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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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scheidende Veränderungen dann auch in den Roten Listen<br />

ihren Niederschlag finden.<br />

Ebenso wichtig ist es, alle neuen und weitergehenden Er·<br />

kenntnisse in die Roten Listen einfließen zu lassen, um dieses<br />

Instrument des Naturschutzes fortlaufe.nd zu optimieren.<br />

Wünschenswert wäre es darüber hinaus, die Rote Liste<br />

mit möglichst vielen quantitativen Daten zu erhärten, da die<br />

Einstufungen zu einem guten Teil auf empirischen Erkenntnissen<br />

beruhen. Allerdings sind dieser „ Quantifizierung" in<br />

der Einstufung der Arten und letztlich auch der Entwicklung<br />

quantitativ ausgerichteter Bewertungskriterien enge Grenzen<br />

gesetzt, die in der Natur der Objekte liegen: Kriterien<br />

wie Bestandsentwicklung, Gefährdung, Größe und räumli·<br />

ehe Verteilung der ehedem und heute noch vorhandenen sowie<br />

der für das Überleben der Arten in einem Gebiet unabdingbar<br />

notwendigen Populationen und Biotope werden<br />

sich exakt wohl kaum jemals auch nur für eine einzige Art<br />

und niemals für alle Arten zusammen quantifizieren lassen.<br />

Eine andere mittelfristige Aufgabe der Fortschreibung der<br />

Roten Liste Ist es, weitere Artengruppen zu bearbeiten. Bisher<br />

wurden beispielsweise in der Bundesliste von den vielzelligen<br />

Tieren (Metazoen) rund 25 Prozent und von den<br />

Pflanzen rund 70 Prozent der einheimischen Arten auf ihren<br />

Erhaltungszustand hin untersucht. Freilich wird es für die<br />

Mehrzahl der jetzt noch nicht behandelten Taxa angesichts<br />

der ungenügenden Datenlage und mangels einer ausreichenden<br />

Anzahl kompetenter Experten auf Jahre hinaus<br />

nicht möglich sein, fundierte Rote Listen zu erarbeiten.<br />

3.2 Regionalisierung und biotopbezogene Aufbereitung der<br />

Roten Listen<br />

Unkommentierte Rote Listen enthalten keine unmittelbaren<br />

Hinweise auf Verbreitungslücken und -schwerpunkte oder<br />

auf Kern- und Randvorkommen der gefährdeten Arten im jeweiligen<br />

Bezugsgebiet. Damit geben sie nur allgemeine<br />

Wertvorstellungen bzw. einen gewichteten Gesamtoberblick<br />

Ober die gefährdeten und nicht gefährdeten Arten<br />

ohne speziellen Raumbezug.<br />

Regionale Abstufungen In der Gefährdung (z.B. die unterschiedliche<br />

Gefährdungsintensität der Wiesenlimikolen in<br />

Nord· und Süddeutschland) oder biogeographische Besonderheiten<br />

(wie etwa Vorkommen der Alpenspitzmaus in der<br />

Rhön oder von halophilen Pflanzen- und Käferarten an Bin·<br />

nensalzstellen) werden dann entweder gemittelt oder finden<br />

Oberhaupt keine Berücksichtigung. Ähnliches gilt z.B. bei<br />

der Roten Liste der Bundesrepublik für Unterschiede in der<br />

Gefährdungsintensität von Bundesland zu Bundesland.<br />

Für die praktische Naturschutzarbeit wäre es daher ausgesprochen<br />

zweckmäßig, wenn ein abgestimmtes System Roter<br />

Listen aufgebaut würde. Das heißt, wenn im Bundesgebiet<br />

neben der Bundesliste Rote Listen der Länder erstellt<br />

werden, die den regionalen Besonderheiten speziell Rechnung<br />

tragen (was vielfach bereits geschehen ist). Zumindest<br />

bei Flächenstaaten wäre überdies eine weitere Regionalisierung<br />

z.B. nach ökologisch begründeten Raum-Haupteinheiten<br />

zu prüfen. (Allerdings sind hierbei vielfältige Probleme<br />

zu erwarten, z.B. Schwierigkeiten, die Gebiete biogeographisch-ökologisch<br />

zutreffend abzugrenzen und zu gliedern,<br />

aber auch die notwendige Anzahl qualifizierter Mitarbeiter<br />

für ein solches Vorhaben zu gewinnen u.a.m.) Letztendlich<br />

ist es sogar wünschenswert, im Vorfeld von Landschaftsrahmenplänen<br />

spezielle Rote Listen für das ent sprechende<br />

Planungsgebiet zu erarbeiten, denen dann besonde·<br />

re praktische Bedeutung zukäme (SUKOPP & ELVERS 1982).<br />

Die überregionalen Roten Listen haben aber durchaus noch<br />

ihre Bedeutung, unter anderem auch, weil für eine verglei·<br />

chende Bewertung des Artenbestandes kleinerer Gebiete<br />

die Gefährdungssituation der einzelnen Taxa im Gesamtge-<br />

