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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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3.3 Rahel aus Die Jüdin von Toledo<br />

Die Figur der Rahel zählt zu den am häufigsten untersuchten Frauenfiguren der Grillparzer-Forschung.<br />

Gerade <strong>für</strong> Fragen im Zusammenhang mit der dichterischen Darstellung<br />

von Weiblichkeit erweist sich Die Jüdin von Toledo 179 als sehr ergiebig. Innerhalb dieser Arbeit<br />

bildet die Figur der Rahel neben Hero und Mirza/Gülnare den dritten Ausgangspunkt der<br />

Analyse. Nicht näher behandelt werden die äußeren und charakterlichen Parallelen zwischen<br />

Rahel und Grillparzers Bekanntschaft Marie von Smolenitz, da biographische Aspekte nicht<br />

Teil dieser Arbeit sind. 180<br />

3.3.1 Äußeres Erscheinungsbild, Charakter und Sprache<br />

Anders als bei seiner Schilderung Heros und auch im Unterschied zur Darstellung<br />

Mirzas beziehungsweise Gülnares, geht Grillparzer bei der Beschreibung Rahels genauer ins<br />

Detail. Diese ausführliche Darstellung der körperlichen Merkmale bewirkt, dass die faszinierende<br />

Wirkung von Rahels sexuell attraktivem Frauenkörper nachvollziehbar wird. Diese Tatsache<br />

als Kritik Grillparzers an selbstbewusst zur Schau gestellter Weiblichkeit auszulegen,<br />

greift allerdings zu kurz. Vielmehr problematisiert Grillparzer durch Rahels Attraktivität indirekt<br />

die Figur des Königs Alphons, der nach der Begegnung mit der körperlich anziehenden<br />

Rahel gänzlich aus seiner Rolle als Herrscher fällt. Grillparzers Beschreibung der Rahel ermöglicht<br />

zugleich einen Einblick in die biedermeierliche Vorstellung von erotischer Weiblichkeit.<br />

Sowohl der König als auch sein Vasall Graf Garceran zeigen sich nach der ersten<br />

Begegnung mit Rahel im königlichen Garten 181 von ihrem Aussehen beeindruckt: Der König<br />

bezeichnet sie als „schön“ (HKA, S. 496, V. 355) und „hübsch[…]“ (HKA, S. 497, V. 378),<br />

auch der Frauenkenner Garceran nennt sie „schön“ (HKA, S. 499, V. 404). Im vierten Akt<br />

verleiht Alphons Rahel gar das Prädikat „meisterhaft“: „Denn sieh nur diese Augen – / Nun<br />

ja, die Augen! – Körper, Hals und Wuchs / Das hat Gott wahrlich meisterhaft gefügt“ (HKA,<br />

179 Dieses Trauerspiel in fünf Akten wurde 1872 in Prag postum uraufgeführt, doch die Entstehungsgeschichte<br />

des Dramas reicht bis ins Biedermeier zurück: Erste Notizen stammen aus dem Jahr 1816, der Plan der Handlung<br />

entstand 1824. Nach Vorarbeiten im Jahr 1827 schrieb Grillparzer 1839 die ersten beiden Akte. Der dritte Aufzug<br />

entstand 1849, im Jahr 1851 vollendete Grillparzer schließlich das Drama (vgl. Bachmaier, Helmut: Kommentar<br />

zu Die Jüdin von Toledo. In: HKA, S. 845-846). Aufgrund dieser langen Entstehungsgeschichte erscheint<br />

die Auseinandersetzung mit der Jüdin von Toledo im Rahmen einer Analyse, die ihren Fokus auf die<br />

Biedermeierzeit richtet, durchaus legitim.<br />

180 Vgl. Bachmaier, Helmut: Kommentar zu Die Jüdin von Toledo. In: HKA, S. 845 und Lorenz, Dagmar C. G.:<br />

Die Darstellung jüdischer Gestalten bei Grillparzer. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft. 3. Folge. Bd. 21<br />

(2003-2006), S. 7-31, S. 16-17.<br />

181 Die Einbettung der Exposition in den königlichen Garten ist ein Kunstgriff Grillparzers: Das Motiv des paradiesischen<br />

Gartens verstärkt Rahels Rolle als Verführerin nach dem Vorbild der biblischen Eva. Vgl. Politzer,<br />

Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 329 und Neumann, Gerhard: „Der Tag hat einen<br />

Riß“. Geschichtlichkeit und erotischer Augenblick in Grillparzers „Jüdin von Toledo“. In: Franz Grillparzer:<br />

Historie und Gegenwärtigkeit. Hg. v. Gerhard Neumann u. Günter Schnitzler. Freiburg im Breisgau: Rombach<br />

1994 (Rombach Wissenschaft: Reihe Litterae 19), S. 143-177, S. 148.<br />

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