27.04.2014 Aufrufe

Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Luchs und Graugans, möglicherweise auch Wanderfalke<br />

und Sumpfschildkröte, könnten noch an weiteren<br />

Stellen des Bundesgebietes wiedereingebürgert werden.<br />

Nur selten ist es bisher dazu gekommen, daß ein lndividuenaustausch<br />

zwischen den einzelnen neugegründeten<br />

Lokalpopulationen erfolgte (genetische Vernetzung);<br />

gerade dies sollte durch Verdichtung der Aussetzungspunkte<br />

angestrebt werden.<br />

In den meisten Fällen laufen die Wiedereinbürgerungsprojekte<br />

genügend lang, um sagen zu können, daß die<br />

ausgesetzten Tiere durch Reproduktion eine lokale Population<br />

gebildet haben. Bei dem Luchs-Projekt handelt<br />

es sich um eine so kleine Population (5 - 10 Tiere), daß<br />

noch abgewartet werden muß, ob sie sich halten kann.<br />

Bei der Sumpfschildkröte sind sehr lange Fristen notwendig,<br />

um festzustellen, ob die Tiere sich auch vermehrt<br />

haben. Eine paradoxe Situation stellt das Uhu­<br />

Projekt dar: hier wäre es angebracht, nun einen Aussetzungsstop<br />

zu verhängen, um zu prüfen, ob die neugebildeten<br />

Lokalpopulationen auch ohne zusätzliche Aussetzungen<br />

sich langfristig im Gebiet halten können.<br />

- Die meisten durch Wiedereinbürgerung gebildeten Lokalpopulationen<br />

sind als völlig in die örtliche Biozönose<br />

integriert zu bezeichnen: (a) das natürliche Nahrungsangebot<br />

wird genutzt, (b) die Beziehung zu den Beutegreifern<br />

und Konkurrenten hat sich ohne Schaden für die Population<br />

eingependelt, (c) die Sterberate bei den Jungtieren<br />

entspricht in etwa der Norm, (d) das Verhalten der<br />

Tiere ist artgerecht. Ausnahmen bilden hier die Graugans<br />

(ein Teil der Vögel führt keine Wanderungen durch)<br />

und die Sumpfschildkröte (es ist ungewiß, ob eine Vermehrung<br />

stattfindet); beim Wanderfalken ist eine längere<br />

Frist zur Beurteilung des Integrationsgrades notwendig;<br />

beim Uhu müßten die weiteren Aussetzungen gestoppt<br />

werden (siehe oben), um die Stabilität der neugebildeten<br />

Populationen zu testen.<br />

- Entgegen vielen Voraussagen haben die Wiedereinbürgerungen<br />

nur wenige Proteste wegen wirtschaftlicher<br />

Schäden u.ä. hervorgerufen. Einige Klagen wegen Biberund<br />

Gänseschäden (Landwirtschaft) und Uhu (Jägerschaft)<br />

sind wirtschaftlich unbedeutend, vielleicht sogar<br />

unbegründet.<br />

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Auswahl<br />

der für Wiedereinbürgerungsprojekte verwendeten<br />

Arten häufig auf dem Zufallsprinzip beruht. Zumeist sind<br />

es öffentlichkeitsrelevante Arten (s. auch ELLENBERG &<br />

NOWAK 1981, BOHL 1981, KNEITZ 1981).<br />

Wiedereinbürgerung als Mittel zur Erhaltung (total) aussterbender<br />

Arten<br />

Nur wenige solcher Aktionen wurden durchgeführt (alle<br />

außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, einige jedoch<br />

mit deutscher Beteiligung). Sie belegen, daß in einigen Fällen<br />

die Erhaltung aussterbender Tierarten durch Zucht und<br />

fachmännische Aussetzung in artgerechten Biotopen möglich<br />

ist. Beispiele:<br />

Wisent (Bison bonasus). Nach langer Gefangenschaftszucht<br />

werden seit 1952 Wisente in Polen und in der UdSSR<br />

in die freie Wildbahn ausgesetzt. Der Bestand freilebender<br />

Tiere beläuft sich heute auf über 2 000, die in gut 20 Vorkommensgebieten<br />

leben (RACZYNSKI 1981).<br />

Steinbock (Capra ibex). Nachdem ursprünglich um die Jahrhundertwende<br />

nur ein kleines Restvorkommen in ltallen existierte<br />

(Gran Paradiso), wurden die Tiere seit 1906 auch in<br />

der Schweiz gezüchtet und seit 1911 ausgesetzt. Heute be-<br />

