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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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Hierher gehören der Mutualismus (gegenseitige Nützlichkeit<br />

verschiedener Tierarten ohne räumlichen Kontakt und<br />

nur mit fakultativer Bindung) und die zahlreichen Fälle von<br />

Phoresie (Benutzung einer anderen Tierart zum Ferntransport).<br />

Hierher gehören auch der Kommensalismus (geduldete<br />

Gesellschaft einer anderen Art, die sich auf das Mitgenießen<br />

von Nahrung beschränkt, ohne den Wirt zu schädigen)<br />

oder die Synökie (Aufenthalt einer Art im Nest oder im Bodenbereich<br />

einer anderen Art, ohne diese zu schädigen).<br />

Hierher gehört auch die Symphilie (als eine Form des Mutualismus<br />

in Gestalt eines Gastverhältnisses, bei dem ein<br />

Partner dem anderen Nahrung, Wohnung und Schutz bietet<br />

und von ihm dafür als positiv empfundene Drüsensekrete erhält;<br />

solche Arten kommen insbesondere bei Ameisen und<br />

Termiten vor; es profitieren von diesen Symphilie-Verhältnissen<br />

vor allen Dingen Kurzflügelkäfer (Staphylinidae),<br />

Keulenkäfer (Pselaphidae) und auch Raupen von Bläulingsfaltern<br />

(Lycaenidae). Daneben sind die Erscheinungen der<br />

Parökie zu nennen (hierbei handelt es sich um sog. geduldete<br />

Vergesellschaftungen einer Art mit einer anderen Art in<br />

Form von Nachbarschaftsverhältnissen, wie etwa das Brüten<br />

von Brandgänsen in Fuchsbauten oder das Mitbenutzen<br />

von Duftstraßen einer Ameisenart durch andere Ameisen<br />

oder das Auftreten von Vögeln in der Nähe von größeren<br />

Weidetieren, um aufgeschreckte Insekten als Nahrung aufzunehmen.<br />

In diesem Zusammenhang ist auch die Entökie zu sehen (es<br />

handelt sich dabei um eine nur temporär vor sich gehende<br />

„Einmietung" im Körper eines anderen Tieres aus Gründen<br />

der Schutzsuche). Beispielsweise legt das Weibchen des<br />

Bitterlingsfisches (Rhodeus amarus) seine Eier zwischen<br />

den Kiemen von Teichmuscheln (Anodonta) ab, ohne daß<br />

hier spezifische Nahrungsbeziehungen vorliegen. Auch die<br />

Epökie kann obligatorische Bindungen von einer Tierart zur<br />

anderen umfassen (es handelt sich hierbei um ein nichtparasitäres,<br />

ständiges Angesiedeltsein von einer Tierart auf<br />

einer anderen). Die sog. „ epöken" Tierarten werden gelegentlich<br />

auch Epizoen genannt.<br />

Alle Erscheinungen der Probiose (Kap. 2.4) können sowohl<br />

als gelegentliche (fakultative) als auch als grundsätzliche<br />

(obligatorische) Bindung zwischen Organismen-Arten bestehen.<br />

Dabei sind die Folgen des Ausfalls von obligatorischen<br />

Bindungen naturgemäß nachhaltiger als die in fakultativen<br />

Bindungen.<br />

3 Ökonomische Folgen des Aussterbens von Arten für den<br />

Menschen<br />

3.1 Die Herstellung pharmazeutischer Produkte wird behindert<br />

3.2 W,ildtiere fallen als Nahrung für den l\Aenschen aus<br />

3.2.1 Fischarten: Hier kann es zum Ausfall von tierischen<br />

Schlüsselarten in der Nahrung für Großfisch-Arten kommen;<br />

das wirkt sich auf die Populationsdichte von wirtschaftlich<br />

wichtigen Fischarten aus: Einschränkung des<br />

Fischfangs.<br />

3.2.2 Krabben- und Garnelenarten können als menschliche<br />

Nahrung ausfallen.<br />

3,2.3 Muschel-, Schnecken- und Tintenfisch-Arten (Cephalopoda)<br />

können als menschliche Nahrung ausfallen.<br />

