Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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liegen bereits vielversprechende Konzeptionen vor (vgl.<br />
HEYDEMANN 1983, SCHMIDT 1984, BAUER und SCHULTE<br />
mdl. Mitt.). Grundsätzliche, bisher nicht gelöste Probleme<br />
ergeben sich hinsichtlich einer nachhaltigen Sicherung des<br />
überwiegenden Teiles der sog. Großflächenbiotope nach<br />
HEYDEMANN (1983).<br />
Eine Reihe von Tierarten mit hohem Flächenanspruch ist<br />
nicht auf eine spezifische Landnutzung ihrer Lebensräume<br />
durch den Menschen angewiesen. Hierzu zählen u.a. die un·<br />
ter dem Begriff „ Kulturflüchter" zusammengefaßten Arten.<br />
Eine Sicherung ihrer Lebensräume ist grundsätzlich durch<br />
Ausweisung von großen Schutzgebieten im herkömmlichen<br />
Sinn möglich, die der natürlichen Entwicklung zu überlas·<br />
sen wären. Allerdings ist eine regelmäßige Nutzung solcher<br />
Gebiete (einschl. Erholungsnutzung) mit dem Schutzzweck<br />
i.d.R. nicht vereinbar, da bereits relativ geringe Eingriffe den<br />
vielschichtigen Ablauf der natürlichen Entwicklung von Vegetation<br />
und Fauna nachhaltig stören bzw. in eine andere,<br />
nicht gewünschte Richtung lenken können. Da große, unge·<br />
nutzte Gebiete selbst im Alpen· und Küstenbereich Mitteleuropas<br />
kaum mehr existieren, wird eine Nutzungsextensivierung<br />
bzw. -auflassung zumindest in einigen Landschafts·<br />
ausschnitten zur Verwirklichung dieses Schutzkonzeptes<br />
unerläßlich sein.<br />
Wie oben gezeigt wurde, ist eine weitere, beträchtliche<br />
Gruppe bedrohter Tierarten mit hohem Raumanspruch in<br />
der mitteleuropäischen Kulturlandschaft an bestimmte<br />
Landnutzungsformen ihrer Lebensräume bzw. an anthropogene<br />
Strukturen gebunden. Eine Ausweisung von Schutzgebieten<br />
im herkömmlichen, vorwiegend konservierenden<br />
Sinn scheidet hier aus. Eine entscheidende Verbesserung<br />
der Bestandssituation für diese Arten ist erst dann zu erwar·<br />
ten, wenn es gelingt (neben den bereits genannten Maßnah·<br />
men), auf großen, zusammenhängenden Flächen bestimmte<br />
extensive Landnutzungsformen festzuschreiben. Die Nut·<br />
zungslntensität auf diesen Flächen muß i.d.R. deutlich un·<br />
ter dem derzeitigen Durchschnittswert für Mitteleuropa liegen,<br />
da dieser für sehr viele Tierarten bereits keine aus·<br />
reichenden Lebensbedingungen mehr bietet, wie der Um·<br />
fang der Roten Liste gefährdeter Tierarten in der Bundesre·<br />
publik Deutschland deutlich macht. Eine Festschreibung<br />
der bestehenden Nutzungssituation ist deshalb zwar in be·<br />
stimmten Gebieten anzustreben, reicht aber alleine für die<br />
Verwirklichung der Ziele des Tierartenschutzes (vgl. § 1<br />
BNatSchG) langfristig sicher nicht aus. Nötig wäre darüber<br />
hinaus vielmehr eine möglichst großflächige Nutzungsextensivierung<br />
bestimmter Lebensraumtypen bzw. Landschaftsausschnitte.<br />
Welche der drei oben genannten Sicherungs- bzw. Entwick·<br />
lungsstrategien im konkreten Einzelfall Anwendung finden<br />
kann, hängt in starkem Maß von der örtlichen Situation ab.<br />
Es kann aber eine Reihe von Lebensraumtypen benannt<br />
werden, die für jeweils eine der Sicherungsstrategien besonders<br />
geeignet erscheinen:<br />
- Sicherung durch überwiegend konservierenden Flächenschutz:<br />
z.B. Moore, Verlandungszonen von größeren Stillgewäs·<br />
sern, naturnahe Mittelgebirgs- und Bergwälder in für<br />
eine Bewirtschaftung ungünstigen Lagen , Fließgewäs·<br />
ser, Auwälder, alpine und litorale Großlebensräume.<br />
- Vernetzende Strukturen in der Kulturlandschaft:<br />
z.B. Hecken, Feldraine, gewässerbegleitende Brach·<br />
streifen, Grabensysteme, Waldsäume, wegbegleitende<br />
Säume, Straßen· und Bahnböschungen, extensivierte<br />
Randstreifen von Feldern, unverfugte Mauern. Neben<br />
diesen überwiegend linearen Biotop· bzw. Strukturtypen<br />
können auch die folgenden, meist mehr flächig ausgeprägten<br />
