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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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ein Ökosystem, etwa bei Ausfall der Libellen in einem Kleln·<br />

gewässer.<br />

4 Folgen bei Ausfall von Spitzen-Arten der<br />

Nahrungspyramide<br />

In der Regel dürften die „Spitzen-Arten" der Nahrungsnetze<br />

oder Nahrungs-Pyramiden in den Ökosystemen - die Spit·<br />

zenarten sind heute am meisten gefährdet - für das Funk·<br />

tionieren dieser Systeme am wenigsten gebraucht werden.<br />

Es wird beispielsweise für das Funktionieren eines Seen·<br />

Ökosystems die Existenz eines Seeadler-Paares oder einer<br />

Gänsesäger-Population oder einer Fischotter-Population<br />

usw. nicht unbedingt benötigt. Sicher wird auch für das<br />

Funktionieren eines Sumpfbiotopes die Anwesenheit eines<br />

Kranich-Paares oder einer Brachvogel-Population oder auch<br />

einer Laufkäfer-Population der gefährdeten Art Carabus cla·<br />

thratus nicht unbedingt benötigt. Sicher wird für die Exi·<br />

stenz eines Dünenbiotops eine Kreuzkröten-Population oder<br />

eine Population der Zauneidechse nicht benötigt. Trotzdem<br />

stehen gerade diese Arten im Mittelpunkt des Artenschut·<br />

zes. Wir haben vorrangig für die sog. „ Spitzen-Arten'.' in<br />

Ökosystemen vielfältige <strong>Artenschutz</strong>-Hilfsprogramme ent·<br />

wickelt. Die Spitzen-Arten in Ökosystemen sind meist groß<br />

und auffällig, sind selten und zugleich weithin bekannt. Der<br />

Ausfall von Spitzen-Arten wird in der Regel als „Signal", als<br />

„ Indikation", für die Gefährdung eines Biotopes angesehen.<br />

Sinnvoll ist der Schutz dieser Spitzen-Arten besonders<br />

dann, wenn dabei Biotopschutz-Strategien für das gesamte<br />

Ökosystem praktiziert werden, so daß der Biotopschutz<br />

auch für andere gefährdete Arten beim Schutz für eine einzelne<br />

Großtierart „abfällt".<br />

Wenn es nicht gelingt, die großen Arten am Ende der Nahrungsketten<br />

und an der Spitze der Nahrungsnetze zu schüt·<br />

zen, dann ist dies oft ein Anhaltspunkt dafür, daß der Schutz<br />

der kleineren Arten, der weniger sichtbaren Arten am Anfangsbereich<br />

der Nahrungsketten oder in den unteren Berel·<br />

chen der Nahrungs-Pyramiden ebenfalls nicht funktioniert.<br />

5 Folgen des Ausfalls gesamter Funktionsgruppen der<br />

Fauna<br />

Mit Sicherheit wirken sich Ausfälle von gesamten Funk·<br />

tionsgruppen, also von mehreren Arten desselben Lebens·<br />

formtyps in spezialisierten Nahrungsnetzen, beispielsweise<br />

zwischen Pflanzenarten und pflanzenverzehrenden (phytophagen)<br />

Tieren oder zwischen Blütenpflanzen und blütenbe·<br />

stäubenden Insekten ökosystemar stark aus. Das gilt auch<br />

für die Funktionsgruppen (Lebensformtypen) des Bezugssystems<br />

zwischen den Detritus verbrauchenden Pilzarten ei·<br />

nerseits und den pilzverzehrenden Tier-Populationen andererseits.<br />

Das gilt für das Bezugssystem zwischen Tierparasiten<br />

einerseits und ihren Wirtstierarten andererseits. Hierbei<br />

sind durch Ausfall von Funktionsgruppen die Beziehungen<br />

zwischen Produzenten und Konsumenten, zwischen Destruenten<br />

und Konsumenten, zwischen Kon sumenten und<br />

Parasiten oder zwischen Konsumenten 1. Grades und Kon·<br />

sumenten 2. Grades, also die Beziehungen in den mittleren<br />

Bereichen eines Nahrungsnetzes, besonders betroffen.<br />

Maßnahmen erhalten werden sollen, so steht diesem Ziel<br />