3.2.4 Ausfall sonstiger Tierarten, z.B. von Seegurken (Holo·<br />

thuria) als menschliche Nahrung in überseeischen Regio·<br />

nen.<br />

3.3 Verringerung der Blütenbestäubung (infolge Ausfalls<br />

von Insekten-Arten) an Obstbäumen, Beerensträuchern,<br />

Raps, Rübsen, Erbsen und Bohnen sowie Klee (Leguminosen)<br />

und in der Samenzucht (z.B. Rüben, Klee, Gemüsearten<br />

- wie Kohl, Sellerie, Porree usw.).<br />

3.4 Verringerung der biologischen Regulation der Schädlinge<br />

in Forstökosystemen (infolge Ausfalls zoophager Organismen;<br />

davon kann eine Fläche von ca. 30% der Bundesrepublik<br />

Deutschland betroffen werden) und in Agrar-Ökosystemen<br />

(davon ist eine Fläche von ca. 54% der Bundesrepublik<br />

Deutschland betroffen).<br />

3.5 Verringerung der Chancen für die biologische Schädlingsbekämpfung<br />

(als gezielter Einsatz einzelner Tierarten<br />

gegen bestimmte Schädlinge) im zukünftigen Programm<br />

des „ Integrierten Pflanzenbaus", z.B. auch im Obstbau.<br />

3.6 Einschränkung der Weiterzüchtbarkeit von Haustieren<br />

(durch Einkreuzung von Wildtierarten) bei Fehlen entsprechender<br />

Wildtierrassen.<br />

3.7 Ausfall von Bioindikator-Arten als Anzeiger für Verände·<br />

rung bestimmter Umweltfaktoren (anstelle kostspieliger<br />

Langfrist-Messungen).<br />

3.8 Ausfall von Schlüsselarten für die biologische Grundlagenforschung:<br />

Viele Tierarten sind für Forschungsprojekte zur Lösung von<br />

Fragen bedeutsam, die mit unmittelbaren Auswirkungen<br />

auf den Menschen zu tun haben.<br />

3.9 Negative Beeinflussung von Stoffkreislauf-Prozessen in<br />

Ökosystemen<br />

3.9.1 Verringerung der Abbaufähigkeit von pflanzlichen und<br />

tierischen Abfallstoffen durch Detritus-Zersetzer-Arten, die<br />

in nahezu allen Ökosystemen im Bodenbereich für die Rückführung<br />

der Nährstoffe bedeutsam sind:<br />

- Wenigborster (Oligochaeta), (insbesondere Regenwür·<br />

mer (Lumbricidae), aber auch Enchytraeidae und in anderen<br />

Erdteilen auch Megascolecidae u.a.).<br />

Tausend!üBler (Diplopoda)<br />

Asseln (lsopoda)<br />

Borstenwürmer (Polychaeta) (im Meer)<br />

Springschwänze (Collembola)<br />

Milben (Acari), bestimmte Gruppen wie z.B. Hornmilben<br />

(Oribatei)<br />

- Fadenwürmer (Nematodes), vor allem die freilebenden<br />

Arten<br />

- Fliegen- und Mückenlarven (Diptera)-Arten zahlreicher<br />

Familien dieser Ordnung.<br />

Hier handelt es sich vielfach in einzelnen Ökosystemen um<br />

bestimmte Schlüsselarten, die jeweils die Mehrheit der organischen<br />

Abfallstoffe umsetzen und das für die Pflanzen<br />

notwendige Recycling der Nährstoffe zusammen mit Pilzen<br />

und Bakterien bewirken.<br />

3.9.2 Verringerung des Aufbaus von Humusvorstufen in<br />

fast allen terrestrischen Ökosystemen (im Rahmen der Umsetzungsprozesse<br />

von 3.9.1).<br />

3.9.3 Verringerung der biologischen Filterwirkung in Boden­<br />

Systemen:<br />

a) im Meeresboden<br />

b) in Binnenlandgewässern<br />

c) im Boden der terrestrischen Ökosysteme. Abbauprozesse<br />

im Bodenwasser werden z.B. durch folgende Tiergruppen<br />

(neben Bakterien und Pilzen) geleistet:<br />

- Tierische Einzeller (Protozoen), (vor allem Amöben<br />

(Amoebina), Geißeltierchen (Flagellata) und Wimpertierchen<br />

(Ciliata)<br />

Fadenwürmer (Nematodes)<br />

Rädertiere (Rotatoria)<br />

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