Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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Tiere zu schützen. Je größere Anpassungserscheinungen<br />
umgekehrt seitens der Vegetation durch solche Abwehrsysteme<br />
bei Tieren , insbesondere bei phytophagen Insekten<br />
im Rahmen der Spezialisationsprozesse ausgelöst wurden,<br />
desto gefährdeter sind diese Tierarten. Phytophage Tierarten,<br />
die von Pflanzenarten in phylogenetisch hochentwikkelten<br />
Familien leben, sind daher durchschnittlich höher gefährdet<br />
als Tierarten, die phytophag an phylogenetisch ursprünglichen<br />
Pflanzenarten vorkommen.<br />
Andererseits ist dank der engen Spezialisierung mancher<br />
Tierarten oder Tiergruppen auf nur eine Wirtsart - bei vorhandener<br />
genetischer Aufteilung der Wirtspflanzenarten in<br />
besondere Ökotypen - auch Neubildung von Tierarten im<br />
selben Areal (sympatrisch) eingetreten. Eine große Anzahl<br />
von Beispielen liefert die Ko-Evolution in den symbiontischen<br />
(oder mutualistischen) Beziehungen zwischen Blütenpflanzen-Arten<br />
einerseits und Insekten-Arten als Bestäuber<br />
andererseits.<br />
In diesem Referat wird die Folge des Ausfalls von Pflanzenarten<br />
im Hinblick auf die von ihnen abhängigen Tierarten<br />
nur am Rande erwähnt, da diese Phänomene an sich unter<br />
dem Aspekt der Wirkung des Ausfalls von Pflanzenarten -<br />
also in einem anderen Referat - summierend behandelt<br />
werden müssen.<br />
11.4 Folgen bei Störungen von Blüte-Insekt-Beziehungen<br />
Die Blüte-Insekt-Beziehungen sind ein Sonderfall der Pflanze-Tier-Beziehungen.<br />
Im Rahmen der Blüte-Insekt-Beziehungen<br />
kommt es - wenn eine Tierart ausfällt - zum Ausfall<br />
der Bestäubung. Oft haben sich in diesen Symbiose- (Mutualismus-)<br />
Komplexen spezialisierte Pflanzenart-Tierart<br />
Beziehungen herausgebildet. Die Pflanzenarten-Spezialisation<br />
von Insekten auf nur eine Blütenart (wenigstens zur selben<br />
Zeit) ist für die Pf lanze von besonderem Vorteil, da sie<br />
auf diese Weise die Allein-Verteilung des Blütenstaubs auf<br />
arteigene Blüten mitbewirken hilft.<br />
Wenn aber beispielsweise eine Orchideen-Art, die auf die<br />
Spezialisierung der Bestäubung durch eine Schmetterlingsart<br />
eingestellt ist, ausfallen würde, wäre dies auch für den<br />
Schmetterling infolge verhaltensmäßiger Programmierung<br />
auf die Nektarentnahme an einer bestimmten Blüten-Art<br />
gleichbedeutend mit dem regionalen Aussterben. Das Aussterben<br />
einer Schmetterlingsart innerhalb eines Biotopbestandes<br />
oder einer Region kann dabei theoretisch innerhalb<br />
einer Saison erkannt werden, weil Schmetterlings-Arten in<br />
der Regel in Mitteleuropa nur 1-2 Generationen pro Jahr<br />
entwickeln, während beispielsweise der Orchideen-Bestand<br />
noch jahrelang weiterblühen kann, ohne daß zunächst die<br />
Gefährdung infolge Ausbleibens der Bestäubung sichtbar<br />
wird. Orchideen haben zumeist ein langes Ind ividualleben<br />
und infolgedessen eine erhebliche Ortsbeständigkeit, auch<br />
bei Ausfallen des Bestäubungspartners.<br />
Symbiosebeziehungen sind deswegen - auch wenn jeweils<br />
nur eine Art durch Beeinträchtigungen direkt gestört wird -<br />
von besonderer Auswirkung für ein Ökosystem, weil grundsätzlich<br />
zwei Arten indirekt negativ getroffen werden - obwohl<br />
oft zu unterschiedlichen Zeitpunkten.<br />
11.5 Folgen bei Störungen von Blüte-Vogel-Beziehungen<br />
und Blüte-Fledermaus-Beziehungen<br />
Diese Beziehungen sind in den Tropen bedeutsam, aber es<br />
