25.12.2013 Aufrufe

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ung des Königs lebt ihr Bild weiter, wie er selbst sagt (vgl. HKA, S. 545, V. 1663). Damit<br />

wird deutlich, dass der von Rahel verkörperte Weiblichkeitsentwurf auf die Zukunft vorausweist.<br />

Die nachträglichen Beteuerungen von Rahels Hässlichkeit und ihrer dämonischen<br />

Kraft, die der König gegenüber Manrike und seiner Ehefrau ausspricht, wirken wenig glaubwürdig.<br />

Denn die patriarchale Gesellschaftsordnung ist brüchig, wie sich an ihrer Reaktion<br />

auf Rahel deutlich gezeigt hat. Die vielfältigen Strategien, die zur Kontrollierung ihrer autonomen<br />

Weiblichkeit dienen sollten, sind gescheitert. Die mühsam erzwungene Restauration<br />

des instabilen patriarchalen Machtsystems scheint daher nur von vorübergehender Dauer zu<br />

sein: Vermutlich wird auch jede weitere Konfrontation mit autonomer Weiblichkeit das patriarchale<br />

Herrschaftssystem wieder bis in seine Grundfesten erschüttern. Zurecht konstatiert<br />

William Edgar Yates daher <strong>für</strong> die Jüdin von Toledo „the ‚landmark‘ modernity of a work that<br />

anticipates themes characteristic of the Schnitzler and Wedekind period“. 218 Wenig zutreffend<br />

erscheint dagegen Karin Hagl-Catlings Schlussfolgerung, die zu folgendem Ergebnis kommt:<br />

„In der Geringschätzung der Frau als Geschlechtswesen und in der Betonung des bürgerlichen<br />

Ehrenkodex spiegelt sich Grillparzers Frauenbild wider.“ 219 Das Gegenteil dieser Behauptung<br />

lässt sich anhand des Textes nachweisen: Die unzähligen verzweifelten Versuche der Männerfiguren,<br />

Rahels autonomer Weiblichkeit Herr zu werden, deuten auf die Brüchigkeit des patriarchalen<br />

Herrschaftssystems und die Notwendigkeit eines neuen Frauenbildes voraus. Grillparzer<br />

liefert kein Patentrezept <strong>für</strong> eine neue Gesellschaftsordnung, doch er weist deutlich auf<br />

die Mängel dieses patriarchal dominierten Systems und dessen problematischen Umgang mit<br />

Frauen hin.<br />

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass Rahel einem Bündel männlicher<br />

Unterdrückungsstrategien ausgesetzt ist. Diese Mittel steigern sich von bewusstem Missverstehen<br />

und sprachlicher Herabwürdigung zu den durchgängig angewendeten Strategien der<br />

Infantilisierung und Dämonisierung. Doch sämtliche Versuche, Rahels Einfluss auf den König<br />

abzuschwächen, scheitern – sogar, wenn König Alphons selbst versucht, diese Unterdrückungsstrategien<br />

anzuwenden. So bleibt als letztes Mittel zur Wahrung der patriarchalen Ordnung<br />

nur der Mord. Doch selbst nach ihrem Tod verliert Rahel nicht ihre faszinierende Wirkung<br />

auf den König. Daher scheint die Schlussfolgerung plausibel, dass sich das zwar wiederhergestellte,<br />

doch brüchige patriarchale Herrschaftssystem auch weiterhin durch Konfrontationen<br />

mit autonomer Weiblichkeit erschüttern lassen wird.<br />

218 Yates, Willam Edgar: Grillparzer, Die Jüdin von Toledo, S. 125.<br />

219 Hagl-Catling, Karin: Für eine Imagologie der Geschlechter, S. 248.<br />

- 96 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!