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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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Landwirtschaft, Natur und Recht 1983, S. 53). Es ist nicht<br />

meine Absicht, diesen Streit um eine weitere Meinungsäußerung<br />

zu bereichern, zumal im Gegensatz zur wissenschaftlichen<br />

Heft igkeit die Klausel in der Praxis kaum Bedeutung<br />

erlangt. Da sich fachlich die Probleme im Zusammenhang<br />

mit solcher wirtschaftlich orientierten Nutzung<br />

aber dringend stellen, müssen andere Lösungswege gesucht<br />

werden, weil eine völlige Freistellung solcher Nutzungen<br />

aus Naturschutzgründen nicht vertreten und umgekehrt<br />

ein absoluter Vorrang des Naturschutzes nicht ve rlangt werden<br />

kann. Zu hart stoßen hier Interessengegensätze aufeinander,<br />

als daß vom Gesetzgeber eine beide Sei.ten zufriedenstellende<br />

Lösung erwartet werden kann. Die Uberlegungen<br />

sollten deshalb mehr in eine Richtung gehen, die sachgerechte<br />

Prioritätenlösungen ermöglicht. Konkret bemhal·<br />

tet dies die Forderung, daß - ohne die Grundforderung<br />

nach einer generell umweltverträglichen Landnutzung zu<br />

vernachlässigen - für den <strong>Artenschutz</strong> unverzichtbare Biotope<br />

unter Zurückdrängung anderweitiger Natzungsansprüche<br />

dauerhaft gesichert werden müssen, will man nicht einen<br />

ständig weiterschreitenden Artenverlust in Kauf nehmen.<br />

Die alarmierende Entwicklung des Artenrückgangs<br />

verlangt eine Vorwärtsstrategie, die letztlich zu einer Zunahme<br />

natürlicher bzw. naturnaher Flächen führen muß. Wir<br />

sind in der Entwicklung an einem Punkt angelangt, der uns<br />

hier nicht mehr viel Spielraum übrig läßt. Der rapide Verlust<br />

der ohnehin schon dezimierten Feuchtgebiete, sowie eine<br />

ober 50 % Beeinträchtigung der kartierten Biotope allein in<br />

Bayern spricht Bände. Die Konsequenz ist aber auch, daß<br />

selbst unter Berücksichtigung der besonderen Sozialbindung<br />

des Eigentums gerade bei Naturschutzbelangen solche<br />

Sicherungen vielfach den Betroffenen in seiner Nut·<br />

zung so einschränken, daß finanzielle Ausgleichsleistungen<br />

nicht zu umgehen sind. Der überall um sich greifende Artenund<br />

Lebensraumverlust sollte aber allen deutlich gemacht<br />

haben, daß es einen Naturschutz und speziell einen Art enund<br />

Biotopschutz nicht zum Nulltarif geben kann. Wi r müssen<br />

uns darüber klar werden, daß die Erhaltung der heiml·<br />

sehen Artenvielfalt den Einsatz von Mitteln in einem Umfang<br />

erfordert, der dem Stellenwert der Pflege unserer Naturgüter<br />

im Vergleich zur Pflege unserer Kulturgüter durch<br />

Museen, Bibliotheken, Theater, Einrichtungen der Denkmalpflege<br />

und der Bildung entspricht. Dieser A u fw~nd ist jedoch<br />

gerechtfertigt im Hinblick darauf, daß damit ein ganz<br />

wesentlicher Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen<br />

geleistet wird. Einige von mir bereits genannten Ansätze<br />

in dieser Richtung (Erschwernisausglelch, Wiesenbrüterprogramm,<br />

Landschaftspflege) lassen hoffen, daß auf diese<br />

Weise noch dazu in absehbarer Zeit mehr zur Flächensicheru<br />

ng wertvoller Biotope getan werden kann, als du rch hoheitliche<br />

Schutzgebietsausweisungen oder langwierige,<br />

mühevolle, von vorneherein mit Kompromissen behaftete<br />

Auseinandersetzungen im Einzelfall. Politische Ansätze in<br />

dieser Ri chtung reichen von einer Umstrukturierung der EG­<br />

Agrarpolitik bis hin zur kleinflächigen Sicherung von Randst<br />

reifen agrari sch genutzter Flächen.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Änderungsvorschläge bezieht<br />

sich auf eine stärkere Berücksichtigung des Arten· und Bio·<br />

topschutzes im Rahmen der Eingriffsregelung. Soweit erkennbar<br />

gehen die Überlegungen in drei Richtungen: Einmal<br />

soll der Schutz konkret genannter Biotope gesetzlich erwei·<br />

tert werden, zum anderen sollen Eingriffe unzulässig sein,<br />

wenn dadurch sog. Rote-Liste-Arten in ihrem Bestand be·<br />

droht werden, und schließlich soll die Ausgleichsregelung<br />

in Richtung Schaffung eines Biotops ausgedehnt werden.<br />

Zu allen drei Punkten sind Bemerkungen veranlaßt:<br />

Die aufgezeigten bereits bestehenden Biotopschutzregelun·<br />

gen etwa bezüglich der Feuchtgebiete sind sicherlich eine<br />

brauchbare Ausgangsbasis, um wertvolle Biotopflächen vor<br />

weiterer Vernichtung zu schützen. So gesehen erscheint es<br />

möglich, diesen Schutz auf weitere Biotopflächen auszu-<br />

dehnen, wie etwa auf gleichfalls gefährdete Mager- und<br />

Trockenstandorte.<br />

Die Schwierigkeiten ergeben sich jedoch im Vollzug. So ha·<br />

ben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, daß zum einen die<br />

