Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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tionen hatte eine größere Bedeutung für den <strong>Artenschutz</strong><br />
einheimischer Fische (SOHL 1981). Einige sinnvolle Aktio·<br />
nen befinden sich jedoch in der Planungsphase.<br />
Insekten:<br />
Seit den 30er Jahren werden in Deutschland einige immer<br />
seltener werdende Ameisen-Arten, insbesondere von Wald·<br />
Schutz-Fachleuten, in den Forsten ausgesetzt. Diese Aktionen<br />
sind auch aus der Sicht des <strong>Artenschutz</strong>es positiv zu<br />
werten (als Beispiel einer Zielgemeinschaft Forstschutz und<br />
Naturschutz). Es handelt sich hierbei zumeist um die<br />
- Kleine Waldameise (Formica polyctena) und<br />
- Rote Waldameise (Formica rufa),<br />
die als „gefährdet" in der Roten Liste geführt werden.<br />
Lokal wurde mit etwa zehn weiteren Insektenarten experi·<br />
mentiert (z. B. Apollofalter, Schwalbenschwanz, diverse an·<br />
dere Schmetterlingsarten, Maikäfer); über diese Maßnah·<br />
men existieren jedoch kaum Veröffentlichungen, da sie ungenügend<br />
kontrolliert wurden. Sie haben für die Effektivität<br />
unseres <strong>Artenschutz</strong>es keine Bedeutung (s. auch KNEITZ<br />
1981).<br />
Andere Wirbellose:<br />
Immer wieder werden Projekte mit Edelkrebsen (Astacus<br />
astacus) vorgenommen; es gibt aber bisher keine Anhalts·<br />
punkte dafür, daß sie eine größere Bedeutung für die Förderung<br />
des Bestandes dieser gefährdeten Tierart hierzulande<br />
haben. Experimente mit etwa zehn weiteren Arten sind nicht<br />
unter wissenschaftlicher Kontrolle erfolgt, so daß deren Er·<br />
folg nicht bekannt ist; für den Schutz einheimischer Bestän·<br />
de der wirbellosen Tiere haben sie jedoch keine Bedeutung.<br />
Aufgrund dieser allgemeinen Übersicht kann folgendes ge·<br />
sagt werden:<br />
- Bei etwa 55 Arten der Wirbeltiere (d. h. 12 % der auf dem<br />
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nachgewiese·<br />
nen, hier auch zur Reproduktion schreitenden ca. 450<br />
Spezies) sind Aussetzungen durchgeführt worden. Davon<br />
sind 11 Projekte als artenschutzrelevant anzusehen.<br />
- Mit ca. 20 Arten der wirbellosen Tiere wurde experimen·<br />
tiert (etwa 40 000 Arten kommen in der Bundesrepublik<br />
vor); zwei dieser Aktionen sind als artenschutzrelevant<br />
zu bezeichnen.<br />
Die 13 für den einheimischen <strong>Artenschutz</strong> relevanten Pro·<br />
jekte sollen aufgrund von Daten, die in der beigefügten Tabelle<br />
zusammengetragen wurden, etwas genauer analysiert<br />
werden.<br />
- Im Prinzip wurden alle Aussetzungsaktionen innerhalb<br />
bzw. am Rande des historischen Areals der betreffenden<br />
Arten durchgeführt und können somit als echte Wiedereinbürgerungen<br />
bezeichnet werden. Die Frage, ob Alpensteinbock<br />
und Äskulapnatter (vielleicht auch Alpenmurmeltier<br />
und Graugans) außerhalb der historisch belegbaren<br />
Arealgrenzen ausgesetzt wurden, ist unbedeutsam,<br />
da (a) diese Vorkommen in geographischer Nähe der dokumentierten<br />
Arealgrenze liegen, und (b) aus ökologischer<br />
Sicht als standortgerecht zu bezeichnen sind.<br />
Auch die Wahl der Aussetzungsbiotope ist in den<br />
meisten Fällen als zutreffend zu bezeichnen. Einige<br />
Mängel sind auf zwei Ursachen zurückzuführen: (a) es<br />
gibt keine optimalen Biotope für einige der wiederelngebürgerten<br />
Arten mehr, bzw. die Aussetzung war aus formalen<br />
Gründen nicht in optimalen Biotopen möglich (Eigentumsverhältnisse,<br />
anderweitige Nutzung u.a.m.), und<br />
(b) die Habitatansprüche waren zum Aussetzungszeitpunkt<br />
zu wenig bekannt (die in Bayern ausgesetzten Biber<br />
haben durch eine Wanderung bessere Habitate gefunden).<br />
Die Beseitigung von Gefährdungsursachen im<br />
