Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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Wie bereits erwähnt, waren im l aufe der Evolution Arten<br />
durch naturbedingte Ursachen gefährdet. Pflanzen- und<br />
Tierarten kamen und gingen, andere blieben unverändert,<br />
wieder andere spalteten sich in Unterarten auf.<br />
Seitdem der Mensch in Natur und Landschaft eingegriffen<br />
hat, finden die Veränderungen in immer rasanterem Tempo<br />
statt, so daß heute ständig lokal, regional und global Arten<br />
ausgerottet werden.<br />
Zu Beginn der Menschheitsgeschichte war der Mensch als<br />
nomadisierender Jäger und Sammler noch · in Natur und<br />
Landschaft integriert. Als er seßhaft wurde, feste Häuser<br />
baute, Wälder rodete und Ackerbau betrieb, begann der<br />
Konflikt zwischen Mensch und Natur.<br />
Was daraus geworden ist, sehen wir heute. Aus der Naturlandschaft<br />
entstand zunächst die vielfältige, harmonische,<br />
artenreiche Kulturlandschaft, die aber seit der Mitte des 20.<br />
Jahrhunderts einer intensiv landwirtschaftlich und industriell<br />
genutzten Wirtschaftslandschaft weichen mußte. Die<br />
Entwicklung zur Wirtschaftslandschaft ist durch eine massive<br />
Artenverdrängung gekennzeichnet. Regional wurden<br />
Arten dezimiert oder völlig beseitigt. Die Aussterberate steigert<br />
sich ständig. Die Hauptursachen dieser Entwicklung<br />
sind die Beseitigung und Degradierung von naturnahen<br />
Biotopen. Weitere Eingriffe wie Zerschneidung, Zersplitterung,<br />
Verkleinerung und_ Isolierung naturnaher Biotope<br />
führten zur Unterschreitung des Minimalareals zahlreicher<br />
Arten, wobei die spezialisierten (stenöken) sowie seltenen<br />
und/oder anspruchsvollen Arten „auf der Strecke" bleiben.<br />
Die Wiederherstellung natürlicher Ausbreitungs- und Vermehrungsmöglichkeiten<br />
ist praktisch kaum noch möglich.<br />
Untypische Artenmischungen mit hohem Anteil an zivilisat<br />
ionsbegünstigten Arten („Allerweltsarten") sind die Folge.<br />
Die weitgehende Zerstörung naturnaher Strukturen der Kulturlandschaft<br />
(z. B. Kleingewässer, Raine, Hohlwege) sowie<br />
die Nivellierung kleinflächiger Standortunterschiede durch<br />
die Monotonisierung und „Ausräumung" der Kulturlandschaft<br />
verdrängt die an solche Bedingungen gebundenen<br />
Arten.<br />
Zahlreiche Biotoptypen haben durch Kulturmaßnahmen<br />
oder Verschmutzung ihre charakteristische Strukturvielfalt<br />
verloren. Beispielsweise besitzen die meisten Wirtschaftswälder<br />
nicht den Bestandsaufbau eines natürlichen Waldes<br />
oder in den Flüssen fehlen wegen Verschlammung Kiesgeröll<br />
und andere Kleinbiotope des Flußbettes.<br />
Der „Landschaftsverbrauch", d. h. Beeinträchtigung oder<br />
Zerstörung naturnaher Landschaft durch Flächenverlust der<br />
naturnahen Biotope und Denaturierung der Landschaft (Beeinträchtigung<br />
ökologischer Funktionen, Zerschneidung<br />
von Landschaftsräumen, Luft- und Gewässerverschmutzung,<br />
Verlärmung) greift überall flächendeckend und g leich·<br />
zeitig, häufig als totale Zerstörung schutzwürdiger Ökosysteme,<br />
ein.<br />
Wurden am Anfang der Gefährdung für Pflanzen und Tiere<br />
in der freien Natur ungünst ige Entwicklungen nur für einzelne<br />
Populationen ganz bestimmter Arten in wenigen Habitaten<br />
beobachtet, so werden in immer stärkerem Ausmaß von<br />
diesen Entwicklungen Lebensgemeinschaften, Ökosysteme<br />
sowie der gesamte Naturhaushalt nicht nur stückweise,<br />
sondern in seinen sämtlichen Strukturen, Kreisläufen, Prozessen<br />
und Funktionen erfaßt (Beispiel Siedlungsausdehnung,<br />
Straßenbau, Entwässerung). Die spezialisierten (stenöken)<br />
