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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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iesige Tellico-Stausee der Tennessee Valley Authority einem<br />

unscheinbaren Fisch zu opfern wäre, ist ein Extrembeispiel<br />

für die Vortäuschung scheinbar unvertretbar hoher Op·<br />

portunitätskosten des Artenerhalts. Dieser Staudamm fällt<br />

nach BISHOP In die Kategorie derjenigen Projekte, die bei<br />

korrekter Kostenrechnung ohnehin unrentabel sind und damit<br />

keine Art von Umweltschäden rechtfertigen können. Ein<br />

tatsächlicher ökonomischer Konflikt besteht dagegen im<br />

Falle des nur noch in wahrscheinlich weniger als 40 Individuen<br />

vorhandenen und damit stark gefährdeten Kalifornischen<br />

Condors (Gymnogyps californianus). Sei ne letzten<br />

Nistplätze liegen dort, wo Erdöl und Phosphat gefördert<br />

werden könnten. Die Kostenrechnung stößt hier auf die große<br />

Schwierigkeit, den gesellschaftlichen Effizienzpreis des<br />

Erdöls zu schätzen, der von seinem politisch beeinflußten<br />

Marktpreis erheblich abweichen kann. BISHOP berechnet<br />

die Erhaltungskosten des Condors unter ungünstigen An·<br />

nahmen mit 3,2 Mio. US-Dollar pro Jahr (1,5 Cent pro Person<br />

für alle US-Bewohner). In diesen Fällen, bei denen die Erhal·<br />

tungskosten belangreich erscheinen und damit die Forderung<br />

nach <strong>Artenschutz</strong> tatsächlich einen ökonomischen<br />

Nutzungskonflikt verursacht, der rational zu lösen versucht<br />

werden muß, ist schließlich nach BISHOP darauf zu achten,<br />

daß hier keineswegs nur ein Allokations·, sondern auch ein<br />

Verteilungsproblem ansteht. Während die Erhaltungsko·<br />

sten heute aufgewendet oder eingespart werden, fällt der<br />

mögliche Nutzen des Artenerhalts vorwiegend kommenden<br />

Generationen zu.<br />

Daß es bei Kostenrechnungen zum <strong>Artenschutz</strong> sehr darauf<br />

ankommt, Fehlschlüsse zu vermeiden, zeigt das Beispiel<br />

der Landwirtschaft in der Bundesrepublik. Nicht alles, was<br />

sich in DM ausdrücken läßt, repräsentiert echte volkswirtschaftliche<br />

Kosten. Forderungen nach Umwandlungen ei·<br />

nes erheblichen Teils landwirtschaftlicher Fläche in Naturschutzgebiete<br />

(z. B. HAMPICKE, 1983) werden leicht mit der<br />

Begründung als überzogen abqualifiziert, daß dies zu „Mil·<br />

liardenverlusten" durch weniger erzeugte Agrarprodukte<br />

führe. Dabei liegt es auf der Hand, daß Produktionsein·<br />

schränkungen, soweit sie eine Überproduktion beseitigen<br />

würden, volkswirtschaftliche Kosten von Null nach sich zögen.<br />

Es ist also streng zwischen echten volkswirtschaftli·<br />

chen Kosten (Nutzenverzichten für alle) im Sinne der theoretisch<br />

abgesicherten Kosten-Nutzen-Analyse und den verschiedensten<br />

Finanztransaktionen zu unterscheiden. Viele<br />

Staatsausgaben sind z. B. keine volkswirtschaftlichen Ko·<br />

sten, sondern Umverteilungen. Sie sind natürlich, beson·<br />

ders für die Betroffenen, auch sehr wichtig und sind nicht zu<br />

übersehen, dürfen aber nicht als „Kosten" bezeichnet werden.<br />

Am Beispiel des <strong>Artenschutz</strong>programms von Berlin (W)<br />

(ARBEITSGRUPPE .. „ 1984) wird erstmals versucht, einen<br />

groben Überblick Ober die echten volkswirtschaftlichen Ko·<br />

sten des Naturschutzes in einem Ballungsgebiet zu erhalten<br />

(HAMPICKE, in Vorb.).<br />

BISHOPs Regel: „Avoid extinction unless the social costs of<br />

doing so are unacceptably large" (1980, p. 210) ist wohl die<br />

prägnanteste Zu sammenfassung des heutigen Standes der<br />

sich entwickelnden „ Naturschutz-Ökonomie". Jeder, der die<br />

Probleme durchdacht hat, stimmt zu - nicht aus persönli·<br />

chen und damit unverbindlichen Werturteilen heraus, son·<br />

dern weil die weithin anerkannten Regeln für vernünftige<br />

Entscheidungen unter den Bedingungen von Ungewißheit<br />

und lrreversibilität keinen anderen Schluß zulassen. Den<br />

vielbeschworenen Gegensatz von „ Ökologie" und „Ökonomie"<br />

gibt es auf der wissenschaftlichen Ebene nicht. Aus<br />

der Ökonomie leiten sich allerdings nur solche Begründungen<br />

für den <strong>Artenschutz</strong> ab, die aus menschlichen Interessen<br />

herrühren. Die Frage, ob Arten auch dann ein Lebens·<br />

recht besäßen, wenn sicher wäre, daß sie nie einem Menschen<br />

nützen werden (Y mit Sicherheit kleiner als X wäre)<br />

(EHRLICH & EHRLICH, 1981), muß von der Philosophie be·<br />

antwortet werden (vgl. z. B. BIRNBACHER, 1980).<br />

Für Auskünfte und Ergänzungen danken wir den Herren Dr.<br />

A. Brande, D. Korneck, 1. Kowarik, Dr. W. Lohmeyer, C.<br />

Schneider, U. Starfinger, Dr. L. Trepl und Dr. G. w .olf.<br />

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Landschaftsentwicklung und Umweltforschung. Schriftenreihe<br />

des Fachbereichs Landschaftsentwicklung der TU Berlin,<br />

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(als Mikrofiche vervielfältigt).<br />

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