Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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Tabelle 1<br />
Strukturelle und funktionale Gegensätze zwischen ehemaliger Naturlandschaft<br />
bzw. naturnaher Kulturlandschaft und heutiger „übernutzter" Kulturlandschaft<br />
Naturnahe Kulturlandschaft<br />
scheinbare „ Unordnung" intakter Ökosysteme<br />
„multifunktionale, differenzierte" Ökosysteme<br />
stabile, wenn auch dynamische Ökosysteme<br />
Mosaik-Vielfalt stabiler Naturbiotope mit großem<br />
Randlinien-Effekt<br />
kleinflächig vernetzte Systemstruktur der naturnahen<br />
Ku lturlandschaft („Biotopverbundsystem")<br />
strukturelle Heterogenität (Vielfalt) der Naturbiotope<br />
Vielfalt systemtypischer Arten in ungestörten<br />
Ökosystemen<br />
„ökologisches Wirkungsgefüge" zahlreicher<br />
Arte11 in stabilen Ökosystemen<br />
zahlreiche, eng angepaßte Spezialisten (stenöke Arten)<br />
als „Stabilisatoren" meist oligotropher bis mesotropher<br />
Ökosysteme<br />
begrenzte Konkurrenz stenöker Arten mit<br />
funktionaler Nischentrennung<br />
hoch produktive, verlustarme Stoffkreisläufe<br />
natürlicher Ökosysteme<br />
Übernutzte Ku lturlandschaft<br />
gestaltete „Ordnung" gestörter Ökosysteme<br />
„monofunktionale, uniforme" Ökosysteme<br />
labile, künstlich statisch gehaltene Ökosysteme<br />
uniforme Monotonie labiler Kulturbiotope mit geringem<br />
Randlinien-Effekt<br />
großflächig „entnetzte'', nivellierte Monotonie mit<br />
Barriere- u. lsolationswirkung (Verinselung)<br />
strukturelle Homogenität der Kulturbiotope<br />
Verarmung systemtypischer Arten in gestörten<br />
Ökosystemen (Monotonisierung des Arteninventars)<br />
strukturloses Nebeneinander weniger Arten in<br />
umgelagerten, zusammenbrechenden Ökosystemen<br />
wenige Generalisten, Ubiquisten (euryöke Arten) als<br />
Indikatoren der Labilität meist eutropher bis hypertropher<br />
Ökosysteme<br />
expansive Konkurrenz euryöker Arten mit Unterdrückung<br />
stenöker Arten<br />
künstlich produktiv gehaltene, energetisch und stofflich<br />
verlustreiche „Zuschußbetriebe"<br />
sowie das Wattenmeer als die naturnächsten Ökosysteme<br />
sind durch anthropogene Eingriffe gestört und belastet.<br />
Es gibt viel zu wenig Naturschutzgebiete; denn es sind<br />
längst nicht alle Biotoptypen in einem ausreichend dic.hten<br />
Netz von Naturschutzgebieten repräsentiert (z.B.<br />
fehlen Fließgewä ~s er , diverse Waldgesellschaften).<br />
Die meisten in der intensiv genutzten Kulturlandschaft<br />
isoliert liegenden Naturschutzgebiete sind zu klein, um<br />
ihre Aufgabe der Erhaltung nachhaltig vermehrungsfähiger<br />
Populationen erfüllen zu können. Sie sind durch lsolationseffekte<br />
und randliche intensivnutzung gestört ,<br />
vor allem durch Grundwasserabsenkungen, Schadstoff.<br />
immissionen von benachbarten Flächen, Zufuhr nährstoffreichen<br />
und verunreinigten Wassers sowie Biozid·<br />
einsatz im Randbereich.<br />
Es gibt so gut wie kein Naturschutzgebiet, in dem nicht<br />
irgendwelche Nutzungen und Raumbeanspruchungen<br />
stattfinden, die mit den Anliegen des Naturschutzes unvereinbar<br />
sind. Die ordnungsgemäße Land- und Forstw<br />
irtschaft widerspricht häufig dem Schutzzweck. Solange<br />
der Naturschutz nicht als gleichrangige und alleinige<br />
„Nutzung" anerkannt wird, erreichen zahlreiche Naturschutzgebiete<br />
nicht ihr Schutzziel.<br />
- Der Zustand mindestens der Hälfte der Naturschutzgebiete<br />
entspricht nicht mehr den Schutzzielen (z.B. durch<br />
Austrocknung, Verbuschung, Bewaldung). Eine Zweckentfremdung<br />
für anderweitige Nutzung (z.B. Freizeitaktivitäten)<br />
ist nicht selten.<br />
Die Zerschneidung, Zersplitterung, „Zerfetzung'', Verkleinerung<br />
und Isolierung der Biotope führte zur Unterschreitung<br />
des Minimalareals zahlreicher Arten und zur<br />
Zerstreuung oder Neukombination von Arten, wobei die<br />
stenöken sowie seltenen und/oder anspruchsvollen Arten<br />
„auf der Strecke" blieben. Wiederherstellung natürlicher<br />
Ausbreitungs- und Vermehrungsmöglichkeiten ist<br />
nicht mehr möglich. Untypische Artenmischungen und<br />
Überwiegen von „ Allerweltsarten" (euryöken Arten) sind<br />
die Folge.<br />
- Andererseits haben Kleinbiotope und Sonderbiotope<br />
ei ne höhere Struktur- und Habitatdiversität, so daß mit<br />
gleichem Artenmaterial Kleinbiotope teils reichere und<br />
andere Artenkombinationen erzielen als größere Biotope<br />
(vgl. RINGLER 1980). Die weitgehende Zerstörung<br />
der Kleinbiotope (z.B. Kleingewässer, Obstwiesen) durch<br />
die Monotonisierung und „Säuberung" der Kulturlandschaft<br />
vernichtet die entsprechenden Arten.<br />
- Von Natur aus seltene Arten sind an Sonderstandorte<br />
(z.B. Saumbiotope der Gewässerufer, Wegraine, Hohlwege,<br />
Trockenmauern etc.) gebunden. Diese sind schon immer<br />
in der Kulturlandschaft gefährdet gewesen und in<br />
den letzten Jahrzehnten weitgehend vernichtet worden.<br />
Die Erhaltung und Vermehrung der letzten Reste von<br />
Saumbiotopen zu einem vernetzten Biotopverbundsystem<br />
ist daher dringend erforderlich.<br />
· - Zahlreiche Biotoptypen haben durch Kulturmaßnahmen<br />
oder Verschmutzung ihre innere Struktur verloren. Bei·<br />
spielsweise besitzen die Forsten nicht den Bestandsauf·<br />
bau eines natürlichen Waides oder in den Flüssen fehlen<br />
wegen Verschlammung Kiesgeröll und andere Kleinbiotope<br />
des Flußbettes.<br />
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