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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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zum Thema ihrer Botschaften, wohingegen Mirza entweder an die Zukunft denkt: „Ei, er kann<br />

sich wieder ändern / Und er wirds, gewiß, er wirds“ (HKA, S. 100, V. 117-118), der Vergangenheit<br />

nachhängt: „O, ich weiß wohl eine Zeit, / Wo er sanft war, fromm und mild“ (HKA,<br />

S. 100, V. 108-109) oder andere um ihr Glück beneidet: „Ihr seid glücklich! – Ja, ihr seids!“<br />

(HKA, S. 99, V. 68). Gülnare dagegen spricht über sich selbst. 117 Sie berichtet über ihre eigenen<br />

Gefühle und versucht, aus ihren schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit Lehren zu<br />

ziehen:<br />

GÜLNARE Laß ihn Vater! Es erquickt mich,<br />

Einen Mann beschämt zu sehn!<br />

O, ich sah sie brüstend gehen,<br />

Mit gedunsnen Worten prahlend,<br />

Mit Versprechen Taten zahlend,<br />

Doch kam der Erfüllung Zeit,<br />

Wie war Held und Tat so weit! (HKA, S. 127-128, V. 917-923)<br />

Überdies verfügt Gülnare über politisches Verständnis, denn sie erkennt die Gefahren, die<br />

dem Königreich Samarkand von außen drohen. Anstelle ihres Vaters ist sie es, die versucht,<br />

mit Rustan eine neue Verteidigungsallianz zu schmieden. Dazu bedient sie sich listig den<br />

Waffen einer Frau: Gezielt inszeniert sie sich im Dialog als „Schwache“, die der schützenden<br />

Hand eines starken „Helden“ bedarf:<br />

GÜLNARE […]Nun zu dir, mein edler Retter,<br />

Der mit seines Armes Walten<br />

Alles, mir erhalten,<br />

Was der Schwachen übrig blieb.<br />

Rings von Feindesmacht umgeben,<br />

Von verschmähter Liebe Trutz,<br />

War mir dieses Greises Leben<br />

Einzge Stütze, all mein Schutz.<br />

Und der Drache bleckt die Zähne,<br />

Und es war um ihn geschehn;<br />

Da – o lohn es diese Träne! –<br />

Hebt sich eines Armes Sehne,<br />

Und das Untier muß vergehn.<br />

Vater, schau, so sehen Helden!<br />

Vater schau, so blickt ein Mann!<br />

Was uns alte Lieder melden,<br />

Schau es hier verwirklicht an! (HKA, S. 127, V. 895-911)<br />

Um ihrer Botschaft Nachdruck zu verleihen, übertreibt Gülnare, indem sie aus der Schlange<br />

kurzerhand einen „Drache[n]“ macht, der „die Zähne bleckt“ (HKA, S. 127, V. 903). Sie lässt<br />

sogar eine „Träne“ (HKA, S. 127, V. 905) – wohlgemerkt im Singular – fließen, um Rustans<br />

Mitgefühl zu erwecken. Gülnare präsentiert sich als gewiefte zukünftige Herrscherin, die ge-<br />

117 Vgl. Janke, Pia: Gescheiterte Authentizität, S. 61.<br />

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