biet ein besonders gewichtiges ergänzendes Wertmerkmal<br />

ist.<br />

Doch sollte man selbst bei einer weitergehenden Regionalisierung<br />

stets die Stärken und Schwächen des Instruments<br />

Rote Liste für den jeweiligen Verwendungszweck richtig abschätzen:<br />

So wäre es sicherlich ein Mißverständnis, wenn<br />

beispielsweise bei raumrelevanten Planungen aus der Existenz<br />

der Roten Listen einzig der Schluß gezogen würde,<br />

ausschließlich gefährdete Arten seien schutzwürdig. zweifelsohne<br />

sind Sicherungs- und Entwicklungsmaßnahmen<br />

für bestandsbedrohte Arten besonders vordringlich. Es ist<br />

aber nicht ausreichend, bei solchen Planungen lediglich<br />

das Gefährdete besonders zu beachten. Vielmehr ist zusätzlich<br />

unbedingt auch der naturraumtyplschen und kulturhi·<br />

storisch gewachsenen Ausstattung der verschiedenen Regionen<br />

an nicht unmittelbar bestandsbedrohten Arten und<br />

Biotopen angemessen Rechnung zu tragen.<br />

Einen denkbaren Lösungsweg, um solche praktischen<br />

Schwierigkeiten zu meistern, stellt beispielsweise die Bil·<br />

dung von Leitartengruppen mit ökologischer Zeigerfunktion<br />

für die einzelnen Regionen dar, die sich aus gefährdeten,<br />

aber auch aus nicht gefährdeten, jedoch für die entsprechende<br />

Region und ihr Biotoppotential besonders typischen<br />

und aussagekräftigen Arten zusammensetzen.<br />

Solchermaßen konzipierte Artenkataloge sind sicherlich<br />

keine Roten Listen im strengen Sinn, haben jedoch den Vorteil,<br />

daß neben den regional sowie - soweit Oberhaupt vorhanden<br />

- landes- und bundesweit gefährdeten Arten auch<br />

wesentliche Teile des regionen- und naturraumtypischen<br />

Grundstocks der Fauna und Flora Berücksichtigung finden.<br />

Damit bieten sie vielseitigere Einsatzmöglichkeiten fü r die<br />

Landschaftsanalyse und -bewertung als rei ne Rote Listen.<br />

Unabhängig von einer Ausarbeitung solcher regionaler Roter<br />

Listen oder - noch besser - regionaler Leitartengrup- •<br />

pen sind jedoch auch die bereits seit längerem laufenden<br />

Aktivitäten fortzuführen, die Roten Listen des Bundes und<br />

der Länder für eine vergleichende Bewertung des Lebensstättenpotentials<br />

größerer Gebiete oder Oberhaupt für die<br />

Praxis des Biotop- und Ökosystemschutzes aufzubereiten<br />

und auszuwerten. Beispiele solcher Arbeiten sind für den<br />

vegetationskundlichen Bereich etwa die Bestimmung des<br />

Gefährdungsgrades der einheimischen Pflanzenformationen<br />

über den Anteil (absolut und prozentual) der verschollenen<br />

und gefährdeten Arten von Farn- und Blütenpflanzen<br />

am Gesamtartenbestand für die Bundesrepublik Deutsch·<br />

land (SUKOPP et al. 1978) und für einige Bundesländer oder<br />

die Entwicklung Roter Listen gefährdeter Pflanzengesellschaften<br />

(zunächst für ein Bundesland, DIERSSEN 1983).<br />

Auch für den faunistischen Bereich existieren einige Ansätze,<br />

die Schutzwürdigkeit von Gebieten (z. B. in Niedersachsen)<br />

anhand der Vorkommen gefährdeter Arten aus einer<br />

oder aus verschiedenen Artengruppen vergleichend zu bewerten,<br />

teilweise sogar mit ganz konkreten Wertzahlen zu<br />

belegen (z.B. BERNDT et al. 1978). Da bei solchen Verfahren<br />

aber ausschließlich Art- und keine Ökosystemkriterien berücksichtigt<br />

werden, was für den faunistischen Bereich<br />

ganz besonders problematisch ist, und derartig präzise gefaßte<br />

Wertzahlen für ganze Ökosysteme anhand nur weniger<br />

Ökosystemmerkmale der Vielfalt der natürlichen Er·<br />

schelnungen wohl kaum ausreichend gerecht werden, müs·<br />

sen diese Modelle sicherlich verfeinert und auf eine breitere<br />

Basis gestellt werden. Zudem ist es gerade dann, wenn nur<br />

einzelne Artengruppen fü r die Bewertung herangezogen<br />

werden, und sei es auch.eine relativ artenreiche Gruppe wie<br />

etwa die der Vögel, unverzichtbar, die vorgefundene Situation<br />

auch noch biologisch zutreffend zu interpretieren: So<br />

werden bei einer vergleichenden Gebiet sbewertung mit Hilfe<br />

der Vorkommen gefährdeter Vogelarten beispielsweise<br />

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