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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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PRIESTER<br />

[…] Du weißt, es war seit undenkbaren Zeiten<br />

Begnadet von den Göttern unser Stamm<br />

Mit Priesterehren, Zeichen und Orakeln,<br />

Zu sprechen liebten sie durch unsern Mund:<br />

Lockts dich nun nicht zurück es zu gewinnen<br />

Das schöne Vorrecht, dir zum höchsten Ruhm<br />

Und allem Volk zu segensreichem Frommen? (HKA, S. 16, V. 174-179)<br />

Es ist bemerkenswert, wie der Priester in dieser Passage mit verbittertem Unterton feststellt,<br />

dass Hero die Gabe der Weissagung fehlt. Deshalb steht Hero als Götterdienerin nicht auf<br />

einer Stufe mit ihren Vorfahren. Somit ist ihr Status als Priesterin von Beginn an mit einem<br />

Makel behaftet. Doch Hero selbst geht mit dieser Tatsache angesichts der priesterlichen Verbissenheit<br />

auffallend freimütig um:<br />

HERO Verschiednes geben Götter an Verschiedne;<br />

Mich haben sie zur Seh’rin nicht bestimmt.<br />

Auch ist die Nacht, zu ruhn; der Tag, zu wirken,<br />

Ich kann mich freuen nur am Strahl des Lichts.<br />

PRIESTER Vor allem sollte heut –<br />

HERO Ich war ja dort,<br />

Noch eh die Sonne kam, in unserm Tempel<br />

Und setzte mich bei meiner Göttin Thron<br />

Und sann. Doch keine Stimme kam von oben.<br />

Da griff ich zu den Blumen, die du siehst,<br />

Und wand ihr Kränze meiner hohen Herrin,<br />

Erst ihr, dann jenen beiden Himmlischen,<br />

Und war vergnügt. (HKA, S. 17, V. 184-195)<br />

Noch genießt Hero offenbar unbeschwert die herausragende Stellung, die ihr als Abkömmling<br />

dieser Familie zusteht. Die Tragweite ihrer Aufgaben als Priesterin ist ihr nicht voll bewusst:<br />

„Aus Schmuck und Spiel scheint ihr der Dienst am Heiligen zu bestehen. […] Nicht trägt sie<br />

[…] die Schwere der Verpflichtung.“ 175 Ähnlich wie ihr Vater betrachtet auch Hero dieses<br />

ererbte familiäre Privileg als Selbstverständlichkeit, als der „Ahnen Recht“, das sie nur zu<br />

„ergreifen[…]“ (HKA, S. 11, V. 20) braucht:<br />

HERO Das schöne Vorrecht, Priesterin nun selbst,<br />

Und heute, heut; an diesem, diesem Tage.<br />

Auf jenen Stufen wird das Volk sie sehn<br />

Den Himmlischen der Opfer Gaben spendend. (HKA, S. 11-12, V. 17-26)<br />

Während Heros Freude Spuren von kindlichem Stolz trägt, entblößt Grillparzer in einem Nebensatz<br />

das geltungssüchtige Gesicht ihres Vaters. Scheinbar beiläufig gibt Grillparzer über<br />

die gesellschaftliche Stellung von Heros Vater Auskunft: Der „prahlerische und hypochondri-<br />

175 Politzer, Heinz: Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, S. 211.<br />

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