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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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sche Alte“ 176 sieht die bevorstehende Priesterweihe der Tochter ebenso als Mittel zur Hebung<br />

des familiären Ansehens wie sein „[…]Amt, mit dem seit manchem Jahr / Bekleidet das Vertraun<br />

mich unsrer Stadt“ (HKA, S. 18, V. 238-239). Grillparzer verwendet <strong>für</strong> diese Selbstbeschreibung<br />

des Vaters freilich eine besondere Wortfügung: Durch die Inversion in der zweiten<br />

Vershälfte („bekleidet das Vertraun mich unsrer Stadt“) kommt die Brüchigkeit dieser<br />

zwanghaft um äußere Wertschätzung bemühten Familienfassade zum Vorschein. Wie viel<br />

dieser Familie ihr Status bedeutet, macht der Vater deutlich, wenn er seinen Besuch auf der<br />

Insel Sestos vor Hero rechtfertigt: Er betont nicht, dass ihm am Wiedersehen mit der Tochter<br />

gelegen sei, sondern ihm geht es darum, „Zu schauen, wie du in der Ahnen Spur / Antrittst<br />

das Recht, um das sie uns beneiden, / Die Andern alle rings umher im Land […]“ (HKA, S.<br />

18-19, V. 235-237).<br />

In dieser Begründung des elterlichen Besuches wird es offensichtlich: In Heros hehrer<br />

Herkunftsfamilie herrschen Zank und Hader. Der Ursprung <strong>für</strong> diesen innerfamiliären Konflikt<br />

liegt nicht zuletzt in einer angespannten finanziellen Situation: Hero selbst ist es, die sich<br />

ihren früh erzwungenen Abschied aus dem Elternhaus damit erklärt, dass sie den Eltern „immer<br />

eine Last“ (HKA, S. 17, V. 200) gewesen sei. Folglich beschlossen Vater und Onkel, das<br />

Mädchen, die „Last“, auf die Insel Sestos zu schicken. 177 Auf die Zustimmung des Kindes<br />

wurde dabei freilich kein Wert gelegt: „Mein Vater […] drängte mich“ (HKA, S. 17, V. 202-<br />

203), sagt Hero selbst. Wenngleich die Option offen bleibt, dass der Vater seiner Tochter mit<br />

dieser Entscheidung eine abgesicherte Zukunft bieten wollte, behält seine Maßnahme einen<br />

bitteren Beigeschmack: Denn Heros Übersiedlung in die Obhut des Onkel sicherte die religiös<br />

begründete Vormachtstellung der Familie und entlastete zugleich das Budget des Elternhauses.<br />

Die Tatsache, dass sich die Mutter nicht gegen den Willen des Ehemannes auflehnte,<br />

sondern stumm „duldete und schwieg“ (HKA, S. 17, V. 204), offenbart deren Abhängigkeit<br />

von ihrem Gatten. Denn dass sie mit dem Auszug Heros nicht einverstanden war, gibt sie gegenüber<br />

ihrer Tochter offen zu verstehen: „O wehe, weh! / Sie haben mir mein frommes Kind<br />

entwendet, ihr Herz geraubt mit selbstisch eitlen Lehren […]“ (HKA, S. 22, V. 327-329) klagt<br />

die Mutter beim Wiedersehen. Beim Anblick der jungen Tauben, die aus dem Nest geholt<br />

werden, ruft sie aus: „[…] So reißen sie / Das Kind auch von der Mutter, Herz vom Herzen, /<br />

Und haben des ihr Spiel. O weh mir, weh!“ (HKA, S. 22, V. 339-341). Selbst nach mehreren<br />

176 Ebd., S. 214.<br />

177 Tatsächlich erinnert diese Maßnahme an eine vor allem in ländlichen Gegenden bis ins frühe 20. Jahrhundert<br />

übliche Tradition: Für kinderreiche Familien stellte der Priesterberuf eine kostengünstige Ausbildung und einen<br />

gesicherten Lebensunterhalt <strong>für</strong> einen der Söhne dar. Ebenso wurde <strong>für</strong> Töchter, denen sich keine Aussicht auf<br />

Heirat bot, ein Leben im Dienst eines geistlichen Ordens erwogen.<br />

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