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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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mann machen kann; schon Kinder im Zoo liefern genügend<br />

Gegenargumente. Sind Fakten auf diesem Gebiet sehr<br />

schwer erforschbar, so sind sie deshalb nicht weniger<br />

„hart" als andere. Der <strong>Artenschutz</strong>grund „Emotionen des<br />

Menschen" ist vielleicht zu Unrecht ein zaghaftes Anhäng·<br />

sei unserer Argumentation, vielleicht handelt es sich hier<br />

sogar um die Hauptsache.<br />

4 Zur ökonomischen Bewertung des Aussterbens<br />

einzelner Arten<br />

Besteht an Tier- und Pflanzenarten ein ökonomisches Interesse,<br />

so werden ihre ökologischen Ansprüche und Probleme<br />

in der Regel auch von der Wirtschaftswissenschaft zur<br />

Kenntnis genommen. Dies ist seit langem der Fall in der<br />

Forstökonomik. Die mit der Ausrottungsgefahr zusammenhängenden<br />

Fragen werden jedoch besonders ausführlich an<br />

den Beispielen der Fischerei und des Walfanges diskutiert.<br />

Hier gelingt mitunter eine weitgehende interdisziplinäre<br />

Synthese von Ökologie und Ökonomie (z. B. CLARK, 1976).<br />

Ökonomische Arbeiten über gefährdete Pflanzen- und Tier·<br />

arten, die nicht genutzt werden, gibt es hingegen erst in geringer<br />

Zahl (AMACHER et al., 1972; BACHMURA, 1971 ; KRU­<br />

TILLA, 1957; MILLER, 1978; MYERS, 1976; TISDELL, 1983).<br />

Schon diese wenigen Arbeiten zeigen aber, daß Ausrottung<br />

oder Erhalt wilder Arten auch ökonomische Probleme sind.<br />

Sie sind es dann, wenn Ökonomie nicht nur die Beschäftigung<br />

mit Aktien, Tarifverträgen, Dollarkursen usw. ist, sondern<br />

wenn diese Wissenschaft in ihrem ursprünglichen Sin·<br />

ne verstanden wird, als Lehre vom rationalen Umgang mit<br />

knappen, wertvollen Ressourcen. Von einer solchen Theorie<br />

der rationalen Entscheidung wird man gerade erwarten kön·<br />

nen, daß sie bei der Suche nach Begründungen fü r den <strong>Artenschutz</strong><br />

