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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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(HKA, S. 17, V. 201). Bereits seit Kindertagen war Hero dort offenkundig physischer und<br />

psychischer Gewalt in doppelter Form ausgesetzt: Nicht nur der Vater, sondern auch der ältere<br />

Bruder ließen ihre ungezügelten Gefühle an Hero aus:<br />

HERO […] Und fort und fort ging Sturm in ihrem Hause.<br />

Mein Vater wollte was kein Anders wollte,<br />

Und drängte mich und zürnte ohne Grund.<br />

Die Mutter duldete und schwieg.<br />

Mein Bruder – Von den Menschen all, die leben,<br />

Bin ich nur einem gram, es ist mein Bruder.<br />

Als Älterer, und weil ich nur ein Weib,<br />

Ersah er mich zum Spielwerk seiner Launen.<br />

Doch hielt ich gut, und grollte still und tief. (HKA, S. 17, V. 201-209)<br />

Heros Abneigung gegen den Vater und den Bruder mündete zunächst in Hass, indem das<br />

Kind „still und tief grollte“ (HKA, S. 17, V. 209), später in Verdrängung aus Selbstschutz:<br />

„Vergaß ich sie, / geschahs um sie zu lieben.“ (HKA, S. 17, V. 212). Von Geburt an war Hero<br />

das schwächste Glied innerhalb der familiären Hierarchie, da sie nicht nur die Jüngste in der<br />

Geschwisterreihe, sondern vor allem „nur ein Weib“ (HKA, S. 17, V .207) war. Bereits in<br />

frühester Kindheit stand Hero somit unter dem direkten Einfluss willkürlicher patriarchaler<br />

Machtausübung. Mit dieser konfliktträchtigen Familienkonstellation lässt Grillparzer hinter<br />

die Fassade einer typischen Biedermeierfamilie blicken:<br />

So ist – wie wir im Drama rückwirkend erfahren – die Familie Heros geradezu von<br />

beispielhafter bürgerlicher Verfassung. Da ist [sic!] der patriarchalische Vater und die<br />

schweigsame, gefühlsbetonte, ganz der Vorherrschaft des Mannes sich beugende Mutter.<br />

Und da ist ein launischer Bruder, der nun auf Abenteuer ausgezogen ist und der<br />

früher Hero tyrannisierte und schikanierte. 149<br />

Mit deutlichen Worten skizziert Grillparzer im ersten Akt seines Dramas „die Geschichte eines<br />

frühen Familienkonflikts“ 150 , wie Heinz Politzer formuliert. Er erklärt schlüssig, wie<br />

Grillparzer die Weichen <strong>für</strong> Heros späteres Unglück bereits in deren Kindheit stellt: „Macht<br />

und nicht Trieb herrscht in Heros Elternhaus. Macht wird auch ihr Leben bestimmen bis zu<br />

dem einen Augenblick, da der Trieb eintritt, Erfüllung findet und alles Standes- und Anstandsgefühl<br />

in den Wind schlägt.“ 151 Demnach ist der Großteil von Heros Leben das Resultat<br />

von kaltem Machtkalkül, das ihren Vater und ihren Onkel leitet.<br />

Die erste Erfahrung mit patriarchaler Machtausübung macht Hero im Kindesalter,<br />

wenn sie von der Mutter getrennt und in die Obhut des Onkels gegeben wird. Aus der<br />

Einflussspähre von Vater und älterem Bruder gelangt das Kind im Haus des Onkels in eine<br />

149 Geißler, Rolf: Ein Dichter der letzten Dinge. Grillparzer heute, S. 33.<br />

150 Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 213.<br />

151 Ebd.<br />

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