Arten, die bis zu 90 % des Arteninventars ausmachen<br />
können, werden vernichtet.<br />
Der Rückgang von Pflanzenarten hat bereits vor mehr als<br />
hundert Jahren begonnen, worauf in jüngster Zeit mehrfach<br />
hingewiesen worden ist.<br />
Ursachen waren die Veränderung der land- und forstwirtschaftlichen<br />
Nutzung, die sich durch die Umstellung von extensiver<br />
auf intensive Wirtschaft ergeben. Hierzu gehören<br />
das Beseitigen von Kleingewässern, das Aufforsten oder<br />
der Umbruch von Heiden und Feuchtwiesen sowie die Einführu<br />
ng von mineralischer Düngung, chemischem Pflanzenschutz<br />
und Saatgutreinigung.<br />
Eine regelrechte Industrialisierung erfaßte die Landwirtschaft<br />
und damit den größten Teil der Agrarfläche des Bundesgebietes<br />
etwa ab 1950. Seitdem sind Eutrophierung und<br />
Entwässerung - als Veränderung von Standortbedingungen<br />
- sowie die Beseitigung von Übergangsbereichen zwischen<br />
verschiedenen Pflanzenformationen (Saumbiotope)<br />
- als Veränderung der Flächennutzung - die wichtigsten<br />
Ursachen des Artenrückgangs (SUKOPP, TRAUTMANN,<br />
KORNECK 1978)3l. Die meisten gefährdeten Pflanzenarten<br />
in der Agrarlandschaft sind nur auf nährstoffarmen, lichten<br />
Standorten konkurrenzfähig. Pflanzenarten extrem nasser<br />
und trockener Standorte sind stärker gefährdet als solche<br />
mit mittleren Standortansprüchen.<br />
Erhöhter Stickstoffeintrag durch Düngung und industriebürtige<br />
Luftverunreinigung sind Schlüsselfaktoren für die Gefährd<br />
ung von Pflanzenarten nährstoffarmer Standorte.<br />
Die vom Menschen verursachte Eutrophierung ist zuerst bei<br />
stehenden Gewässern beobachtet worden; die langsamer<br />
reagierenden terrestrischen Ökosysteme zeigen jetzt vergleichbare<br />
Wirkungen: Verarmung der Flora, Massenentwicklung<br />
weniger euryöker Arten, Nivellierung der Vielfalt<br />
von Standorten und Vegetationstypen.<br />
Eine Übersicht über die wesentlichen Ursachen und Verursacher<br />
des Rückgangs von Farn- und Blütenpflanzen<br />
gibt die folgende Tabelle von SUKOPP, TRAUTMANN,<br />
KORN ECK (1978), die unverändert wiedergeben wird:<br />
Ursachen und Verursacher des Rückgangs von Farn· und<br />
Blütenpflanzen in der Bundesrepublik Deutschland wäh·<br />
rend der letzten Jahrzehnte:<br />
A. Ursachen/ Ökofaktoren<br />
/. Eingriffe in Populationen und Biozönosen<br />
1 Sammeln attraktiver Arten<br />
2 Bekämpfung durch Herbizide, Saatgutreinigung<br />
3 Mechanische Einwirkung auf Pflanzenbestände durch<br />
Tritt, Verbiß, Lagern, Befahren mit schweren Fahrzeu·<br />
gen, Wellenschlag durch Motorschiffe<br />
4 Eingriffe in Pflanzenbestände durch Kahlschlag mit Voll·<br />
umbruch, Brand, Entkrautung von Gewässern, Roden<br />
von Hecken und Feldgehölzen<br />
5 Umwandlung von Extensivgrünland in Äcker und in Forste<br />
(meist aus nicht bodenständigen Holzarten) sowie<br />
von Laubwäldern in Nadelholzforste<br />
6 Aufgabe der Nutzung von Extensivgrünland, Seggenrieden,<br />
Heiden und steinigen Äckern und Weinbergen (mit<br />
nachfolgender Verbuschung und natürlicher Wiederbewaldung)<br />
7 Einführung/Einschleppung konkurrenzfähiger Exoten<br />
(z. B. Robinie)<br />
8 Aufgabe des Anbaus bestimmter Feldfrüchte (z. B. Lein)<br />
3) SUKOPP, Herbert, TRAUTMANN, Werner, KORNECK,<br />
Dieter, 1978, Auswertung der Roten Liste gefährdeter<br />
Farn- und Blütenpflanzen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland für den Arten- und Biotopschutz, in: Schriftenreihe<br />
für Vegetationskunde der Bundesforschungsanstalt<br />
für Naturschutz und Landschaftsöko logie, Heft<br />
12.<br />
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