weiterhilft und daß sie die Konsequenzen verschiedener<br />

Haltungen des Menschen zur Natur besser abzuschätzen<br />

gestattet.<br />

Besonders interessante Gedanken hierzu legt BISHOP<br />

' (1978) vor. Er knüpft an die grundlegenden Arbeiten von Cl­<br />

RIACY-WANTRUP aus dem Jahre 1952 an, welcher schon<br />

damals das Konzept des „Safe Minimum Standard" (SMS)<br />

entwickelte. Dieses Konzept geht davon aus, daß die Folgen<br />

irreversibler Verluste und damit auch der Ausrottung einer<br />

Art im voraus nicht zu ermitteln sind. Da sie aber im Einzelfall<br />

schwerwiegend sein können, gebe es keine andere vernünftige<br />

Strategie als die, irreversible Verluste grundsätzlich<br />

zu vermeiden, also alle Arten zu erhalten und dabei diejenigen,<br />

welche dem Menschen vielleicht nie einen konkreten<br />

Nutzen stiften werden, „mitzuschleppen". Die Kosten<br />

des Erhalts von hinreichend großen Minimalpopulationen<br />

sind hier als eine Versicherungsprämie aufzufassen, um<br />

möglichen großen Verlusten vorzubeugen. Man erkennt,<br />

welche weitreichenden (und der heutigen weltweiten Praxis<br />

völlig entgegenstehenden) Konsequenzen sich bereits aus<br />

dem fast banalen ökonomischen Konzept der Versicherung<br />

ableiten lassen.<br />

Während bei einer üblichen Versicherung die Risiken ver- .<br />

schiedener Subjekte gegeneinander gepoolt werden, handelt<br />

es sich beim „Safe Minimum Standard" um eine kollektive<br />

Sicherheitsstrategie der gesamten menschlichen Gesellschaft<br />

gegen die „Natur". BISHOP präzisiert dies an einem<br />

einfachen spieltheoretischen Modell (Abb. 8). In der<br />

Matrix bedeuten die Zeilen die beiden möglichen Strategien<br />

der Gesellschaft gegenüber einer Art: Ausrottung oder Erhalt.<br />

Die Spalten geben die Kosten wieder, die auftreten,<br />

wenn sich entweder die Art auch in Zukunft als nutzlos erweisen<br />

sollte, sie also „umsonst mitgeschleppt" wird, oder<br />

wenn die Art einmal Nutzen stiften wird. Entscheidet sich<br />

die Gesellschaft für die Ausrottung, so entstehen entweder<br />

Kosten von Null, wenn nämlich die Art nie nützlich werden<br />

wird, oder von Y, dem Nutzen, den sie hätte stiften können<br />

wenn man sie erhalten hätte. Bei der Erhaltungs-(SMS-)stra'.<br />

tegie sind für den Fall, daß die Art nie nützlich wird, die<br />

„überflüssigen" Erhaltungskosten als Verluste zu verbuchen,<br />

während bei einer künftigen Nutzbarmachung Kosten<br />

in Höhe von ~.- Y entstehen, welche positiv oder negativ<br />

sein können. Ubersteigt der künftige Nutzen Y die Erhaltungskosten<br />

X, so resultiert ein Nutzenüberschuß.<br />

Sind sowohl X als auch Y positiv, so ist der höchste denkbare<br />

Verlust bei der Ausrottung Y und beim Erhalt X. Die Erhaltungskosten<br />

X sind im Prinzip immer ermittelbar, wenn auch<br />

gegenwärtig ein sehr großes Informationsdefizit herrscht;<br />

die empirische Wirtschaftsforschung war hier mit weniger:i<br />

Ausnahmen (s. u.) untätig. Y können wir voraussetzungsgemäß<br />

nicht quantifizieren, müssen aber befürchten, daß es<br />

im Einzelfall (etwa, wenn in Arten unersetzliche Medikamente<br />

gefunden werden) X weit übersteigt und sollten daher bereit<br />

sein, Erhaltungskosten schon auf diesen Verdacht hin<br />

zu tragen.<br />

Befindet sich ein Subjekt in einer Situation der Ungewißheit<br />

- weiß es nur, welche Folgen seine Handlungen haben können,<br />

nicht aber, welche sie haben werden - so ist es nur<br />

dann zu rationalen (d. h. begründbaren) Entscheidungen fähig,<br />

wenn es eine Strategie besitzt. Ein Subjekt kann z. B. risikofreudig<br />

oder risikoscheu sein. Die Spieltheorie empfiehlt<br />

nun risikoscheuen Spielern in Situationen, bei denen<br />

. viel auf dem Spiel steht, die sog. „Maximin"-strategie zu<br />

wählen. Es ist diejenige, bei der der höchstmögliche Schaden,<br />

unabhängig von seiner Eintrittswahrscheinlichkeit, minimiert<br />

wird. Man sorgt für den schlechtesten Fall vor, auch<br />

wenn er nicht wahrscheinlich ist. Halten wir es nun bei jeder<br />

einzelnen Art, wenn auch nicht für wahrscheinlich, so doch<br />

für möglich, daß Y größer als X ist, so sind Erhaltungsstrategie<br />

(SMS) und Maximin-strategie identisch. Wer für den Artenerhalt<br />

eintritt, kann sich also auf eine elementare und<br />

weitgehend akzeptierte Regel der ökonomischen Entscheidungstheorie<br />

berufen.<br />

Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der künftige Nutzen von<br />

Arten ihren Erhaltungsaufwand übersteigt, ist um so größer,<br />

je niedriger der letztere ist. Daher besteht ein großes Bedürfnis<br />

nach Informationen darüber, welche volkswirtschaftlichen<br />

Kosten der <strong>Artenschutz</strong> überhaupt hervorruft. Solange<br />

es hier nur Vermutungen gibt, haben von einseitigen Interessen<br />

bestimmte Behauptungen (z. B., daß wir uns mehr <strong>Artenschutz</strong><br />

bei schlechter Wirtschaftslage gar nicht „leisten"<br />

könnten) ein leichtes Spiel. In einer anderen Arbeit zeigt<br />

BISHOP (1980) bei einer Reihe von Fallstudien, daß die Er·<br />

haltungskosten in Industrieländern tatsächlich nicht hoch<br />

sind, selbst in solchen Fällen, in denen das Gegentei l erwartet<br />

und von Interessenten auch behauptet wird. Er definiert<br />

sie als Summe der direkten Aufwendungen („Out-of-pocket<br />

costs", z. B. Zäune, Personalkosten usw.) und den Oppor·<br />

tunitätskosten, die darin bestehen, daß die Biotope der be·<br />

treffenden Arten nicht anderweitig genutzt werden können.<br />

In zwei Fällen, beim Kalifornischen Elch (Cervus elaphus<br />

nannodes) und einer Eidechse (Crotaphytus silus x wislenzii)<br />

haben sich die Erhaltungskosten als völlig unerheblich<br />

erwiesen. Der berühmte Konflikt um den Schnecken-Buntbarsch<br />

(Percina ti,rnasi), bei dem zur Debatte stand, ob der<br />

Art stiftet Art stiftet Höchstmögl.<br />

nie Nutzen Nutzen Verlust<br />

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