Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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Tab. 4: In Mitteleuropa heimische,verwilderte oder kultivierte<br />
Pflanzen, deren Extrakte im Laborversuch krebshemmende<br />
Eigenschaften aufweisen. a) Originalautoren; b) Zusammenstellungen<br />
mit Angaben der Autoren.<br />
Euphorbia esula<br />
(Esels-Wolfsmilch)<br />
KUPCHAN et. al.1976a)<br />
Daphne mezereum KUPCHAN & BAXTER 1975 8 )<br />
(Seidelbast)<br />
Onopordum acanthium STICH ER 1976b)<br />
(Eselsdistel)<br />
Eupatorium cannabinum<br />
(Wasserdost)<br />
STICH ER 1976bl<br />
Cnicus benedictus STICH ER 1976b)<br />
(Benediktinerkraut)<br />
Lasertrilobum STICH ER 1976b)<br />
(Roßkümmel)<br />
Arnica montana STICH ER 1976b)<br />
(Berg-Wohlverleih)<br />
Colchicum autumnale<br />
(H erbstzeitlose)<br />
Acernegundo<br />
Eschen-Ahorn)<br />
Buxus sempervirens<br />
(Buchsbaum)<br />
Juglans nigra<br />
(Schwarznuß)<br />
Allium sativum<br />
(Knoblauch)<br />
LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977bl<br />
LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977bl<br />
LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977bl<br />
LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977bl<br />
LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977b)<br />
Muscari comosum LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977bl<br />
(Schopfige Traubenhyazinthe)<br />
Viscum album<br />
(Mistel)<br />
LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977bl<br />
Solanum dulcamara LEWIS & ELVIN-LEWIS 1977b)<br />
(Bittersüßer Nachtschatten)<br />
kung, Erprobung und anfängliche Nutzung auf der Basis ihrer<br />
natürlichen Vorkommen in Pflanzen. Das bekannteste<br />
Beispiel sind orale Konzeptionshemmer (die „ Pille"), welche<br />
noch heute in Entwicklungsländern aus Pflanzen der Gattung<br />
Dioscorea gewonnen werden (PRESCOTI - ALLEN<br />
1982).<br />
Die Zahl der Pflanzen, denen Heilkräfte zugesprochen werden,<br />
war nicht nur früher hoch, sondern ist es auch heute,<br />
wenn von den Katalogen von Arzneimittelfirmen ausgegangen<br />
wird, die wohl kaum unter dem Verdacht der Leichtgläubigkeit<br />
stehen. Nicht weniger als 272 Arten der West-Berliner<br />
Farn- und Blütenpflanzenflora, oder fast 20 % aller Arten<br />
gehören dazu. Unter ihnen sind 5 verschollen und 89<br />
(33 % der Heilpflanzen) mehr oder minder stark gefährdet<br />
oder selten (DAPPER 1983). Wird also gefragt, warum „ausgerechnet"<br />
dieses oder jenes unscheinbare Kraut erhalten<br />
werden soll, so ist zu antworten, daß es, statistisch gesehen,<br />
mit 20 % iger Wahrscheinlichkeit eine Heilpflanze ist,<br />
von sonstigem möglichen Nutzen abgesehen. Eine Wahrscheinlichkeit<br />
von 20 % mag zu gering sein, um Erhaltungsmaßnahmen<br />
zu rechtfertigen, wenn diese sehr teuer sind,<br />
sie reicht aber ohne Zweifel aus, wenn diese Maßnahmen<br />
(pro Person, oder relativ zum Bruttosozialprodukt usw.) geringe<br />
Kosten aufwerfen (vgl. hierzu den nächsten Abschnitt).<br />
Daß wilde Arten auf vielen anderen Gebieten Nutzen stiften,<br />
kann hier nur kurz erwähnt werden: Sie liefern wertvolle<br />
technische Materialien, wie Schmieröle, Energieträger und<br />
Baustoffe, wobei ihnen ihre Nützlichkeit zum Verhängnis<br />
werden kann, wie den zunehmend gef ährdeten <strong>Rat</strong>tanpal-<br />
men (Unterfarn. Lepidocaryoideae) (DRANSFIELD 1981). Sie<br />
sind Vorbilder für Konstruktionen (ob es ohne Vögel Flugzeuge<br />