wenigsten Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigten<br />

sich der Bedeutung dieser Flächen bewußt sind oder bewußt<br />

sein wollen. Zum anderen herrscht selbst unter Fachleuten<br />

oft Uneinigkeit im Detail, wenn es darum geht, gebietlich<br />

exakt konkrete Feuchtflächen (vgl. die Aufzählung<br />

in der Anlage zu Art. 6 d Bayerisches Naturschutzgesetz)<br />

festzulegen. Besonders nachteilig machen sich solche Unsicherheiten<br />

bei der Grenzziehung bemerkbar, wo oft nur<br />

schwer der genaue Umfang des geschützten Biotops vor al·<br />

lern in den Randbereichen festgelegt werden kann. Deshalb<br />

sollten zunächst die Erfahrungen mit den vorhandenen Ansätzen<br />

eines Biotopschutzes abgewartet werden, ehe die<br />

Liste dieser Bereiche erweitert wird, was freilich Einzelrege·<br />

lungen (s.o.) nicht ausschließt.<br />

Schwierig ist aber auch der vorgeschlagene Untersagungs·<br />

vorbehalt bei Rote-Listen-Arten. Abgesehen von den Fragen<br />

der politischen Durchsetzbarkeit, die bei der Untersagung<br />

eines Großprojekts im Falle des Verlusts z. B. einer einzigen<br />

Art doch sehr zweifelhaft ist, würde dies eine Durchbrechung<br />

der jetzt enthaltenen allgemeinen Abwägu~gsregelungen<br />

bedeuten. Hier stellt sich die Frage, ob nicht von<br />

fachl icher Seite mehr Material zur Abwägung beigetragen<br />

werden kann, wodurch fachlich die besondere Bedeutung<br />

des jeweiligen Artenbestandes im Zusammenhang des gesamten<br />

Naturhaushalts belegt wird, so daß von dem gesetzlich<br />

bereits vorgesehenen Vorrang der Naturschutzbelange<br />

stärker Gebrauch gemacht werden kann. Erfahrungsgemäß<br />

wächst das Vertrauen und die Einsicht in eine Ent scheidung,<br />

je stärker die Aussagen auch wissenschaftlich untermauert<br />

werden können. Wichtig ist auch die Frage, welche<br />

fach lichen Anforderungen an eventuelle Ausgleichsmaß·<br />

nahmen gerade aus der Sicht des Arten- und Biotopschut·<br />

zes gestellt werden können bzw. müssen. Auch hier sind wir<br />

noch am Sammeln von Erfahrungen beim Vollzug. Geht man<br />

von den Eckpunkten aus, so ist sicherlich die bloße räumliche<br />

Zurverfügungstellung des Ausgleichsgeländes zu we·<br />

ni g wie andererseits eine au f Dauer angelegte ständige Be·<br />

treuung und Pflege des Gebiets den zu lässigen Rahmen<br />

überschreiten dürfte. Da jedoch von einem Ausgleich nur<br />

die Rede sein kann, wenn keine nachhaltige Beeinträchti·<br />

gung des Naturhaushalts zurückbleibt, müßte es möglich<br />

sein, bei einer Neugestaltung auch die rechtzeitige Herstel·<br />

lung eines vergleichbaren Biotops zu verlangen, was u.U.<br />

noch Aufwendungen nach Abschluß des Eingriffs in zeitlich<br />

beschränktem Umfang rechtfertigt. Hierbei sollte auch das<br />

Problem einer dauerhaften Sicherung dieses Ersatzbiotops<br />

bedacht werden, weil dieser Schutz nach Durchführung der<br />

Ausgleichsmaßnahme nicht gegeben ist, wenn nicht gleich·<br />

zeitig eine privatrechtliche oder hoheitliche Absicherung er·<br />

folgt.<br />

Im Zusammenhang damit ist auch die Forderung nach Aufnahme<br />

eines sogenannten gesetzlichen Biotopsicherungs·<br />

gebotes zu sehen , wodurch die im Rahmen der Biotopkartierung<br />

als schützenswert erkannten Lebensräume kraft Gesetzes<br />

gesichert und vor nachteiligen Veränderungen ge·<br />

schützt sein sollten. So einfach und berechtigt diese Forderung<br />

aus fachlicher Sicht klingt, müssen Zulässigkeit und<br />

Erfolg juristisch in Frage gestellt werden. Erfahrungsgemäß<br />

beinhalten die kartierten Biotope keine exakte Gebietsabgrenzung,<br />

so daß ein solches Sicherungsgebot schon vom<br />

Umfang her unklar wäre. Zum anderen birgt das Absehen<br />

von einem Schutzverfahren die Gefahr in sich, daß der betroffene<br />

Eigent ümer dieses Biotops sich der Wertigkeit<br />

nicht bewußt ist, so daß bewußte oder unbewußte Verstöße<br />

rechtlich kaum geahndet werden können. Daraus erfolgt,<br />

daß ein solches Gebot nur sinnvoll wäre, wenn die Betroffe-<br />

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