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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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2.13 Veränderungen abhängiger Pflanzen- und<br />

Ti ergesellschaften<br />

Seit dem ersten Auftreten der Holländischen Ulmenkrankheit<br />

nach dem ersten Weltkrieg sind ihr in Europa mehr als<br />

90 % aller Ulmen zum Opfer gefallen (McNABB 1971). Da<br />

nur wenige. Großpilze an Ulmus minor gebunden oder auf Ulmenwälder<br />

beschränkt sind, z. B. Lyophyllum ulmarium,<br />

wird das Ulmensterben die Pilzflora wohl nur geringfügig<br />

beeinträchtigen (WINTERHOFF 1984). Das Ulmensterben<br />

verändert aber entscheidend den Habitus des Waldes und<br />

hat so z. B. Einfluß auf den Brutvogelbestand von Auenwäldern<br />

(GNIELKA 1978).<br />

Das Baumsterben wird unter den Pilzen voraussichtlich zu<br />

einer vorübergehenden Zunahme von Schwächeparasiten<br />

und Holzsaprophyten führen. Falls das Baumsterben weiter<br />

fortschreitet, so daß es zum Aussterben empfindlicher<br />

Baumarten und zum Tode ganzer Wälder kommt, werden<br />

alle an die betreffenden Baumarten und Wälder gebundenen<br />

Pilzarten (außer den Mykorrhizapilzen auch die Bodensaprophyten<br />

und Holzbewohner) verschwinden. Zumindest<br />

alle obligaten Tannenbegleiter und die Pilzflora der hochmontanen<br />

Fichtenwälder scheinen dadurch äußerst bedroht<br />

zu sein.<br />

Die Auswirkungen des Waldsterbens auf die Vogelwelt in<br />

Südwestdeutschland haben HÖLZINGER & KROYMANN<br />

(1984) folgendermaßen zusammengefaßt:<br />

„Scheinbar paradoxe unmittelbare Folge des Waldsterbens<br />

kann In Südwestdeutschland eine vorübergehende Zunahme<br />

einer Reihe von gefährdeten Arten der Roten Liste bzw.<br />

seltenen Arten sein, namentlich von Dreizehenspecht (Plcoides<br />

tridactylus), Zitronengirlitz (Serinus citrinella), Zippammer<br />

(Emberiza cia) und Fichtenkreuzschnabel (Loxla curvirostra).<br />

Bestandszunahmen infolge der Waldzerstörung erscheinen<br />

auch bei Birkhuhn (Lyrurus tetrix), Ziegenmelker (Caprimulgus<br />

europaeus), Heidelerche (Lullula arborea), Brachpiper<br />

(Anthus campestris), Neuntöter (Lanius collurio), Dorngrasmücke<br />

(Sylvia communis), Feldschwirl (Locustella naevia)<br />

u. a. Arten möglich. Der Grund hierfür liegt in der besonderen<br />

ökologischen Einpassung solcher Arten in eine Dekkung<br />

und Nahrung bietende, reich entwickelte Strauch- und<br />

Krautschicht mehr oder weniger stark gelichteter Waldflächen<br />

bzw. ehemaliger Waldflächen.<br />

In der ökologischen Bilanz steht dem Zugewinn an solchen<br />

teilweise durchaus seltenen Arten der wesentlich·schwerer<br />

wiegende Verlust einer in relativ stabile, naturnahe und da·<br />

her hochwertige Waldlebensräume eingepaßten Arten- und<br />

lndividuenfülle gegenüber.<br />

Gefährdet sind durch das Waldsterben zunächst die Bewohner<br />

der Kronenschicht der Hochwälder wie der Graurelher<br />

(Ardea cinerea) und die Greifvogelarten Mäusebussard (Buteo<br />

buteo), Sperber (Accipiter nisus), Habicht (Accipiter gentilis),<br />

Rotmilan (Milvus milvus), Schwarzmi lan (Mllvus migrans),<br />

Wespenbussard (Pern is apivorus), Baumfalke (Falco<br />

subbuteo) und Turmfalke (Falco tinnunculus), aber auch<br />

Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes), Pirol (Oriolus<br />

oriolus), Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis) u. a.<br />

Gefährdet sind ebenso die meist höhlenbewohnenden Vogelarten<br />

hochstämmiger Altholzbestände wie Hohltaube<br />

(Columba oenas), Ringeltaube (Columba palumbus), Sper·<br />

lingskauz (G laucidium passerinum), Waldkauz (Strlx aluco),<br />

Waldohreule (Asio otus), Rauhfußkauz (Aegolius funereus),<br />

Schwarzspecht (Dryocopus martius) und sechs andere<br />

Spechtarten (Dendrocopos spec., Picus spec.).<br />

Auf Dauer besonders gefährdet sind alle den Nadelwald bewohnenden<br />

Vogelarten wie Sommer· und Wintergoldhähn-<br />

chen (Regulus ignicapillus, Regulus regu lus), Haubenmeise<br />

(Parus cristatus), Tannen meise (Parus ater), Erlenzeisig<br />

(Carduelis spinus), Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes),<br />

