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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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3.1 Mirza und Gülnare aus Der Traum ein Leben<br />

Die Figur der Mirza aus Der Traum ein Leben 107 ist nur gemeinsam mit der Betrachtung<br />

der Figur der Gülnare, ihrer Parallelfigur aus Rustans Traumabenteuer, umfassend zu<br />

durchleuchten. Die beiden nehmen in vielen Bereichen diametrale Positionen ein und verleihen<br />

so dem gespaltenen Frauenbild Rustans Ausdruck. Die folgende Analyse betrachtet die<br />

Figuren der Mirza und der Gülnare separat, wobei auf Parallelen beziehungsweise Kontroversen<br />

hingewiesen wird.<br />

3.1.1 Äußeres Erscheinungsbild, Charakter und Sprache<br />

a)Mirza<br />

Die Figur der Mirza ist der Inbegriff eines typisierten Biedermeierfräuleins. Obwohl<br />

der Text keinerlei Angaben über ihr Äußeres macht, liegt die Vermutung nahe, dass Mirza ein<br />

durchschnittliches, gewöhnliches junges Mädchen verkörpert. Heinz Politzer formuliert drastisch,<br />

aber treffend: „Die Gestalt Mirzas selbst ist von so penetranter Schlichtheit und blankgescheuerter<br />

Ländlichkeit, daß ihr Temperament auch eine ruhigere Natur als Rustan über alle<br />

turkestanischen Hügel gejagt hätte.“ 108 Die Cousine Rustans verfügt offenbar über einen recht<br />

einfältigen Charakter, da sie ihre Zeit damit verbringt, auf Rustan zu warten: „Doch wo bleibt<br />

er?“ 109 fragt sie sich.<br />

Mirza verkörpert das Bild einer passiven Frau, die sich das Bedürfnis nach Aktivität<br />

und eigenständiger Lebensgestaltung angesichts einer männerdominierten Gesellschaft abgewöhnt<br />

hat oder es scheinbar nie verspürte. Ihr Lebensinhalt ist – ganz dem Biedermeier-Ideal<br />

entsprechend – die Familie. Mangels weiterer Familienmitglieder konzentriert sich Mirzas<br />

Aufmerksamkeit auf zwei Männer: auf ihren Vater Massud und vor allem auf ihren geliebten<br />

Cousin Rustan:<br />

Das Stück entfaltet eine ländlich-idyllische Welt, die in biedermeierlich-bürgerlichen<br />

Sozialstrukturen geborgen ist. Die Männer, die hier vor allem Jäger sind, verrichten<br />

brav ihr Tagwerk, die Frauen erwarten sie zu Hause im Kreise ihrer Kinder […] Es ist<br />

107 Dieses „dramatische Märchen“, wie Grillparzer es nannte, beschäftigte ihn über Jahrzehnte. 1817 schrieb er<br />

den ersten Akt, überarbeitet und vollendet hat er es 1830. Die Uraufführung erfolgte 1834 am <strong>Wien</strong>er Burgtheater.<br />

108 Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier. <strong>Wien</strong>/München/Zürich: Fritz Molden<br />

Verlag 1972, S. 243.<br />

109 Grillparzer, Franz: Werke in sechs Bänden. Hg. v. Helmut Bachmaier. Bd. 3: Dramen 1828-1851. Frankfurt a.<br />

M.: Deutscher Klassiker Verlag 1987 (Bibliothek deutscher Klassiker 20), S. 97 (Vers 21). Wörtliche Zitate aus<br />

dieser Ausgabe werden im Folgenden im Fließtext so zitiert: (HKA, Seitenzahl, Versangabe), vergleichende<br />

Zitate folgendermaßen: (vgl. HKA, Seitenzahl, Versangabe). Die Bandangabe entfällt, da es sich immer um den<br />

dritten Band handelt.<br />

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