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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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für die Notwendigkeit des <strong>Artenschutz</strong>es lassen sich also<br />

offenbar aus keiner der beiden Argumente-Gruppen - Arten<br />

für den Menschen oder Arten um ihrer selbst willen<br />

schützen - ableiten, wenn nicht bestimmte Wertvorstellungen<br />

sie stolzen. Gibt es aber nicht doch einen „ kleinsten gemeinsamen<br />

Nenner", der alle <strong>Artenschutz</strong>-Interessen und<br />

-Bestrebungen zu tragen und den <strong>Artenschutz</strong> wen igstens<br />

vor Ablehnung und Gegnerschaft zu bewah ren vermag?<br />

Nach meiner persönlichen Erfahrung und Überzeugung<br />

kann dieses Ziel auf zwei Wegen angesteuert und erreicht<br />

werden.<br />

Der erste Weg gründet sich bewußt auf die mit dem Begriff<br />

„ Ku ltur" verbundenen , allgemeinen Wertvorstellungen.<br />

Durch die Landwirtschaft, die ja auch „ Landeskultur" darstellt<br />

oder zumindest enthält, ist die Naturlandschaft Mitteleuropas<br />

(und auch vieler anderer Gebiete) beträchtlich an<br />

Arten und Lebensgemeinschaften bereichert, und damit<br />

erst „Kulturlandschaft" im eigentlichen Wortsinn begründet<br />

worden. Dadurch sind sowohl die fruchtbaren Felder<br />

und Wiesen als auch die kleinen Reste naturbetonter Ökosysteme<br />

zu überlieferungswürdigen Kulturgütern geworden,<br />

die den gleichen Rang verdienen wie bäuerliche Bauwerke<br />

und Gerätschaften, alte Dorfbilder und die das Land zierenden<br />

Bau- und Kunstdenkmäler aller Zeiten. Diese wurden<br />

und werden nach Kriegszerstörung oder Vernachlässigung<br />

mit oft großem Aufwand wiederhergestellt und unterhalten.<br />

Ausgestorbene Arten sind jedoch nicht wiederherstellbar.<br />

Eine treffende Einschätzung dieser Werte und ihres drohenden<br />

Verfalls gab unlängst der baden-württembergische Mi·<br />

nister für Ernährung, Landwirtschaft, Umwelt und Forsten,<br />

Gerhard WEISER (1983): „ Die ,klassische' Agrarlandschaft<br />

war gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Kleinbiotopen:<br />

Heckenzüge, Bäume, Baumreihen, Feld raine, Graswege,<br />

Steinriegel, Tümpel. Dieses bunte Mosaik der Natur bot Lebensraum<br />

für Tiere, die hier ihre Nahrung fanden, Unterschlupf,<br />

Deckung, Nist- und Wohnmöglichkeiten. Darüber<br />

hinaus besaß eine derart vielfältig gegliederte Landschaft<br />

ei nen hohen Erholungswert für die Bevölkerung. Diese Vorzüge<br />

der einstigen Agrarlandschaft sind heute zu einem wesentlichen<br />

Teil verlorengegangen. Als Lebensraum für wildwachsende<br />

Pflanzen und wildlebende Tiere sind weite Bereiche<br />

nur noch sehr bedingt geeignet. Insoweit hat die moderne<br />

Agrarlandschaft eine Eigenschaft eingebüßt, die sie<br />

bis in unser Jahrhundert herein auszeichnete und die ihr mit<br />

Recht die Bezeichnung ,Kulturlandschaft' einbrachte. Den<br />

Ehrennamen ,Kultur' verdienen aber nur solche Lebensverhältnisse,<br />

die nicht ausschließlich ökonomisch orientiert<br />

sind, sondern die nach Einklang streben mit den Gesetzen<br />

der Schöpfung und des Lebens schlechthin. Wir müssen<br />

uns heute sehr ernsthaft die Frage steilen, wie weit manche<br />

Agrarlandschaften einem solch hohen Anspruch gerecht<br />

werden (WEISER 1983, S. 8)."<br />

Wenn sich eine solche Überzeugung durchsetzt, brauchen<br />

<strong>Artenschutz</strong>-Bemühungen nicht mehr unter ei nen soviel größeren<br />

Begründungszwang gestellt zu werden, als er für<br />

Schutz- oder Sicherungsbemühungen in anderen Bereichen<br />

üblich ist. So genießt der Wald insgesamt einen kaum bestrittenen<br />

Schutz, und darüber hinaus werden sogar noch<br />

besondere Schutz- oder Bannwälder ausgewiesen. Hochwertige<br />

landwirtschaftliche Böden, Grundwasservorkommen<br />

oder der Wildbestand werden fast ebenso selbstverständlich<br />

gesichert wie Verkehrs- oder Bauflächen, gar<br />

nicht zu reden vom Schutz des Grundeigentums, der einen<br />

so hohen Rang genießt, daß häufig genug eine illegale Benutzung<br />

(z.B. „ Schwarzbauten") geduldet oder gar legalisiert<br />

wird. Ohne weitere Begründung werden auch Ab·<br />

standsflächen um Gebäude oder technische Anlagen gesichert.<br />

Nur die Sicherung des Artenbestandes wird immer<br />

noch In Frage gestellt, als ob die dafür notwendigen Maß-<br />

nahmen dem Zufall, der negativen Auslese oder dem guten<br />

Willen der Grundeigentümer überlassen bleiben könnten.<br />

Ein zweiter Weg zu einer allgemeinen Anerkennung des <strong>Artenschutz</strong>es<br />

führt auf die Verantwortung für künftige Generationen.<br />

Diese Verantwortung gebietet, keine irreversiblen<br />

Veränderungen auf der Erde zu schaffen oder zuzulassen.<br />

Das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten ist aber irreversibel<br />

