DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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GARCERAN<br />
Doch weiß ich auch, daß eines Winkes nur,<br />
Es eines Worts bedarf, um dieses Traumspiel<br />
Zu lösen in sein eigentliches Nichts<br />
Und also duld’ ich es, weil ich’s bedarf<br />
In diesen Wirren, die ich selbst verschuldet.<br />
Wie steht’s im Heer?<br />
Wie ihr seit länger wißt.<br />
Die Feinde rüsten sich. (HKA, S. 518, V. 902-909)<br />
Mit dem Hinweis, dass es „eines Winkes nur“ (V. 903) bedürfe, um die Affäre zu beenden,<br />
deutet der König seine unumschränkte Machtfülle an: „[…] Bei König Alfons verschmelzen<br />
staatliche Macht und Patriarchat ganz. Der moderne Führer […] geht hervor aus der Personalunion<br />
von Angst und Macht.“ 211 Auf die Sicherung seiner Macht ist der König auch innerhalb<br />
des Verhältnisses zu Rahel bedacht: Die Art und Weise, wie Alphons von seiner Beziehung<br />
spricht, verrät, dass es ihn weniger um eine wechselseitige Liebe zu Rahel als vielmehr um<br />
die egoistische Befriedigung seiner Bedürfnisse geht: Seine Formulierung, dass er die Verbindung<br />
lediglich „duld[e]“, weil er ihrer bedürfe (V. 906), erniedrigt Rahel auf die Stufe eines<br />
Gebrauchsgegenstandes, den man verwendet, solange man ihn benötigt. Von seinen Bemerkungen<br />
über die Beziehung zu Rahel, die er abfällig als „eigentliches Nichts“ (V. 905)<br />
bezeichnet, schwenkt Alphons sofort zum Krieg, dem Inbegriff männlicher Machtausübung.<br />
Diese verbale Parallelität der Liebesaffäre und der militärischen Überlegungen deutet auf das<br />
gewaltsame Ende Rahels voraus, die kurz vor Kriegsbeginn den patriarchalen Machtstrukturen<br />
zum Opfer fällt. 212<br />
Doch obwohl der König der höchste Repräsentant dieser männerdominierten Gesellschaftsordnung<br />
ist, zeichnet Grillparzer ihn nicht als entschlossenen Herrscher: „Weil sie<br />
nicht handelt, nicht in der je gegenwärtigen Situation sich zu Entscheiden vermag, wird die<br />
Gestalt des König Alfons problematisch.“ 213 Für William Edgar Yates liegt in dieser gespaltene<br />
Persönlichkeit des Königs der Anfang allen Übels: „The difficulties lie rather in the King,<br />
who starts with fine words but betrays his Queen, fails Rahel, and neglects his duties.“ 214 Tatsächlich<br />
gebärdet sich König Alphons als Wendehals, wenn er Rahel zunächst vollmundig<br />
Schutz verspricht, sie dann aber im Stich lässt. Noch im ersten und zweiten Akt bezeichnet er<br />
Rahel wiederholt als „mein[en] Schützling“ (HKA, S. 498, V. 379 und HKA, S. 500, V. 429)<br />
und verschafft Rahel und ihrer Familie – nicht uneigennützig – eine Unterkunft in seiner Nähe<br />
211 Scheit, Gerhard: Grillparzer und die deutschen Männer, S. 56.<br />
212 Vgl. Höller, Hans: Grillparzers Lebensdramen. Für Ute und Bogomil Karlavaris-Bremer. In: Mariborer Grillparzer-Symposion.<br />
Hg. v. Mirko Krizman. Maribor: Pedagoska fakulteta Univerza v Mariboru 1993, S. 130-146,<br />
S. 133-134.<br />
213 Ebd., S. 57<br />
214 Yates, William Edgar: Grillparzer, Die Jüdin von Toledo, S. 124.<br />
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