma idealer Mütterlichkeit in Grillparzers Trauerspiel „Des<br />
Meeres und der Liebe Wellen“. In: ZfdPh 124 (2005), S. 180-203, S. 200-202.<br />
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