- genau so wie die Zerstörung der Wälder, die Veränderung<br />

genetischer Strukturen durch Radioaktivit ät oder<br />

Chemikalien, die Durchbrechung der Ozonschicht der Atmosphäre<br />

oder die Desertifikation (Wüstenbildung) in den tropi<br />

schen Trockengebieten. Mit derartigen unwiederbringlichen<br />

Verlusten werden künftigen Generationen wesentliche<br />

Möglichkeiten der Lebensbewältigung genommen. Aus solchen<br />

Überlegungen haben weitsichtige Politiker den Umweltschutz<br />

auch als d ie wichtigste aktuelle Aufgabe gleich<br />

nach der Friedenssicherung bezeichnet, weil ein moderner<br />

Krieg ebenfalls irreversible Zerstörungen und Schäden hervorrufen<br />

wü rde.<br />

Der Schutz der Arten dient in diesem Rahmen sowohl ihrem<br />

Eigenwert als auch der langfristigen Interessensicherung<br />

der Menschen - die aber zu einem moralischen Motiv wird,<br />

wenn wir uns verpflichtet fühlen, auch unseren Nachkommen<br />

die in den Arten ru henden materiellen und immateriellen<br />

Güter zu erhalten. PATZIG (1983) nennt dies eine „ Vernunftmoral"<br />

und zieht hieraus die folgende, ebenso kühne<br />

wie bedenkenswerte Forderung: So wie es keine mit rationalen<br />

Gründen gestützte moralische Pflicht geben kann, eine<br />

bedrohte Pflanzen- oder Tierart zu erhalten - so wenig<br />

kann es auch eine solche Pflicht geben, die weitere Existenz<br />

der Art Homo sapiens zu sichern. Wir haben zwar eine moralische<br />

Verantwortung, die Lebensumstände der nach uns<br />

folgenden Generationen zu erhalten; aber wir haben keine<br />

rational begründbare Verantwortung dafür, daß überhaupt<br />

Generationen nach uns kommen. Ein hypothetischer Beschluß,<br />

die Fortpflanzung der Menschheit z.B. im Jahre 2200<br />

einzustellen, wäre moralisch nicht zu mißbilligen.<br />

Dieser Gedankengang löst den <strong>Artenschutz</strong> von seiner einseitigen<br />

Fixierung auf das nichtmenschliche Leben, die biologisch<br />

gesehen ungerechtfertigt ist. Die Art Homo sapiens<br />

hat keine „ Richter-Funktion" über die anderen Arten und<br />

könnte davon abgesehen durchaus das Schicksal „exzessiv"<br />

entwickelter Arten wie z.B. der kreidezeitlichen Saurier<br />

erleiden, die sich einer Umweltveränderung nicht mehr anzupassen<br />

vermochten. Mit dem Hinweis auf die ausgestorbenen<br />

Sauri er wurde aber in einer Schrift der Chemischen<br />

Industrie (BASF) der Eindruck zu erwecken versucht, als sei<br />

das Aussterben von Arten ein normaler Vorgang.<br />

Literatur<br />

ABN (Hrsg.), 1980: Grundlagen und Bedingungen für den <strong>Artenschutz</strong>.<br />

- Jb. f. Natursch. u. Landschaftspflege 30, 1-175 . .<br />

ABN (Hrsg.), 1983: Stand und Entwicklung des <strong>Artenschutz</strong>es In der<br />

Bundesrepublik Deutschland. - Jb. f. Natursch. u. Landschafts·<br />

pflege 34, 1-176.<br />

BLAB, J., NOWAK, E„ TRAUTMANN, W., u. SU KOPP, H., 1984: Rote<br />

Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. 4. Auflage. - Greven/Weslf.: Kilda-Verlag. 270 S.<br />

(Naturschutz aktuell Bd. 1).<br />

EHRLICH, P. u. A., 1983: Der lautlose Tod. Das Aussterben der Pflanzen<br />

und Tiere. - Frankfurt a.M .: S. Fischer u. W. Krüger. 373 S.<br />

Umschau i. Wiss. u. Tech­<br />

ERZ, W., 1983: <strong>Artenschutz</strong> Im Wandel. -<br />

nik 83, 695-700.<br />

KOOPOWITZ, H., u. KAYE, H., 1983: Plan t extinction: A global crisis.<br />

- Washington/USA: Stonewall Press. 239 S.<br />

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