DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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KÖNIGIN<br />
KÖNIG<br />
Seid Ihr gefangen, ich bin frei. Ich gehe.<br />
Mit ihren Frauen ab.<br />
Nun auch noch das! Mit ihrem Züchtigtun<br />
Erschaffen sie, was sie entfernen möchten. (HKA, S. 495-496, V. 330-335)<br />
Der König inszeniert sich lustvoll als Gefangener seines Triebes. Innerhalb der patriarchalen<br />
Gesellschaftsordnung fühlt er sich dazu berechtigt, seine Ehefrau, immerhin die Königin von<br />
England, im Beisein Dritter offen zu brüskieren. Wie geschickt Alphons es innerhalb dieses<br />
männlich dominierten Systems versteht, die Frauen <strong>für</strong> seine Fehltaten verantwortlich zu machen,<br />
verrät sein Ausspruch: „Mit ihrem Züchtigtun / Erschaffen sie, was sie entfernen möchten“<br />
(HKA, S. 496, V. 335). Damit beschuldigt er die reservierte Eleonore, durch ihre Gefühlskälte<br />
seine Untreue heraufbeschworen zu haben. Daher scheint es legitim, auch die Königin<br />
bis zu einem gewissen Grad als von patriarchalen Machtmechanismen unterdrückte<br />
Frauenfigur zu begreifen. Diese Lesart entspricht William Edgar Yates’ Deutung des Dramas:<br />
Für ihn verkörpert Eleonore als einzige Figur des Textes das Zusammenspiel von Staatsräson<br />
und Menschlichkeit. Zwar fällt sie zunächst Rahels Todesurteil, bittet dann aber um Gnade <strong>für</strong><br />
die Mätresse ihres Gatten. Daher sei sie die einzige Figur des Stückes „[who] combines moral<br />
principle with humane feeling“. 207 Gänzlich anders wird die Figur der Königin von Politzer<br />
interpretiert, der ihr die „Kälte ihres Blutes“ ankreidet. 208 Freilich verbindet diese beiden gegensätzlichen<br />
Standpunkte eine Botschaft: In beiden Fällen ist das Verhalten der Königin eine<br />
Reaktion auf die mangelnde Wertschätzung von Weiblichkeit innerhalb der patriarchalen Gesellschaftsordnung.<br />
Dennoch lässt sich Eleonores Stellung nicht annähernd mit Rahels misslicher Lage<br />
vergleichen: Denn während Rahel völlig auf sich allein gestellt ist, kann sich die betrogene<br />
Ehefrau Eleonore stets auf den Rückhalt der königlichen Berater rund um den Grafen Manrike<br />
verlassen, der um die Bedeutung einer stabilen Beziehung des Herrscherpaares weiß. Als vordergründige<br />
Erklärung seiner ablehnenden Haltung gegenüber Rahel dient Manrike die Bedrohung<br />
des Königreiches durch die Mauren: „Doch rüstet sich der Maure an den Gränzen /<br />
Und droht mit Krieg dem schwerbedrängten Land / Da ist des Königs Recht zugleich und<br />
Pflicht […] / Entgegen sich zu stemmen der Gefahr“ (HKA, S. 528, V. 1171-1175). Doch in<br />
Wahrheit geht es um die Bewahrung der patriarchalen Ordnung, die durch Rahels bloße Anwesenheit<br />
in Gefahr geraten ist, wie Manrike selbst verrät:<br />
MANRIKE Es hat der König sich vom Hof entfernt<br />
Verlockt von eines Weibes üpp’gem Sinn,<br />
Was uns zu richten keineswegs geziemt […]<br />
207 Vgl. Yates, William Edgar: Die Jüdin von Toledo, S. 119.<br />
208 Vgl. Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 335.<br />
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