Weidenmeise (Parus montanus) u. a., und in der submontanen<br />

Stufe die Ringdrossel (Turdus torquatus).<br />

121 Arten (== 60 %) von den 202 in Baden-Württemberg<br />

nachgewiesenen Brutvogelarten sind auf den Wald als Lebensraum<br />

angewiesen. Der Saldo des Waldsterbens für das<br />

gesamte Artenspektrum der Vogelwelt Ist eindeutig negativ."<br />

Mit den L.ostera marina-Wiesen (vgl. Abschnitt 2.22) verschwanden<br />

manche in ihnen lebende Fische, Mollusken,<br />

Krebse und Würmer aus weiten Gebieten und auch die wesentlich<br />

vom Seegras lebenden Ringelgänse (Branta bernicola<br />

L.) gingen an Zahl zurück (vgl. BAUER u. GLUTZ v.,<br />

BLOTZHEIM 1968, LEEGE 1954).<br />

2.2 Veränderungen der Lebensäußerungen<br />

im Gesellschaftsverband<br />

2.21 Veränderungen von B/Ohaspekten<br />

in Pflanzengesellschaften<br />

Auffällige Folgen des Ausfalls von Arten in Grünlandgesellschaften<br />

sind Veränderungen der Blühaspekte von bunten<br />

Wiesen zu einförmig grünen Grasbeständen. Während früher<br />

das Mengenverhältnis Gräser: Kräuter im nordwestdeutschen<br />

Grünland im Durchschnitt 70: 30 betrug, liegt es<br />

heute bei 85: 15. Eine Darstellung der dadurch bedingten<br />

Veränderungen· in der Phänologie des Grünlandes steht<br />

noch aus.<br />

2.22 Veränderungen der Wettbewerbsverhältnisse<br />

Im Querco-Ulmetum des Marchtals führte das fast völlige<br />

Ausfallen der Konkurrenz von Ulmus minor (vg l. Abschnitt<br />

2.11) zu verstärktem Kronenwachstum von Eiche und Esche<br />

so daß nach acht bis neun Jahren die Baumschicht wiede;<br />

dicht geschlossen war.<br />

ELLENBERG jun. (1983) konnte feststellen, daß Luftverunreinigungen<br />

im allgemeinen zur Verdrängung der konkurrenzschwachen<br />

Arten durch resistente „Allerweltsarten"<br />

führen. Hier ist weniger das Ausfallen von Arten Ursache<br />

der Veränderungen der Wettbewerbsverhältnisse als umgekehrt:<br />

die auf Verbesseru ng der Nährstoffverh ältnisse vor<br />

al lem durch Erhöhung des Stickstoffangebots stärker reagierenden<br />

Arten verdrängen die weniger flexiblen Arten.<br />

Die Invasion exotischer Arten (ELTON 1958) kann zu starken<br />

Veränderungen des Wettbewerbs in der Vegetation führen.<br />

Die nordamerikan ische Spätzeitige Traubenkirsche (Prunus<br />

serotina) kann sich in vielen Wäldern des Quercion roboripetraeae,<br />

vo r allem im Fago-Quercetum massenhaft verbreiten<br />

(BAKKER 1963), wobei die Arten der Baumschicht (durch<br />

Behinderung der Naturverjüngung) und der Krautschicht sowie<br />

die Pilzflora qualitativ und quantitativ stark zurückgehen.<br />

Als Ursachen werden Veränderungen des Lichtklimas<br />

und Allelopathie infolge der Laubstreu vermutet. Keimung<br />

und Entwicklung der Amerikanischen Traubenkirsche wiederum<br />

werden durch Bodenverwundungen, also menschliche<br />

Störungen, gefördert (WESTHOFF 1979).<br />

In der Literatur finden sich häufig Vermutungen, daß in Wäldern<br />

das Kl einblütige Springkraut (lmpatiens parviflora) die<br />

einheimische Flora und Veg etation „ beeinträcht igen", „gefährden<br />

" oder „verdrängen" könnte, Angaben darüber, daß,<br />

wo und unter welchen Umständen dies geschehe, sind hingegen<br />

relativ selten (alle Angaben über diese Art nach<br />

TREPL 1984). Nennenswerte Beeinträchtigung der ursprüng-<br />

600

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