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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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Zusammenfassend lässt sich Heros Positionierung im patriarchalen Gesellschaftsgefüge<br />

als Wechselspiel von Abhängigkeiten beschreiben: Sie wird als Kind von Vater und Bruder<br />

unterdrückt, gegen ihren Willen von der Mutter getrennt und schließlich dem Onkel ausgeliefert.<br />

Die Insel Sestos ist das Symbol doppelter patriarchaler Machtausübung: Die Macht des<br />

Mannes potenziert sich hier mit den strengen Verhaltensregeln der Religion. Heros Versuch,<br />

sich dem männlichen Einfluss als Priesterin zu entziehen, scheitert an ihren Gefühlen <strong>für</strong> Leander<br />

ebenso wie an ihrer Unterlegenheit gegenüber dem berechnenden Priester-Onkel. Grillparzers<br />

Haltung gegenüber weiblichem Autonomieverlangen bleibt pessimistisch: Er lässt<br />

Hero angesichts der widrigen äußeren Umstände dem geliebten Leander in den Tod folgen.<br />

3.2.3 Strategien zur Unterdrückung<br />

In Heros Kindheit sind Unterdrückung und das Schüren von Angst die wesentlichen<br />

Instrumente patriarchaler Machtausübung. Der Bruder quält die jüngere Schwester weil sie<br />

„nur ein Weib“ (HKA, S. 17, V. 207), wie Hero selbst sagt. Die unantastbare Autorität des<br />

Vaters erklärt sich aus dessen absoluter familiärer Machtposition, der sich auch die Mutter<br />

angstvoll beugt. Sie wagt ohne das Einverständnis des Gatten nicht einmal zu sprechen (vgl.<br />

HKA, S. 19, V. 258-260). Heros frühere Furcht vor Vater und Bruder ist in den Jahren auf der<br />

Insel Sestos freilich verflogen. Jene Unterdrückungsmechanismen, die auf dem bloßen Vorrecht<br />

des Männlichen basieren und die das kleine Mädchen noch gefügig machten, greifen bei<br />

der mittlerweile zu einer jungen Frau herangewachsenen Hero nicht mehr: Für den Bruder<br />

empfindet sie nichts anderes als Hass und Verachtung: Als ihr die Mutter vom Verschwinden<br />

des Bruders berichtet, reagiert Hero kühl und abweisend (vgl. HKA, S. 17, V. 205-206 und S.<br />

21, V. 305-306). Den Vater straft Hero mit Ignoranz: Bei der ersten Begegnung mit den Eltern<br />

nach sieben Jahren entsteht der Eindruck, dass Hero ihren Vater bewusst übersieht:<br />

Heros Eltern kommen.<br />

VATER Mein Kind! Mein Kind!<br />

HERO auf ihre Mutter zueilend: O meine Mutter!<br />

VATER Sieh nur, wir kommen her den weiten Weg –<br />

Mein Atem wird schon kurz! – So fern vom Hause<br />

Als Zeugen deines götternahen Glücks. […]<br />

HERO Meine Mutter!<br />

VATER Sie auch! Auch sie! (HKA, S. 18-19, V. 231-243)<br />

An ihrem Vater bemerkt Hero zuerst sein stark gealtertes Aussehen: „Und ist der Mann so<br />

alt?“ (HKA, S. 18, V. 228) Politzer enttarnt diese Bemerkung als verdeckten Wunsch nach<br />

dem Tod des Vaters: „Außerdem tritt hier, in dieser blitzhellen ersten Beobachtung, Heros<br />

Aggression zutage; denn wenn uns an einem Menschen zunächst sein hohes Alter auffällt,<br />

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