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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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unabhängig von ihrem Vater, Esther als Produkt ihrer Abhängigkeit und bescheidenen<br />

Herkunft. 221<br />

Dass Rahels freigeistige Einstellung zu Habseligkeiten gewisse Parallelen zu ihrem offenen<br />

Umgang mit ihren Gefühlen aufweist, zeigt sich im ersten Akt, als sie den König um Gnade<br />

anfleht: „Sie wirft sich vor dem Könige nieder seinen rechten Fuß umklammernd, das Haupt<br />

zu Boden gesenkt“ (HKA, S. 494, Regieanweisung nach V. 312). Diese überschwängliche<br />

Geste verdeutlicht: So wie Rahel den König mit ihren Wertsachen überschüttet, ist sie auch<br />

bereit, sich Alphons als Person ganz hinzugeben:<br />

RAHEL emporgerichtet: Und alles, was ich habe,<br />

ihr Armband ablösend: diese Spangen,<br />

Dies Halsgeschmeid und dann dies teure Tuch,<br />

ein Tuch ablösend das sie, schalartig um den Hals geschlungen trägt.<br />

(HKA, S. 495, V. 315-316)<br />

Auffallend ist freilich, dass Rahel nach der gewährten Freilassung darauf besteht, dass ihr der<br />

Schmuck wieder angelegt wird, bevor sie den königlichen Garten verlässt:<br />

RAHEL die in der Mitte der Bühne mit gebrochnen Knien und<br />

gesenktem Haupte steht, den Ärmel aufstreifend:<br />

Leg mir das Armband an. – O weh, du drückst mich.<br />

Den Halsschmuck auch – Zwar der hängt ja noch hier.<br />

Das Tuch behalt, mir ist so schwer und schwül. (HKA, S. 497, V. 357-359)<br />

Grillparzer entblößt mit diesem Detail Rahels Stimmungsumschwünge, die auch ihre Wertschätzung<br />

<strong>für</strong> materielle Güter betreffen. Im ersten Moment scheint Rahel zunächst noch darauf<br />

erpicht zu sein, das Armband und den Halsschmuck zurückbekommen, obwohl sie viel<br />

eher möglichst rasch den verbotenen Ort verlassen sollte. Doch bereits im nächsten Augenblick<br />

ändert sie ihre Meinung und verzichtet auf das teure Tuch, von dem sie soeben noch den<br />

hohen Preis erwähnt hat (vgl. HKA, S. 495, V. 317), lediglich weil sie es schlichtweg gerade<br />

unerträglich findet, das Tuch zu tragen. In ähnlicher Deutlichkeit zeigt sich Rahels unkonventionelle<br />

Einstellung zu Besitz und Eigentum im zweiten Akt, als sie die Einrichtung des königlichen<br />

Gartenhauses neugierig durchstöbert:<br />

GARCERAN Was ist der Anlaß des Gelärms dort oben?<br />

ISAK […] Kaum wußte sie [Rahel, Anm.] vorüber die Gefahr<br />

Da kam zurück der alte Übermut.<br />

Sie lachte, tanzte, sang, halb toll von Neuem,<br />

Sie rückte das Gerät, das heilig ist […]<br />

Trägt sie am Gürtel nicht ein Schlüsselbund?<br />

Nun, das versucht sie, Herr, an allen Schränken<br />

Die längst den Wänden stehn und öffnet sie […] (HKA, S. 503, V. 528-535)<br />

221 Lorenz, Dagmar C. G.: Frau und Weiblichkeit bei Grillparzer, S. 209.<br />

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