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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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en zeigt er die Abgründe auf, die ein gleichsam zölibatäres Priester(innen)leben mit sich<br />

bringen kann. Doch Grillparzer relativiert im Laufe des Dramas diese kritischen Anspielungen<br />

auf den Katholizismus, denn Heros Priesterschaft stellt letztlich keine wirkliche Bedrohung<br />

der bestehenden Ordnung dar. Der Oberpriester bleibt stets die übergeordnete Machtinstanz,<br />

die jederzeit beliebig in das Geschehen eingreifen kann.<br />

Heros Vorhaben, in einem Leben als Priesterin die weibliche Selbstbestimmtheit zu<br />

wahren, scheitert an ihrer Begegnung mit Leander. Dieses Treffen erweckt in ihr allerdings<br />

„kein[en] Trieb der Selbsterfüllung, sondern ihr elementares Empfinden <strong>für</strong> das Lebenswahre“.<br />

158 Bis zur Begegnung mit Leander hoffte Hero, durch das Priesterinnendasein einem Leben<br />

als unterdrückte Ehefrau zu entgehen und sich der patriarchalen Machtausübung so weit<br />

wie möglich entziehen zu können: „Nur als keusche, sich den männlichen Ansprüchen entziehende<br />

isolierte Frauen können sie [Grillparzers „starke Frauen“] ihre selbstgesetzte Mission<br />

[…] als Priesterin (Hero) realisieren, nur indem sie sich bewußt der Liebe enthalten, vermögen<br />

sie ihre Unabhängigkeit zu verwirklichen.“ 159 In einem Gespräch mit der Mutter offenbart<br />

Hero ihre Beweggründe und ihr Männerbild. Grillparzer legt seiner Hauptfigur dabei offene<br />

Worte in den Mund:<br />

MUTTER Dein Bruder, Kind, ist nicht mehr heim bei uns! […]<br />

HERO So ist er nicht mehr da? Nun doppelt gerne<br />

Kehrt’ ich mich dir nach Haus, seit kund mir solches.<br />

Doch ist nicht er, sind da noch Hundert andre,<br />

Von gleichem Sinn und störrisch wildem Wesen.<br />

Das ehrne Band der Roheit um die Stirn,<br />

Je minder denkend, um so heft’ger wollend.<br />

Gewohnt zu greifen mit der starren Hand<br />

Ins stille Reich geordneter Gedanken,<br />

Wo die Entschlüsse keimen, wachsen, reifen<br />

Am milden Strahl des gottentsprungnen Lichts.<br />

Hineinzugreifen da und zu zerstören,<br />

Hier zu entwurzeln, dort zu treiben, fördern<br />

Mit blindem Sinn und ungeschlachter Hand.<br />

Unter solchen wünschtest du dein Kind?<br />

Vielleicht wohl gar – ?<br />

MUTTER Was soll ich dirs verhehlen?<br />

Das Weib ist glücklich nur an Gattenhand.<br />

HERO Das darfst du sagen, ohne zu erröten?<br />

Wie? und mußt hüten jenes Mannes Blick,<br />

Des Herren, deines Gatten? Darfst nicht reden,<br />

Mußt schweigen, flüstern, ob du gleich im Recht,<br />

Ob du die Weisre gleich, stillwaltend Beßre?<br />

Und wagst zu sprechen mir ein solches Wort? (HKA, S. 21-22, V. 297-326)<br />

158 Ebd.<br />

159 Janke, Pia: Gescheiterte Authentizität, S. 63.<br />

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