gibt weniger spezialisierte Blüte-Vogel-Beziehungen und<br />
Blüte-Fledermaus-Beziehungen als Insekt-Blüte-Beziehungen<br />
.<br />
11.6 Folgen bei Störungen von Pflanzensamen-Insekt<br />
Beziehungen<br />
Pflanzensamen-Insekt-Beziehungen sind verbreitet. Manche<br />
Pflanzenarten sind auf die Verbreitung der Samen<br />
durch Insekten angewiesen. Allerdings gibt es nicht sehr<br />
viele samenverzehrende Wirbellosen-Arten. Dazu gehören<br />
beispielsweise einige Ameisen (Rasenameise: Tetramorium<br />
caespitum). Da das Verzehren der gesamten Samen durch<br />
Tiere für die Pflanzen nicht von Interesse sein kann, haben<br />
solche spezialisierten Pflanzen meist Gewebebereiche an<br />
den Samen entwickelt, die spezifisch als Insektennahrung<br />
angelegt sind, z.B. die Ölanhänge (Elaiosomen) der Samen<br />
der Knöterichgewächse (Polygonaceae). Der Ausfall einer<br />
einzelnen Pflanzenart als Nahrungsspender ist für die samenverzehrende<br />
Ameisenart aber nicht so entscheidend,<br />
weil Ameisen in der Regel verschiedene Samenträger-Pflanzenarten<br />
besuchen. Aber umgekehrt kann es bei Ausfall der<br />
Verbreitung durch Insekten infolge Ausfalls der Ameisenarten<br />
zu einer gewissen Störung des Ausbreitungspotentials<br />
der entsprechenden Pflanzenart führen, wenn andere Ausbreitungsträger<br />
(wie z.B. Wind) für diese Pflanzenarten das<br />
notwendige Erhaltungspotential nicht mehr gewährleisten.<br />
11.7 Folgen von Störungen bei Frucht-Vogel-Beziehungen<br />
Diese Beziehungen spielen in Mitteleuropa für die Pflanzenund<br />
Tierarten eine große Rolle. Die Beeren und andere<br />
Früchte als Nahrung aufnehmenden Vogel-Arten sind an<br />
der Samenverbreitung dieser Pflanzenarten erheblich beteiligt.<br />
Der Ausfall einer größeren Anzahl beerenverzehrender<br />
Vogelarten würde die Ausbreitungskapazität der entsprechenden<br />
Pflanzenarten stark eingrenzen. Frucht-Insekt-Beziehungen<br />
sind dagegen als symbiontische Beziehungsketten<br />
weniger entwickelt.<br />
12 Everse und inverse Wirkungen des Artenausfalls<br />
Unter den ökosystemaren Folgen des Artenausfalls ist zwischen<br />
einem<br />
a) „ Eversions-Effekt" der Folgen und einem<br />
b) dem „Inversions-Effekt" der Folgen<br />
zu unterscheiden.<br />
Bei dem „Eversions-Effekt" des Artenausfalls werden die in<br />
der Nahrungskette und im Nahrungsnetz an die Basisarten<br />
des Nahrungskomplexes angeschlossenen Tierarten getroffen,<br />
aber nicht die Basisarten selbst.<br />
Bei dem „ Inversions-Effekt" werden bei Artenausfall nicht<br />
nur die in der Nahrungskette an die Nahrungsbasis im Ökosystem<br />
angeschlossenen Tierarten, sondern auch die Basisarten<br />
selber betroffen.<br />
Als Beispiel für den Fall der „ Eversion" kann gelten, daß bei<br />
Ausfall einer Parasitenart eines Bockkäfers in einem Waldbiotop<br />
wohl die Parasiten-Arten 2. und 3. Grades (Super- und<br />
Hyper-Parasiten) des Parasiten 1. Grades betroffen werden,<br />
nicht aber die Käfer-Art als primäre Wirtsart der Parasiten 1.<br />
Grades.<br />
Als Beispiel für den Fall der „Inversion" kann gelten, daß<br />
durch Ausfall von fruchtverzehrenden Vogel-Arten auch die<br />
Gruppe der beerentragenden Pflanzenarten benachteiligt<br />
wird, weil sie durch eine bestimmte Art von Fruchtverzehr<br />
(der die Samen unbeschädigt läßt) der Tierarten in ihrer Verbreitung<br />
bevorteilt ist. Der Typ der „ Inversion" tritt in der Regel<br />
bei fakultativen und obligatorischen Symbiosen bzw.<br />
Probiosen auf.<br />
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