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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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ökonomische Potenz der königlichen Familie offen zur Schau. Bezeichnenderweise ist es sowohl<br />

bei der ersten Begegnung mit dem König als auch bei jener mit Gülnare stets der Sklave<br />

Zanga, der Rustan auf den kostbaren Aufputz der beiden Königlichen hinweist. Beim Kampf<br />

mit der Schlange bemerkt Zanga den wertvollen Schmuck des Landesherren von Samarkand:<br />

ZANGA […] Herr, das ist ein reicher Mann!<br />

Wohl ein Fürst, vielleicht ein König! –<br />

Zieltet besser ihr ein wenig,<br />

Zahlten Ehren euch und Gold.<br />

RUSTAN Wirst du Glück mir nimmer hold?<br />

ZANGA Seht die Perlen, das Geschmeide! – […] (HKA, S. 123, V. 785-790)<br />

Gülnare selbst trägt ähnlich kostbare Schätze am Leib, als sie zum ersten Mal mit Rustan und<br />

Zanga zusammentrifft. Die Liste ihrer Schmuckstücke wird mit der Beschreibung von „Gold<br />

und Spangen, Perlen, Kleider[n]“ (HKA, S. 126, V. 867 ) noch genauer geschildert als die des<br />

Königs. Sofort werden die Zeichen des weiblichen Reichtums mit der sexuellen Ebene verbunden.<br />

Rustan ist von dem Anblick beeindruckt, als sich Gülnare eng an den Vater schmiegt.<br />

Diese Szene klingt in Rustans Wahrnehmung wie ein Liebesakt:<br />

RUSTAN Zanga, jene Lichtgestalt,<br />

Sich um seinen Nacken schmiegend,<br />

Weich in Vaterarmen liegend.<br />

Wie sie atmet, wie sie glüht,<br />

Jede Fiber wogt und blüht. (HKA, S. 126, V. 869-873)<br />

Gülnares offen sichtbare Erotik passt zu ihrem selbstbewusst zur Schau gestellten Reichtum.<br />

In der Tat zeigt sich im Verlauf des Stückes, dass Gülnare nicht das Bild einer naiven, püppchenhaft-keuschen<br />

Prinzessin erfüllt, die darauf wartet, zwecks wirtschaftlicher Absicherung<br />

von einem Prinzen geheiratet zu werden. 131 Gülnare geht als zukünftige Nachfolgerin des Königs<br />

auch mit den ihr zustehenden Ressourcen und Luxusgütern selbstbewusst um. Ihre ökonomische<br />

Vormachtstellung erklärt sich aus der Genealogie der Familie: Der alternde König<br />

von Samarkand hat in Gülnare sein „verwöhntes, einzges Kind“ (HKA, S. 121, V. 736). Dieser<br />

Status als Alleinerbin verleiht Gülnare eine Machtfülle, zu der ihre ökonomische Selbstbestimmtheit<br />

zählt. Damit durchbricht Grillparzer mit der Figur der Gülnare auf wirtschaftlicher<br />

Ebene die Normen der Biedermeierzeit, in der Frauen kaum Kontrolle über eigenes Vermögen<br />

zustand und sie in wirtschaftlicher Abhängigkeit lebten.<br />

131 Vielmehr ist es genau umgekehrt: Gülnares Weigerung, den „mächtigen Chan aus Tiflis“ zu heiraten, bringt<br />

das Königreich Samarkand in arge Bedrängnis durch den verschmähten Bräutigam.<br />

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