27.04.2014 Aufrufe

Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

turgütern geworden sind. Diese nehmen den gleichen Rang<br />

ein wie bäuerliche Bauwerke und Gerätschaften, alte Dorfbilder<br />

und die übrigen Bau- und Kunstdenkmäler aus allen<br />

Zeiten. Genauso wie diese heute sorgsam erhalten werden,<br />

sollte es auch mit bestimmten Teilen von Natur und Landschaft<br />

geschehen, denn diese können im Gegensatz zu Bauund<br />

Kunstdenkmälern nicht wiederhergestellt werden.<br />

2 Entwicklung des <strong>Artenschutz</strong>es<br />

2. 1 Geschichtlicher Rückblick<br />

Schon immer hat der Mensch die Natur nach seinen Vorstellungen<br />

genutzt und schon frühzeitig wurden Maßnahmen<br />

zum Schutz von Arten getroffen 1 ). So verordnete beispielsweise<br />

1210 Dschingis-Khan Schonzeiten für Rotwild, Steinböcke,<br />

Rehböcke, Hasen, Wildesel und bestimmte Vogelarten;<br />

1650 wurden in Münster Pflanzenschutzbestimmungen<br />

erlassen, 1744 wies Zarin Elisabeth von Rußland Zobelschutzgebiete<br />

aus und 1810 wurde für ganz Bayern eine Verordnung<br />

zum Schutz der Waldvögel ausgesprochen. Die Naturzerstörung<br />

und das damit verbundene Aussterben von<br />

Tier- und Pflanzenarten konnten jedoch nicht verhindert<br />

werden.<br />

Über lange Zeit hinweg galten Schutzbemühungen überwiegend<br />

den Tierarten. Einige Tierarten waren in Deutschland<br />

bereits gänzlich oder in bestimmten Landesteilen bis Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts ausgestorben oder ausgerottet, wie<br />

