DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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Rahel sich ihm nähernd: Erlauchter Herr!<br />
KÖNIG Laß jetzt! Ich brauche Kraft und festen Willen<br />
Und möchte nicht im Abschied mich erweichen.<br />
Ihr hört von mir, wenn ich mein Amt geübt,<br />
In welcher Art und was die Zukunft bringt<br />
Hüllt Dunkel noch und Nacht […]. (HKA, S. 524, V. 1087-1092)<br />
Doch nicht nur auf sprachlicher, auch auf emotionaler Ebene wird Rahel bewusst missverstanden<br />
und ignoriert, um sie die Unzufriedenheit mit ihrem anarchischen Verhalten spüren zu<br />
lassen. Bezeichnenderweise wird diese Strategie von ihrem Vater und ihrer Schwester angewendet,<br />
die damit ihr Missfallen an Rahels Lebensweise zum Ausdruck bringen (vgl. HKA, S.<br />
488, V. 80-90 und HKA, S. 524, V. 1095-1098). Diese innerfamiliäre Missgunst äußert sich<br />
auch sprachlich, wenn Vater und Schwester Rahel wiederholt mit den Begriffen „töricht“ oder<br />
„Törin“ (HKA, S. 503, V. 543, S. 548, V. 1754, S. 503, V. 527 und V. 530 sowie S. 486, V.<br />
28) bezeichnen. Auch Isak und Esther verfügen somit über Strategien, um die unkonventionelle<br />
Schwester herabzuwürdigen.<br />
Wie sich zeigt, sind es grundverschiedene Rezepte, mit denen die Repräsentanten des<br />
männlichen Machtsystems versuchen, Rahels revolutionäres Potenzial unter Kontrolle zu halten.<br />
Dennoch gleichen sich all diese Strategien in einem Punkt – nämlich in ihrer Wirkungslosigkeit.<br />
Denn erst die äußerste Waffe patriarchaler Machtausübung, die völlige Ausschaltung<br />
der Frau durch ihren gewaltsam herbeigeführten Tod macht Rahel endgültig stumm. Doch<br />
selbst dieser Mord beendet Rahels Wirkung auf den König nicht endgültig, wie Alphons’ Gefühlsausbruch<br />
beim Anblick von Rahels Leiche zeigt:<br />
KÖNIG […] Als sie noch lebte wollt’ ich sie verlassen.<br />
Nun da sie tot, verläßt sie nimmer mich.<br />
Es gräbt sich ein und schlägt nach Innen [sic] Wurzel.<br />
[..] Kein Andrer durfte ihre Hand berühren<br />
Und Niemands Lippen nahen ihrem Mund,<br />
Kein frecher Arm – Sie war des Königs Eigen,<br />
Ob nie gesehn, gehörte sie doch mir,<br />
Der Reize Macht dem Mächt’gen auf dem Thron.<br />
(HKA, S. 545, V. 1661-1673)<br />
Selbst angesichts der Nachricht von Rahels Tod denkt Alphons sofort wieder an ihre körperlichen<br />
Vorzüge, er schwärmt von ihrer Hand und ihren Lippen (V. 1669-1670) und fasst ihre<br />
Erscheinung mit der Phrase „der Reize Macht“ (V. 1673) zusammen. Dass sich der König<br />
zugleich seiner absoluten Macht über dieses sinnliche Wesen versichern muss (vgl. V. 1671-<br />
1672), bestätigt seine Hilflosigkeit angesichts der Konfrontation mit authentischer Weiblichkeit.<br />
Rahels revolutionäre Kraft, die herrschende patriarchale Ordnung allein durch ihr bloßes<br />
Dasein zu gefährden, ist mit ihrem Tod zwar in die Schranken gewiesen, doch in der Erinne-<br />
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