Aussetzungsgebiet ist zwar eine sehr schwierige Aufgabe,<br />
nichtsdestoweniger hat man hier in manchen Fällen<br />
zu wenig getan (Abschirmung des Tourismus, Aufkläru<br />
ng bzw. Gewinnung der Jäger und Landwirte für das<br />
Vorhaben, entsprechende Absicherung an den Strom<br />
Überlandleitungen u.a.m.). Vor allem aber ist zu bemängeln,<br />
daß vor der Aussetzung zu wenig gezielte Biotop<br />
Gestaltungsmaßnahmen durchgeführt wurden (z. B. Vernässen<br />
des Bodens, Anpflanzen von Sträuchern und<br />
Bäumen, Verbesserung des Nahrungsangebotes).<br />
Anläßlich der Luchs-Aussetzung (aber auch der Wildkatze)<br />
gab es sehr kritische Stimmen, daß hier Naturschützer<br />
gegen Gesetze verstoßen haben (man hatte ohne die<br />
obligatorische Genehmigung ausgesetzt). Noch kriti·<br />
scher jedoch muß die Tatsache angesehen werden, daß<br />
bei der Aussetzung von Birkhuhn und Auerhuhn seit vielen<br />
Jahren eine massive Reduktion einiger Greifvogelar·<br />
ten (Habicht, Mäusebussard) durchgeführt wird, obwohl<br />
die Aktionen aus anderen Gründen kaum Aussicht auf<br />
Erfolg haben. Ein ähnliches Konkurrenzverhältnis zwischen<br />
Uhu und Wanderfalke wurde so gelöst, daß keine<br />
Uhus dort ausgesetzt werden, wo Wanderfalken leben.<br />
Nach wie vor gibt es kaum wissenschaftliche Grundlagen,<br />
um die Minimal- bzw. Optimalzahl von Tieren festzulegen,<br />
die zur erfolgversprechenden Gründung einer<br />
neuen Lokalpopulation ausgesetzt werden müssen (die<br />
Wiedereinbürgerungspraxis bietet jedoch ein wichtiges<br />
Material zu diesem Thema). Bisher galt nur, daß „möglichst<br />
viele" Individuen ausgesetzt werden sollen. Lediglich<br />
bei Aussetzungsaktionen mit Graugans, Uhu und<br />
den beiden Ameisenarten kann gesagt werden, daß eine<br />
genügend große Anzahl von Individuen verwendet wurde.<br />
Die deutschen Steinbock-Kolonien haben zum Teil<br />
Kontakt mit Tieren aus Österreich, wodurch die ausgesetzte<br />
(kleine) Pionierpopulation durch Zuwanderer verstärkt<br />
wird. Bei einigen Biberansiedlungen sowie der Ansiedlung<br />
von Luchs und Äskulapnatter handelte es sich<br />
aber um eine kleine Anzahl von ausgesetzten Tieren;<br />
trotzdem ist es zur Reproduktion der „lnitialpopulationen"<br />
gekommen, sie halten sich auch seit Jahren im Gebiet<br />
(gute Materialauswahl, Betreuung). Bemerkenswert<br />
ist die verhältnismäßig hohe Zahl von jungen Wanderfalken<br />
(50 und mehr pro Jahr), die neuerdings für Aussetzungszwecke<br />
gezüchtet werden.<br />
Die geographische Herkunft der für die Aussetzungen<br />
verwendeten Tiere war in einigen Fällen unbefriedigend:<br />
die in Deutschland ausgesetzten Biber stammen aus<br />
Schweden, Finnland, Rußland, Polen und Frankreich<br />
(mitteleuropäisches Material sollte verwendet werpen).<br />
Die Herkunft (im genetischen Sinn) der ausgesetzten<br />
Uhus und Seeadler ist nicht bekannt, da sie aus zoologi·<br />
sehen Gärten stammen. Europäische Sumpfschildkrö·<br />
ten stammen aus dem Mittelmeerraum und sind vermutlich<br />
kaum in der Lage, sich in unserem Klima erfolgreich<br />
zu vermehren. Einige der angesiedelten Graugänse führen<br />
keine Wanderungen durch, was vermutlich auf eine<br />
zu lange Gefangenschaft eines Teiles der ausgesetzten<br />
Tiere zurückzuführen ist (Domestikationserscheinungen).<br />
Bei Uhu und Waldameisen (die in großen Teilen der Bundesrepublik<br />
ausgesetzt werden) sowie bei vier weiteren<br />
Arten, die in der Bundesrepublik Deutschland nur am<br />
Rande ihrer natürlichen Areale leben (Alpensteinbock,<br />
Alpenmurmeltier, Sperlingskauz, Seeadler) kann der<br />
geographische Umfang der Wiedereinbürgerungsaktionen<br />
als zufriedenstellend bezeichnet werden . Biber,<br />
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