der Bär, der Wisent, der Biber, der Luchs, der Lämmergeier,<br />

der Steinadler und die Großtrappe.<br />

Bereits 1801 stellte SCHILLER in seiner Schrift „Über das<br />

Erhabene" das Bedürfnis des Menschen nach unberührter<br />

Natur und den Gegensatz zwischen Natur- und Kulturlandschaft<br />

dar; GOETHE sah es 1803 als Pflicht der Naturforscher<br />

an; für Zwecke der Forschung „die Rechte der Natur"<br />

zu sichern. Der Zoologe Matthias BECHSTEIN erklärte<br />

schon 1801, daß die Ausrottung einer Tierart nicht zulässig<br />

sei und daß die Nützlichkeit der Tiere von einer höheren<br />

Warte aus betrachtet werden müsse; es zeichnete sich bereits<br />

ab, daß die erlassenen Schutzvorschriften zu einseitig<br />

auf Nützlichkeitsüberlegungen abgestellt waren.<br />

Doch selbst Alfred Edmund BREHM forderte noch 1867 die<br />

schonungslose Vernichtung von Adlern, Edelfalken und anderen<br />

Raubvögeln, da sie die nützlichen Vögel schädigten.<br />

An dieser Auffassung hat übrigens der Bund für Vogelschutz<br />

(heute: <strong>Deutscher</strong> Bund für Vogelschutz) bis ins 20.<br />

Jahrhundert hinein festgehalten, obwohl sich 1873 SCHMIE­<br />

DEKNECHT heftig gegen die Einteilung in „nützliche" und<br />

„schädliche" Vögel wandte. Erst Karl Theodor LIEBE prägte<br />

1884 die Grundsätze des Vogelschutzes, die den modernen,<br />

wissenschaftlich fundierten Vogelschutz einleiteten.<br />

Mit dem 1880 erlassenen Feld- und Forstpolizeigesetz war<br />

es möglich, ministerielle Anordnungen zum Schutz von Tieren<br />

und Pflanzen auszusprechen. Die Wirkung dieses Gesetzes<br />

machte sich allerdings erst sehr viel später bemerkbar.<br />

Das erste Reichsgesetz zum Schutz von Vögeln wurde 1888<br />

(nach nur(!) 18 Tagen Beratung) verabschiedet, obwohl die<br />

ersten Anläufe dazu bereits 1862 begonnen hatten. Das Gesetz<br />

regelte den Verkauf toter Vögel, die Verwendung von<br />

Fangmitteln, Jagd- und Schonzeiten; es verzichtete auf die<br />

Nennung der zu schonenden Arten und zählte die Arten auf.,<br />

die jagdbar oder vogelfrei waren. Jagdbar waren z. B. Adler,<br />

Bekassinen, Kiebitze, Kraniche, Lummen, Regenpfeifer,<br />

Schnepfen, Wachteln; zu den Vogelfreien gehörten Alpendohlen,<br />

Falken, Fischreiher, Habichte, Kormorane, Sperber,<br />

Taucher, Würger. Eisvögel waren zwar geschützt, konnten<br />

aber von den Fischereiberechtigten getötet oder gefangen<br />

werden.<br />

Um die Jahrhundertwende erwachte der allgemeine Naturschutz<br />

als Reaktion auf die rasch fortschreitende Industrialisierung<br />

im damaligen Deutschen Reich. Seine wissenschaftliche<br />

Begründung fußte auf Gutachten von C.A. WE­<br />

BER und insbesondere von H. CONWENTZ. Aufgrund seiner<br />

Vorschläge wurde 1906 in Danzig die erste „Staatliche Stelle<br />

für Naturdenkmalpflege" in Preußen eingerichtet, die<br />

dem preußischen Kulturministerium unterstand. Als Leiter<br />

wurde CONWENTZ berufen. Mit der Einrichtung des staatlichen<br />

Naturschutzes wurde der <strong>Artenschutz</strong> zu dessen Bestandteil<br />

und löste sich von der bisherigen jagdlichen Ausrichtung.<br />

Im Jahr 1911 wurde die „Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege"<br />

nach Berlin verlegt; sie ist der direkte<br />

Vorläufer der heutigen Bundesforschungsanstalt für Naturschutz<br />

und Landschaftsökologie in Bonn-Bad Godesberg.<br />

Bereits 1907 wurden die Hochschullehrer durch einen Erlaß<br />

der preußischen Regierung aufgefordert, in ihren Vorlesungen<br />

auf den wissenschaftlichen und ästhetischen Wert der<br />

Naturdenkmäler hinzuweisen; gleichzeitig beklagte der<br />

Bund für Vogelschutz, daß in den Schulen wenig Verständnis<br />

für Biologie und Heimatkunde vorhanden war: Es werde<br />

sogar die Auffassung vertreten, daß die Beschäftigung mit<br />

der Natur und ihren tierischen und pflanzlichen Lebewesen<br />

die Jugend von den ihr in der Schule gestellten Aufgaben<br />

ablenke.<br />

Neben den Bestrebungen zum <strong>Artenschutz</strong> und zum allgemeinen<br />

Naturschutz gab es Bemühungen um den Schutz<br />

ganzer Landschaften, die bereits auf die Zeit der Romantik<br />

am Anfang des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Damals wurden<br />

von den Dichtern und Künstlern die als wildromantisch<br />

empfundenen Schöpfungen der Natur entdeckt. In diese<br />

Zeit fallen die ersten Bemühungen zur Unterschutzstellung<br />

von Gebieten; das erste amtliche Naturschutzgebiet war der<br />

Drachenfels im Siebengebirge (1836). In der Verfolgung dieser<br />

Zielrichtung wurde 1909 der Verein Naturschutzpark gegründet,<br />

der es sich zur Aufgabe gesetzt hatte, großflächige<br />

Naturschutzparks zu schaffen, mit denen, wie FLOERICKE<br />

1911 feststellte, „die weitaus meisten Formen der typisch<br />

deutschen Landschaft, alle wichtigen und für uns Naturfreunde<br />

besonders in Betracht kommenden Tier- und Pflanzenarten"<br />

geschützt und erhalten werden könnten. In dieser<br />

Idee kommt bereits das heute geforderte Schutzgebietskonzept<br />

zum Ausdruck (siehe <strong>Deutscher</strong> <strong>Rat</strong> für <strong>Landespflege</strong>,<br />

1983, Ein „Integriertes Schutzgebietssystem" zur Sicherung<br />

von Natur und Landschaft).<br />

Doch noch war der Naturschutz keine Bewegung, die von allen<br />

Volksschichten getragen, geschweige denn bei Planungen<br />

berücksichtigt wurde. So griff Ernst RUDORFF - von<br />

dem das Wort „Naturschutz" geprägt wurde - um 1900 die<br />

damalige Flurbereinigung, die Industrieansiedlung, die Verschandelung<br />

der Städte und die Ausartung des Tourismus<br />

an und FLOERICKE stellte 1911 fest, daß der Mensch noch<br />

niemals vorher „unsinniger, unerbittlicher, grausamer und<br />

rücksichtsloser unter der Tier- und Pflanzenwelt gehaust"<br />

habe als während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />

Bei Hermann LÖNS gipfelte diese Auffassung in folgendem<br />

Ausspruch aus dem Jahre 1911: „ Es ist ja ganz nett, ·wenn<br />

einige kleine Einzelheiten geschützt werden, Bedeutung für<br />

die Allgemeinheit hat diese Naturdenkmälerchensarbeit<br />

aber nicht. Pritzelkram ist der Naturschutz, so wie wir ihn<br />

haben. Der Naturverhunzung dagegen kann man eine genia·<br />

le Großzügigkeit nicht absprechen. Die Naturverhunzung arbeitet<br />

'en gros', der Naturschutz 'en detail'." Weitere Naturschutzverbände<br />

wurden gegründet: 1913 der Bund Naturschutz<br />

Bayern, 1923 die Deutsche Sektion des lnternationa-<br />

1) ANT, Herbert, 1972, Daten zur Geschichte des Naturschutzes,<br />

in: ASN-Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege,<br />

Bd. 21, 50- 66. Diesem Beitrag sind Teile<br />

der folgenden Angaben entnommen.<br />

539

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!