gäbe?), sind billige Indikatoren f ür Umweltbelastungen<br />
(BICK & NEUMANN 1982, GUDERIAN & REIDL 1982)<br />
und vieles andere mehr.<br />
Eine systematische Zusammenstellung aller wildwachsenden<br />
Farn- und Blütenpflanzen mit klar erkennbarer Nützlichkeit<br />
liegt für die DDR vor (SCHLOSSER 1982). Danach fallen<br />
642 der 2119 einheimischen und fest eingebürgerten Arten<br />
oder 30,3 % in mindestens eine dieser Kategorien:<br />
- Stammformen von Kulturpflanzen<br />
- beständige Vorkommen verwilderter Kulturpflanzen<br />
- Populationsgemische zwischen Stammform und Kulturform<br />
- früher genutzte Wild· oder Kulturpflanzen in unserer hei·<br />
mischen Flora<br />
- autochthone Restbestockungen (Restpopulationen) von<br />
Forstpflanzen<br />
- nahe Verwandte unserer Kulturpflanzen<br />
- potentielle Kulturpflanzen<br />
- seit kurzem angebaute Wildarten<br />
- Pflanzenarten, die im Ausland Anbaubedeutung besitzen<br />
- Art- und Gattungsbastarde zwischen Stamm- und Kulturform<br />
(S. 49).<br />
Bei der Auswahl dieser „Genressourcen" wurden durchaus<br />
strenge Kriterien angelegt, es wurden z. B. keine Zierpflanzen<br />
aufgenommen, Giftpflanzen nur dann, wenn sie wichtige<br />
Arzneipflanzen sind. Hinzu kommt natürlich noch einmal<br />
eine große Anzahl von Nicht-Gefäßpflanzen, vor allem Pilze<br />
und Flechten. 23,3 % der aufgeführten 642 Arten sind in der<br />
DDR bestandsgefährdet.<br />
Diese beeindruckende Liste, deren Ergebnisse sich tendenziell<br />
auf die Bundesrepublik Deutschland und andere Länder<br />
übertragen lassen, erübrigt jeden Kommentar. Zweifel·<br />
los stiftet die Artenausrottung ko nkreten wirtschaftlichen<br />
Schaden. Abschließend soll noch auf einen menschenbezogenen<br />
Naturschutzgrund hingewiesen werden, der zwar oft<br />
am Rande genannt, aber kaum systematisch analysiert<br />
wird; wahrscheinlich wird er noch mehr unterschätzt als die<br />
anderen Gründe. Es handelt sich um die Bedeutung der Natur<br />
für psychisch-emotionelle Bedürfnisse des Menschen.<br />
Der Mensch hat sich jahrmillionenlang im Kontakt mit Tieren<br />
und Pflanzen - lebensnotwendigen und bedrohlichen<br />
- entwickelt, es wäre höchst sonderbar, wenn dies in seiner<br />
Psyche keine Spuren hinterlassen hätte. Denken wir nur<br />
an den Zusammenhang von Tiersymbo len und Macht, nicht<br />
nur in früheren Kulturen und im Mittelalter, sondern auch<br />
heute - in wie vielen Staaten der Erde prangen Löwen, Ad·<br />
ler und dergleichen Ober Behördeneingängen, auf Briefköpfen<br />
usw. Der Wappenvogel ziert jedes Geldstück, sein Verwandter,<br />
der Geier (biologisch natürlich zu Unrecht) viele<br />
Karikaturen, Pflanzen, Tiere und Landschaften sind Motive<br />
für alle Kunstrichtungen. Nicht nur romanische Kapitelle<br />
oder Watteaus Landschaften sind Ausdruck dafür, was<br />
Menschen innerlich beschäftigt, Comicfiguren und ihr Erfolg<br />
lassen mindestens ebenso tief blicken. Das erste, was<br />
Menschen in Höhlen malten, waren Tiere. Wer weiß, ob es<br />
überhaupt Musik gäbe, ob jemals eine Flöte gebaut worden<br />
wäre, wenn nicht Singvögel in der Umwelt des Menschen<br />
gelebt hätten.<br />
Wir können hier nur festhalten, daß die Meinung, Menschen<br />
würden sich an eine biologisch verarmte „Plastikwelt"<br />
schadlos anpassen (KRIEGER 1973), sehr fragwürdig ist. Sie<br />
widerspricht zu vielen einfachen Beobachtungen, die j eder-<br />
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