Kleinbiotope in mosaikartiger Verteilung wesentlich<br />
zu einer Vernetzung größerer Lebensräume bei·<br />
tragen: Tümpel, Brachflächen, Feldgehölze, Obstbaumgruppen,<br />
kleine Aufschlüsse (z.B. an Straßen, Wegen)<br />
(PLACHTER 1983b) und Einzelstrukturen wie Lesestein·<br />
hauten und alte Einzelbäume (PLACHTER 1985).<br />
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist davon auszugehen,<br />
daß derartige Klein- bzw. Saumbiotope als „Tritt·<br />
steine" oft einen wesentlichen Beitrag zur örtlichen tier·<br />
ökologischen Situation leisten können. inwieweit sie<br />
aber auch Lebensräume für dauerhafte Populationen be·<br />
drohter Tierarten darstellen können, ist häufig noch<br />
nicht endgültig quantifizierbar. Auch ist zu bemängeln,<br />
daß sich die Neuschaffung, z.B. im Rahmen der Ausgleichsplanung<br />
derzeit nur auf wenige Typen wie Hekken<br />
und Tümpel konzentriert. Ferner darf nicht übersehen<br />
werden, daß viele der genannten Strukturen und<br />
Kleinlebensräume nur Ober wenige Jahre oder höch·<br />
stens Jahrzehnte einen optimalen Zustand beibehalten<br />
(meist keine „ Klimaxstadien" ). Auch für diese sind somit<br />
vermehrt Pflegekonzepte zu entwickeln.<br />
- Lebensraumtypen mit festzuschreibender (naturschutzkonformer)<br />
Landnutzung:<br />
z.B. Feuchtwiesenbereiche; oligo- bis mesotrophe Trokken-<br />
und Halbtrockenrasen; Fischteiche, insbesondere<br />
in größeren Teichgebieten; Stau- und Speicherseen;<br />
Streuobstgebiete; bestimmte Typen des Wirtschaftswaldes.<br />
Eine Sicherung bzw. Entwicklung solcher Bereiche ist<br />
nicht nur über die Instrumente des Naturschutzes im engeren<br />
Sinn möglich. Neben dementsprechenden Programmen<br />
der betroffenen Landnutzungsdisziplinen<br />
kommt hier der Raum- bzw. Landesplanung zentrale Bedeutung<br />
zu. Dies kann am Beispiel der Tal räume großer<br />
Fließgewässer gezeigt werden. In ihnen finden sich auch<br />
heute noch die Verbreitungsschwerpunkte einer großen<br />
Anzahl stark gefährdeter Tierarten (PLACHTER 1984),<br />
sie sind aber häufig gleichzeitig Zentren der Siedlungsentwicklung<br />
und Verkehrsachsen. Die unterschiedlichen<br />
Raumansprüche können wahrscheinlich nur über landesplanerische<br />
Ansätze abgeglichen werden.<br />
Zur Realisierung der o.g. Konzeption ist in einem ersten<br />
Schritt eine zielorientierte Konkretisierung der naturschutzfachlichen<br />
Vorstellungen unerläßlich. BLAB (1984) zeigt<br />
hierzu einen möglichen Weg auf, indem er Gefährdungsfaktoren,<br />
Entwicklungsziele und detaillierte Handlungsanwei·<br />
sungen für ein breites Spektrum von Lebensraumtypen darstellt.<br />
Daneben ist aber auch eine Konkretisierung des Flächenanspruches,<br />
u.a. auf der Basis von Biotop- und Artenkartierungen,<br />
notwendig. Das vom Bundesland Nordrhein<br />
Westfalen geplante „ Biotopschutzprogramm" (SCHMIDT<br />
1984) ist als Schritt in diese Richtung zu werten.<br />
Die Sicherung bzw. Entwicklung der erforderlichen Großflächenbiotope<br />
könnte in diesem Rahmen grundsätzlich auf 2<br />
Wegen erfolgen: entweder durch Unterschutzstellung und<br />
anschließende Pflege durch Naturschutzorgane (evtl. in Verbindung<br />
mit Ankauf) oder durch naturschutzgerechte Weiternutzung<br />
in Eigenverantwortlichkeit der bisherigen Grundstückseigentümer<br />
selbst. Eine Reihe von Gründen spricht<br />
für den zweiten Weg. Eine flankierende Sicherung dieser<br />
Gebiete als Landschaftsschutzgebiete, allerdings unter voller<br />
Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens, erscheint möglich<br />
und sinnvoll.<br />
Der hohe Flächenbedarf und die Spezifität der anzustrebenden<br />
Weiternutzung schließt Lösungswege, die den ökonomischen<br />
Interessen der derzeitigen Landnutzer grundsätzlich<br />
zuwiderlaufen, wohl von vorneherein aus. In diesem Zu·<br />
sammenhang sind jedoch die von HAMPICKE (1983) entwikkelten<br />
wirtschaftswissenschaftlichen Modelle von grund-<br />
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