Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege
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Die obligatorischen Probiosen, also der Gesamtkomplex<br />
der interspezifischen Beziehungen mit gegenseitigem Vorteil,<br />
sind in bezug auf das Ausfallen einer der Partner:Arten<br />
für das Ökosystem anders zu beurteilen als die fakultativen<br />
Probiosen. Die obligatorischen Nahrungsbeziehungen, z.B.<br />
zwischen bestimmten Ameisen-Arten und Blattlaus-Arten<br />
oder zwischen Ameisen-Arten und Schildlaus-Arten oder<br />
zwischen Ameisen-Arten und Zikaden-Arten (der Farn. Membracidae)<br />
sind bei Ausfall der Partner-Art insgesamt besonders<br />
gefährdet. lockere, fakultative Beziehungen zwischen<br />
einzelnen Partnerarten sind dagegen - bei Ausfall von Arten<br />
- von geringeren ökosystemaren Auswirkungen ·gekennzeichnet.<br />
Während bei obligatorischen Probiosen demnach infolge<br />
des primären Ausfalls zunächst von einer Partner-Art anschließend<br />
auch die andere Art abstirbt, geschieht dies bei<br />
obligatorischen und spezialisierten Antibiosen (z.B. Beute<br />
Räuber-Beziehungen, Wirt-Parasit-Beziehungen) nur, wenn<br />
die Basisart, also z.B. die Beute-Art oder die Wirts-Art fortfällt,<br />
nicht umgekehrt.<br />
13 Folgen bei Störungen von Endosymbiose-Beziehungen<br />
zwischen Arten<br />
Besonders schwierig sind die Ursache-Wirkung-Beziehungen<br />
bei Ausfall von Arten in dem Komplex der Endosymbiose-Beziehungen<br />
zu ermitteln. Bei den Endosymbiosen lebt<br />
eine Partner-Art in der anderen Art eingeschlossen. Meist<br />
leistet dabei die endosymbiontisch eingeschlossene Partner-Art<br />
einen Dienst im Zusammenhang mit der Resorption<br />
von Nahrungsstoffen gegenüber der größeren Art. Alle Termiten-Arten<br />
haben beispielsweise in ihrem Darmsystem als<br />
Endosymbiose-Partner zum Aufschließen der Zellulose verschiedene<br />
Geißeltierchen (Flagellaten-Arten). Alle Schaben<br />
Arten (Blattoidea) haben Flagellaten-Arten als Endosymbio·<br />
se-Partner. Die Zikaden (Cicadina) und Schildläuse (Coccoidea)<br />
leben zusammen mit Bakterien oder Pilzen als Endosymbionten,<br />
die in spezifischen Geweben (Mycetomen) eingeschlossen<br />
sind. Dabei sind die Bakterien und die Pilzarten<br />
von existentieller Bedeutung für die weit über 10 000 Zikaden-<br />
und Schildlaus-Arten der Welt.<br />
Wir brauchen also auch einen <strong>Artenschutz</strong> für Bakterien, für<br />
Geißeltierchen (Flagellaten), für Wimpertierchen (Ciliata)<br />
und für symbiontische Pilze, um für zahlreiche gefährdete<br />
Wirbellosen-Arten, die in obligatorischer Partnerschaft mit<br />
den erstgenannten Organismengruppen leben, einen effektiven<br />
<strong>Artenschutz</strong> zu ermöglichen. Diese Forderung ist insbesondere<br />
im Zusammenhang mit der Ausbringung von Antibiotika<br />
in Schädlingsbekämpfungsmitteln bedeutsam.<br />
Des weiteren sind die spezialisierten Beziehungen zwischen<br />
holzverzehrenden (xylophagen) Käfern und zahlreichen<br />
anderen Arten, die absterbendes Holz verzehren, mit<br />
ihren endosymbiontischen Kleinorganismen für die Waldökosysteme<br />
wichtig. Diese Symbiosen sind so weitgehend<br />
spezialisiert, daß beispielsweise eine Klopfkäfer-Art (Farn.<br />
Anobiidae) bei den Weibchen entsprechende Strukturen<br />
zum Aufnehmen von Symbiose-Pilzen entwickelt hat, um die<br />
Symbionten beim Standortwechsel auch zur Verfügung zu<br />
haben und auf die nächste Generation übertragen zu können.<br />
Die Natur hat hier der Gefahr der Isolation von Partner<br />
Arten durch Entwicklung bestimmter Verhaltensweisen und<br />
Strukturen entgegengewirkt.<br />
Blutegel (Arten der Farn. Hirudinidae) benötigen für die Konservierung<br />
ihrer Blutnahrung in den Darmdivertikeln die Gegenwart<br />
der Bakterienart Pseudomonas hirudini. Diese Bakterienart<br />
sondert Antibiotika im Darm ab und verhindert dadurch<br />
die schnelle Zersetzung der Blutnahrung der Egel<br />