trägt der freilebende Bestand mehr als 10 000 Tiere, die in<br />

den schweizerischen, italienischen und deutschen Alpen leben<br />

(NIEVERGELT 1972).<br />

Zobel (Martes zibellina). Der sibirische Zobel, der nach der<br />

russischen Revolution fast ausgerottet worden war, konnte<br />

dank eines 1924 erlassenen Jagdverbots sowie späterer<br />

Aussetzungsaktionen vor dem Aussterben gerettet werden.<br />

Sein Bestand ist nach dem letzten Kriege so angestiegen,<br />

daß eine lizensierte Bejagung wieder möglich wurde (HEPT­<br />

NER & JURGENSEN 1974).<br />

Hawaiigans (Branta sandvicensis). Die auf Hawaii 1947 nur<br />

noch mit ca. 30 Individuen lebende Art wurde seit 1950 in<br />

Gefangenschaft vermehrt (u. a. in England) und seit dem<br />

Ende der 60er Jahre (als der „Gehegebestand" ca. 2 000 Vögel<br />

betrug) wieder auf Hawaii ausgesetzt (KEAR 1975).<br />

Rosataube (Nesoenas mayeri). Diese auf Mauritius früher<br />

weit verbreitete Taube lebte in den letzten 50 Jahren nur<br />

noch mit einem kleinen Restbestand, der durch die andauernde<br />

Einwirkung der reduzierenden Faktoren (eingeschleppte<br />

Hausratten und eingebürgerte Javaneraffen) vom<br />

endgültigen Aussterben bedroht war. Seit den 70er Jahren<br />

wird die Taube in Gefangenschaft gezüchtet. Im März 1984<br />

wurden die ersten Rosatauben auf Mauritius wiedereingebürgert<br />

(ICBP Newsletter, Vol. 6, Nr. 1, vom 1. 3. 1984).<br />

In allen diesen und einigen weiteren Fällen handelt es sich<br />

um Arten, bei denen es vor Aussterben der Populationen gelungen<br />

ist,<br />

einige der Restexemplare zu fangen,<br />

sie in Gefangenschaftszucht zu vermehren,<br />

die Ursachen des bedrohlichen Rückgangs zu erkennen<br />

und in den primären Vorkommensgebieten zu beseitigen,<br />

- die Tiere in entsprechender Zahl wiederauszusetzen und<br />

- den freilebenden Bestand zu kontrollieren und wirksam<br />

zu schützen.<br />

Einige weitere Aktionen, deren Erfolg zum Teil absehbar ist,<br />

befinden sich im Stadium der Durchführung: Weiße Oryx­<br />

Antilope in Oman, einige endemische Kranich-Arten (u. a.<br />

der Nonnenkranich), Schwarzschnabelstorch (Ciconia boyciana),<br />

einige Papagei-Arten (u. a. die Kaiser- und Königsamazone).<br />

Noch ungewiß ist der Ausgang der Bemühungen<br />

um den Waldrapp (Geronticus eremita) oder um die ostasiatische<br />

Schopfkasarka (Tadorna cristata). Das Problem der<br />

Erhaltung der Artendiversität sowie deren Umfeld (Ursachen<br />

des Aussterbens, Hilfsmaßnahmen) beschäftigen bereits<br />

viele Wissenschaftler (siehe u. a. CURRY-LINDAHL 1972,<br />

MORTON 1977, SEDLAG 1983, TERBORGH 1974, ZISWEl­<br />

LER 1965).<br />

Die Restareale von Tierarten, die weltweit vom Aussterben<br />

bedroht sind, liegen zumeist in Staaten, die keine materiellen<br />

und wissenschaftlichen Voraussetzungen zur Durchfüh·<br />

rung solcher Rettungsaktionen haben (siehe dazu u. a. den<br />

geographischen Index des Red Data Book von FISHER et al<br />

1970 und KING 1981 sowie von THORNBACK & JENKINS<br />

1982, GROOMBRIDGE 1982 und WELLS, ROBERT & Collins<br />

1983). So ist es nur verständlich, daß internationale Organisationen<br />

(WWF, IUCN u.a.m.) bzw. Wissenschaftler aus einigen<br />

entwickelten Ländern dabei sind, solche Projekte im<br />

Ausland durchzuführen.<br />

Uns sollte hier deshalb lediglich die Frage interessieren,<br />

was in diesem Bereich in der Bundesrepublik Deutschland<br />

getan wird bzw. getan werden sollte und wie diese Tätigkeit<br />

aus der Sicht des <strong>Artenschutz</strong>es einzuschätzen ist.<br />

Aus geschichtlicher Perspektive kann der deutsche Beitrag<br />

638

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!