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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Rahels Tod bedingen, sondern es ist der Druck des Systems: Für eine Frau wie Rahel hat diese<br />

Gesellschaft keinen Platz.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Rahels Stellung innerhalb des patriarchalen<br />

Gesellschaftsgefüges die Position einer Unterdrückten ist. Im ersten Akt ist es vor allem<br />

ihr jüdischer Glaube, der Rahel als anders brandmarkt. Während Grillparzer diesen konfessionellen<br />

Differenzen im Verlauf des Dramas immer geringere Bedeutung zumisst, tragen andere<br />

Facetten von Rahels Persönlichkeit zu ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung bei: Als junge<br />

Frau, die sich in ihrem Verhalten und in ihrer offen ausgelebten Weiblichkeit über gesellschaftliche<br />

Normen hinwegsetzt, stößt Rahel schnell an die Grenzen der patriarchalen Ordnung.<br />

Das von ihrem Vater Isak gestreute Gerücht, dass Rahel möglicherweise ein uneheliches<br />

Kind sei, trägt weiter zu ihrer Rolle als Außenseiterin bei. Diese Position wird Rahel<br />

auch innerhalb ihrer Herkunftsfamilie zuerkannt. Im Gegensatz zu der tugendhaften, vernünftigen<br />

Schwester Esther betrachtet der Vater seine aufmüpfige Tochter Rahel als Strafe Gottes.<br />

Damit entspricht Rahels familiäre und gesellschaftliche Außenseiterrolle der Stellung einer<br />

mit ähnlichen Attributen ausgestatteten jungen Frau der Biedermeierzeit: Wie Rahel wäre ihr<br />

gesellschaftliche Anerkennung verwehrt geblieben.<br />

Differenziert gestaltet Grillparzer das Verhältnis zwischen Rahel und König Alphons:<br />

Als der König auf die körperlichen Genüsse mit der schönen Jüdin nicht mehr verzichten will,<br />

gewinnt Rahel in dieser Konstellation zwar kurzfristig die Oberhand, doch ihre offen ausgelebten<br />

Emotionen und ihr attraktives Aussehen erleichtern sowohl dem König als auch Rahels<br />

späteren Mördern ihre Degradierung zu einem austauschbaren Lustobjekt. Tatsächlich erweist<br />

sich die körperliche Bindung zwischen Rahel und Alphons als wenig tragfähig: Der König<br />

fühlt sich in seiner Virilität bedroht, als er seiner physischen und psychischen Abhängigkeit<br />

von Rahel gewahr wird. Daher plant er, Rahel durch eine andere Geliebte zu ersetzen. Doch<br />

der patriarchale Machtapparat rund um den greisen Grafen Manrike kommt ihm zuvor: Angesichts<br />

der Unentschlossenheit des Königs führt Manrike unter Berufung auf Staatsräson und<br />

Sittlichkeit das Mordkomplott gegen Rahel an: Als Inbegriff <strong>für</strong> die Gefährdung der staatlichen<br />

Ordnung muss sie sterben. Grillparzers Drama zeigt, dass das männerdominierte Machtsystem<br />

auch ohne seinen obersten Repräsentanten funktioniert, solange es sich auf eine Basis<br />

von überzeugten patriarchalen Ordnungshütern wie Graf Manrike stützt.<br />

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