DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
wort Massuds bestätigt wird. Eine herausragende Rolle in dieser restaurativen Idylle nimmt<br />
der Derwisch ein. In der neueren Grillparzer-Forschung herrscht Konsens darüber, dass Grillparzer<br />
mit dieser Figur das Biedermeieridyll – und damit auch alle die Frauen betreffenden<br />
Konventionen dieser Zeit – problematisiert:<br />
Das Finale der patriarchalischen Idylle wird mithin zum Eingeständnis, daß Freiheit<br />
ihren Sinn verloren habe. Dieser Schluß bedeutet aber nicht das letzte Wort Grillparzers.<br />
Mit der Gestalt des Derwischs fügt er sein eigenes Bekenntnis ins Werk: eine autonome<br />
Kunst und eine unendliche Überwindung der bedrängenden Lebensbezüge<br />
proklamiert das Lied des Derwischs, dem sich der freie Zanga anschließt, als gültige<br />
Wahrheit. 126<br />
Freilich wird diese Botschaft nur subtil kommuniziert. Denn anstatt zu singen, rufen Zanga<br />
und der Derwisch diese Freiheitshymne mit der gleichen Musik wie am Ende des ersten Aktes<br />
nur durch instrumentale Töne in Erinnerung: „Zanga und der alte Derwisch gehen außen am<br />
Fenster vorüber. Der Alte spielt die Harfe, Zanga bläst auf der Flöte dazu. Es ist die am Ende<br />
des ersten Aufzugs gehörte Melodie.“ (HKA, S. 193, Regieanweisung vor V. 2710). Was<br />
bleibt, ist weniger die Erinnerung an die Verse des Derwisch-Liedes aus dem ersten Akt als<br />
der überwältigende Eindruck einer wiederhergestellten patriarchal geprägten Idylle.<br />
3.1.3 Strategien zur Unterdrückung<br />
a) Mirza<br />
Grillparzer räumt in seinem Stück expliziten Anspielungen auf Politik oder Jusitz keinen Platz<br />
ein – schon allein der strengen Zensurbestimmungen wegen. Der Druck der patriarchalen Gesellschaft,<br />
der auf Mirza lastet, wird dennoch spürbar. Mit ausufernder Selbstverständlichkeit<br />
schweben diese Verhaltensnormen über allen Beziehungen. Nicht einmal dem jungen Mann<br />
Rustan gelingt es, erfolgreich gegen die überkommenen patriarchalen Machtstrukturen aufzubegehren<br />
– sein Traum scheitert. Zwar bietet der Text keine einzige offene Demonstration der<br />
väterlichen Gewalt Massuds über seine Tochter Mirza, doch Grillparzer macht deutlich, dass<br />
ohne die Einwilligung des pater familias keine Entscheidung getroffen werden kann. Mirza<br />
weiß das. Im Gegensatz zu Rustan, der keinen verbalen Konflikt mit dem Onkel scheut, sucht<br />
Mirza das versöhnliche Gespräch mit dem Vater:<br />
MIRZA Und ihr zürnt ihm?<br />
MASSUD Sollt ich nicht?<br />
Siehst du mich schon flehend an?<br />
O ich weiß wohl, jedes Wort,<br />
Tadelnd, rauh zu ihm gesprochen,<br />
Wie ein Pfeil aus schwachen Händen,<br />
126 Bachmaier, Helmut: Kommentar zu Der Traum ein Leben. In: HKA., S. 662.<br />
- 37 -