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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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Besonders problematisch ist die teilweise nur sehr schleppend<br />

betriebene Bearbeitung der Unterschutzstellungsanträge;<br />

die „einstweilige Sicherstellung" reicht nicht immer<br />

aus, um den Verlust wertvoller Gebiete aufzuhalten.<br />

Das in Nordrhein-Westfalen gestartete Feuchtwiesenprogramm,<br />

das mehr als 11 000 ha Feuchtwiesen sichern soll,<br />

scheiterte teilweise am Widerstand der Landwirtschaft. Obwohl<br />

vom Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />

bewußt keine einst weiligen Sicherstellungen erlassen<br />

wurden (nach dem Grundsatz „Vertrauen gegen Vertrauen"),<br />

wurden gezielt in „ konzertierten" Aktionen der Landwirtschaft<br />

mehr als 200 ha Grünland vorzugsweise im Kern der<br />

wertvollsten Schutzgebiete drainier·t und umgebrochen.<br />

Dennoch wird gegen entsprechende Entschädigung (DM<br />

500/ha) der überwiegende Teil der Feuchtwiesen vor dem<br />

Umbruch in Ackerland (Maisanbau) gesichert.<br />

In den Naturschutzgebieten werden ohne Zweifel eine große<br />

Zahl von Tier- und Pflanzenarten mit einem hohen Anteil gefährdeter<br />

Arten geschützt und erhalten, wenn diese Gebiete<br />

gezielt nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt worden<br />

sind. Diese Voraussetzung wird leider nicht überall erfüllt;<br />

Naturschutzgebiete wurden oft eher aufgrund zufälliger<br />

und spontaner örtlicher In itiativen und weil keine entgegenstehenden<br />

Nutzungsinteressen bestanden, ausgewiesen.<br />

PLACHTER hat in seinem Vortrag anläßlich des Kolloquiums<br />

zoologische Untersuchungen vorgestellt, bei denen<br />

das Vorkommen gefährdeter Arten der Roten Listen in Naturschutzgebieten<br />

Schwerpunkt war. Einige Ergebnisse sollen<br />

hier vorgestellt werden:<br />

„ 1. ERZ (1981) belegt, daß durchschnittlich nur etwa ein<br />

Drittel der gefährdeten Brutvogelarten Nordwestdeutschlands<br />

überhaupt in dortigen Naturschutzgebieten<br />

vorkommen.<br />

2. 2. Von den etwa 30 Vorkommen des Großen Mausohrs<br />

(Myotis myotis) in Nordrhein-Westfalen befindet sich<br />

kein ei nziges in einem bestehenden Naturschutzgebiet;<br />

im gleichen Bundesland sind derzeit nur etwa 10 % der<br />

Vorkommen des Großen Brachvogels (Numenius arquata)<br />

in Naturschutzgebieten enthalten_"<br />

Aber auch wenn Sch utzgebiete nach besonderen Auswahlkriterien<br />

festgesetzt worden sind, ist dadurch noch nicht gewäh<br />

rleistet, daß die in ihnen enthaltenen Arten einen hinreichenden<br />

Schutz genießen.<br />

HAARMANN11) bemängelt, daß mehr oder weniger alle Naturschutzgebiete<br />

einem anthropogenen Einfluß unterliegen,<br />

sei es beispielsweise durch wirtschaftliche Nutzungen oder<br />

auch nur durch den Erholungsverkehr. Auch einseitige<br />

Schutzverordnungen, die nur auf bestimmte Schutzziele<br />

ausgerichtet sind, bewirken, daß diese Schutzziele nicht berührende<br />

Nutzungen weiter ausgeübt werden.<br />

Zu den wirtschaftlichen Nutzungen, die in Naturschutzgebieten<br />

ausgeführt werden, gehören<br />

Landwirtschaft:<br />

In Naturschutzgebieten befinden sich Ackerland, Fettwiesen,<br />

Obstkulturen mit Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenarten<br />