durch andere Bakterien und Pilze im Darm. Pseudomonas<br />
verringert also die Konkurrenz in bezug auf die Nahrungsverwertung<br />
zugunsten der Wirtsart „Blutegel".<br />
Nesseltiere (Cnidaria) und Schwämme (Porifera) sind in<br />
zahlreichen Fällen auf das Zusammenleben mit bestimmten<br />
Algenarten angewiesen. Die Wiederkäuer (Ruminantia) unter<br />
den Säugetieren hängen von der Aufschließung der<br />
pflanzlichen Nahrung von zahlreichen Bakterien-Formen<br />
und Ciliaten-Arten in ihrem Magenbereich ab. Dasselbe gilt<br />
in bestimmten Darmabschnitten (Blinddarm-Bereich) für die<br />
meisten Nagetiere (Rodentia). Für diese genannten Endosymbionten-Arten<br />
gelten die negativen Auswirkungen von<br />
Antibiotika in Pestiziden in gleicher Weise.<br />
14 Folgen des Artenausfalls im ästhetischen und<br />
ökonomischen Bereich<br />
Die Situation der <strong>Artenschutz</strong>-Argumentation entwickelt<br />
sich oft etwas anders als bei schnellem gedanklichen An·<br />
satz zunächst vermutet. Für manche bereits öffentlich akzeptierten<br />
wichtigsten <strong>Artenschutz</strong>-Projekte lassen sich oft<br />
nur geringe ökologische oder ökosystemare Begründungen<br />
finden, z.B. für Apollo-Falter und Gottesanbeterin. Bei die·<br />
sen Arten wird oft das Argument der „Seltenheit" verwen·<br />
det, für den Schutz von Wirbellosen-Arten auch das Argu·<br />
ment der „Größe" und „Schönheit" als psychologischer Be·<br />
zug zum Menschen. Es mag als Grund für den Schutz auch<br />
die Gefährdung durch Einzelaufsammlung hinzu kommen.<br />
Möglicherweise müssen für den zukünftigen <strong>Artenschutz</strong><br />
noch mehr ästhetische Bezugspunkte in den Vordergrund<br />
gestellt werden. Hier wären die Folgen nach dem Ausfalleiner<br />
Tierart im Hinblick auf die ästhetischen Verluste, die der<br />
Mensch in seinem Erlebnisbereich durch eine artenarme<br />
Natur erleidet, herauszustellen.<br />
14. 1 Ökonomische Folgen des Artenausfalls im einzelnen<br />
Die unmittelbaren ökonomischen Folgen des Artenausfalls<br />
werden deutlich, wenn man der Vorstellung folgt, die positi·<br />
ven Leistungen von Tierarten für den Menschen könnten ei- ·<br />
nes Tages auf Null gehen. In diesem Zusammenhang ist die<br />
große Bedeutung vieler Tierarten für die biologische Schäd·<br />
lingsbekämpfung, für die Anwendung integrierter Pflanzenbaumethoden,<br />
für die Bestäubung von Nutz· und Zierpflanzen<br />
u.a. zu nennen. In jedem dieser Fälle würde der Ausfall<br />
der entsprechenden Tierart die direkten und indirekten Lei·<br />
stu ngen, die diese Tier-Arten für den Menschen erbringen,<br />
entsprechend reduzieren. Hier muß auch auf die Bedeutung<br />
der zahlreichen wildlebenden, nicht als Haustiere gehaltenen<br />
Tierarten für die menschliche Ernährung hingewiesen<br />
werden. Dazu gehören die weltweit sehr viel mehr als 1000<br />
als Eiweiß-Lieferanten genutzten Fischarten und die in ähn·<br />
licher Weise durch den Menschen genutzten weit über 100<br />
Groß-Krebsarten, die ebenso vielen Muschel· und Schnek·<br />
ken· sowie Tintenfischarten, die menschlicher Ernährung<br />
dienen. Diese marinen Tierarten haben in manchen Teilen<br />
der Welt eine zentrale Bedeutung für die Versorgung der einheimischen<br />
Bevölkerung mit tierischem Eiweiß.<br />
Bei Ausfall von Blütenbestäubern aus der Gruppe der lnsek·<br />
ten würden zahlreiche Kulturpflanzen über die Methode der<br />
Samenzucht nicht mehr ohne künstliche Bestäubung vermehrbar<br />
sein, wie z.B. Erbsen, Bohnen, viele andere Gemü·<br />
se-Arten und Klee-Arten.<br />
Ohne regulative Effekte innerhalb der Ökosysteme gegen·<br />
Ober phytophagen Insekten durch mehrere Tausend zoopha·<br />
ge Tierarten würden die Waldökosysteme und Grünland<br />
Ökosysteme in Mitteleuropa nicht mehr stabil reguliert werden<br />
können. Der Stoffkreislauf, durch den die Baumarten in·<br />
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