DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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Eine weitere Erkenntnis dieser Arbeit liegt darin, dass Grillparzer seine aufbegehrenden Frauenfiguren<br />
stets außerhalb der breiten gesellschaftlichen Masse platziert: Gülnare als Königin,<br />
Hero als Priesterin, Rahel als Jüdin. Erst durch das Außenseiterinnendasein erwachsen in<br />
Grillparzers Frauenfiguren der Drang nach Veränderung und der Mut zur Umsetzung dieses<br />
Verlangens.<br />
In allen drei <strong>für</strong> diese Arbeit untersuchten Texten setzt sich Grillparzer eingehend mit<br />
dem Thema der Emanzipation der Frau auseinander und verankert diese Frage damit im öffentlichen<br />
Diskurs. Dabei war Grillparzer allerdings zu sehr Realist, um einer seiner aufbegehrenden<br />
Frauenfiguren ein versöhnliches Ende zu vergönnen. Hero und Rahel sterben, das<br />
Traumbild Gülnare löst sich mit Tagesanbruch in ein Nichts auf. Diese Dramenschlüsse können<br />
als pessimistische Bilanz weiblicher Emanzipationsbestrebungen gelesen werden: Selbst<br />
diese starken Frauenfiguren scheitern letztlich an den unüberwindbaren Strukturen des patriarchalen<br />
Systems. Denn dessen Machtmechanismen sind nach wie vor so stark, dass unangepasste<br />
Weiblichkeit zurückgedrängt und von den Vertretern der herrschenden Ordnung mit<br />
dem Tod geahndet wird.<br />
Freilich ergreift Grillparzer weder Partei noch fällt er ein endgültiges Urteil. In der zeitgenössisch<br />
hochbrisanten Frage nach politischer Partizipation und rechtlicher Absicherung<br />
der Frau bezieht Grillparzer mit den hier untersuchten Dramen weder eine eindeutige noch<br />
eine endgültige Position. Daher wäre es einerseits vermessen, ihn als emanzipatorischen Autor<br />
und Vorkämpfer <strong>für</strong> die Gleichberechtigung der Frau zu bezeichnen, andererseits wäre es<br />
ebenso unzutreffend, Grillparzer eine eindeutig affirmative Grundhaltung im Sinne der bestehenden<br />
Gesellschaftsordnung zuzuschreiben. Denn obwohl Grillparzers Frauenfiguren letztlich<br />
scheitern, lösen sie sich von tradierten Rollenbildern und Verhaltensmustern, indem sie<br />
alternative Lebensentwürfe zu verwirklichen suchen. Mit seinen Schilderungen scheiternder<br />
Frauenfiguren verweist Grillparzer deutlich auf die Brüchigkeit des patriarchalen Gesellschaftssystems,<br />
das sich durch emanzipatorisch bestrebte Weiblichkeit in seinen Grundfesten<br />
erschüttern lässt.<br />
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