durch Bewirtschaftung, Düngung und Biozidanwendung.<br />

Fischerei:<br />

Zahlreiche Gewässer in Naturschutzgebieten werden normal<br />

bewirtschaftet, es finden auch Angelwettbewerbe statt;<br />

Fische werden eingesetzt, wobei häufig der Artenbestand<br />

verändert wird.<br />

Verkehr/Erschließung:<br />

Besonders in größeren Naturschutzgebieten „durchschneiden"<br />

Straßen und Wege für den Besucherverkehr, aber auch<br />

für die Land- und Forstw irtschaft, Lebensräume von Tierund<br />

Pflanzenarten.<br />

Freizeit und Erholung:<br />

Viele Naturschutzgebiete sind attraktive Anziehungspunkte<br />

nicht nur für die stille Erholung; auch Aktivitäten wie Baden,<br />

Bootssport, Klettern werden ausgeübt; die Anlage von Parkplätzen<br />

- oft auf Kosten der Naturschutzgebietsfläche -<br />

ist häufig zu beobachten; Tiere und Pflanzen werden durch<br />

die langen Aufenthalte, Lärm, Trampelpfade usw. geschädigt.<br />

Für viele Naturschutzgebiete gilt, daß die in den Schutzverordnungen<br />

festgelegten Reglementierungen nicht ausreichend<br />

sind und daß auf viele notwendige Maßnahmen,<br />

wie z. B. die Lenkung des Besucherverkehrs kaum Einfluß<br />

genommen werden kann. vorhandene Lenkungsmaßnahmen<br />

sind häufig im Interesse der Nutzer vorgenommen worden<br />

(z. B. Schranken an Wirtschaftswegen, Einzäunungen).<br />

Für die Mehrzahl der Naturschutzgebiete liegen keine Pflege-<br />

oder Gestaltungspläne vor, so daß ihr Zustand unbefriedigend<br />

ist. Mangels Mahd oder Beweidung wachsen beispielsweise<br />

viele offenzuhaltende Gebiete mit Strauchwerk<br />

zu; nur gelegentlich werden Pflegemaßnahmen durch freiwill<br />

ige Arbeit der Naturschutzverbände oder durch Behörden<br />

ausgeführt. Auch die Betreuung und Überwachung von<br />

Naturschutzgebieten fehlt häufig.<br />

Die Grenzziehungen von Naturschutzgebieten entsprechen<br />

häufig nicht den Anforderungen des <strong>Artenschutz</strong>es; so sind<br />

mehr als 50 % aller Naturschutzgebiete unter 20 ha groß,<br />

wobei häufig die Abgrenzung nicht ökologisch bestimmt ist,<br />

sondern aufgrund juristisch-administrativer Voraussetzungen<br />

vorgenommen wurde. Aus großflächigen Ökosystemen<br />

werden nicht selten nur Teile willkürlich als Naturschutzgebiet<br />

festgesetzt.<br />

Bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten müßten wesentlich<br />

stärker folgende Grundprinzipien des <strong>Artenschutz</strong>es<br />

berücksichtigt werden:<br />

1. Ein großes Naturschutzgebiet ist zur Sicherung von Lebensgemeinschaften<br />

besser als ein kleines oder mehrere<br />

k leine. Das große Areal kann das Ökosystem und damit<br />

mehr Arten im Gleichgewicht erhalten und es hat niedrigere<br />

Artenverluste.<br />

2. Entscheidet man sich für mehrere kleine Naturschutzgebiete,<br />

so läßt sich die Artenzahl der biotoptypischen Arten<br />

durch die Erhöhung der Einwanderungsrate steigern,<br />

und zwar durch sorgfältige nachbarschaftliche Anordnung<br />

der verstreuten Reservate und durch die Planung<br />

von „ Korridoren" oder „Trittsteinbiotopen" zwischen ihnen.<br />

Die Schutzkategorien Naturdenkmal und geschützter Landschaftsbestandtei<br />

l erweisen sich als hilfreich zum Schutz<br />

kleinerer Flächen und Objekte. Hiermit wird hauptsächlich<br />

ein Schutz bestimmter Arten oder Lebensstätten bewirkt,<br />

wie z. B. Laichgewässer, Altholzinseln, Horstplätze, Fledermausquartiere<br />

u. ä. Hinsichtlich der Wirksamkeit gelten<br />

z. T. die o. g. Gesichtspunkte.<br />

11) HAARMANN, Knut, 1983, Der aktuelle Zustand der Naturschutzgebiete<br />

in der Bundesrepublik Deutschland -<br />

eine vorläufige Übersicht. - Schriftenreihe des Deutschen<br />

<strong>Rat</strong>es für <strong>Landespflege</strong> H. 41 .<br />

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