die Konkurrenz Im Nahrungsnetz - nämlich die zwischen<br />

Kormoran und Fischnutzung durch den Menschen - entgegen.<br />

Wir können bei Ausschluß der Kormorane - als einem<br />

Teil der Seen-Lebensgemeinschaft - kein Argument in dem<br />

Sinn anführen, daß der See ohne Kormorane Schaden neh·<br />

men würde. Ökologisch gesehen werden umgekehrt die<br />

Fische nicht entscheidend durch Kormorane in ihren Be·<br />

ständen reguliert, denn Fische haben andere Regulations·<br />

prinzipien in einem naturnahen aquatischen Ökosystem.<br />

Die Fische können also für die Erhaltung ihres Bestandes<br />

auf den Kormoran verzichten, aber der Kormoran kann nicht<br />

auf die Fische verzichten. Das bedeutet: wenn mit den<br />

Fischen im Zentrum des Nahrungsnetzes eines Sees etwas<br />

geschieht, dann hat dies Folgen für die in der Nahrungsket·<br />

te angeschlossene Kormoran-Population. Aber das Ausfal·<br />

Jen einer Kormoran-Population ist für das Funktionieren des<br />

See-Ökosystems keineswegs entscheidend.<br />

Obwohl also die Erhaltung der Kormorane unter dem Gesichtspunkt<br />

des Seen-Schutzes nicht wichtig ist, muß der<br />

Naturschutz die angesiedelten Kormoran-Populationen fördern.<br />

Der Grund dafür liegt darin, daß sich der Naturschutz<br />

in seinem Ansatz auf die Erhaltung der Ganzheit der Nah·<br />

rungsnetze beziehen muß und nicht darauf abstellen darf,<br />

ob ökologische Auswirkungen für das Ökosystem bei Ausfall<br />

einer einzelnen Art - ob sie bereits gesetzlich ge·<br />

schützt Ist oder nicht - entstehen oder nicht.<br />

7 Ausfall von Indikator-Arten<br />

Wichtig für den <strong>Artenschutz</strong> der Spitzen-Arten in Nahrungspyramiden<br />

ist das Argument der Funktion als „Bioindikato·<br />

ren". Vielfach bieten diese Arten durch ihre Anwesenheit<br />

oder Ihr Fehlen die Möglichkeit des Erkennens von Minde·<br />

rungen der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen/Biotopen.<br />

Wenn wir beispielsweise bemerken, daß in einem ursprünglich<br />

von Rotbauch-Unken besetzten Biotop nunmehr die Unken-Population<br />

nicht mehr existiert, können wir daraus zwar<br />

nicht herleiten, daß infolge des Ausfalls dieser Kröten-Po·<br />

pu lation das Ökosystem „Tümpel" zerstört würde. Aber es<br />

läßt sich aussagen, daß im Ökosystem „ Tümpel" oder in<br />

den angrenzenden Biotopen wahrscheinlich eine Störung<br />

im Faktorengefüge eingetreten ist. Möglicherweise hat eine<br />

„ordnungsgemäße" Landwirtschaft das zunächst noch<br />

„ordnungsmäßig" ablaufende Tümpel-Ökosystem so weit<br />

verändert, daß die Population der Unken dort nicht mehr exi·<br />

stenzfähig ist. Vielleicht ist das Biomedium „Wasser" in be·<br />

zug auf einen chemischen Faktor verändert worden. Viel·<br />

leicht fehlt auch der Verbund des Tümpels mit einem geeigneten<br />

terrestrischen Biotop als Pufferzone.<br />

Die Nichtexistenz einer Unken-Population in einem an sich<br />

für diese Art geeigneten Biotop stellt also einen Teilkorn·<br />

plex in der Gesamtdiskussion des <strong>Artenschutz</strong>es dar - bezogen<br />

auf den Naturhaushalt. Wir brauchen Bioindikatoren<br />

im Naturhaushalt - auch wenn diese Arten in anderen<br />

Funktionen in den Ökosystemen selbst nicht als „ Schlüs·<br />

selarten" auftreten und infolgedessen aufgrund ihres Feh·<br />

lens keine großen ökosystemaren Folgen bemerkbar sind.<br />

6 Einseitig begrenzte Folgen von Artenausfall<br />

Der Ausfall bestimmter Arten hat vielfach nur einseitige Folgen,<br />

also für die betreffende Art selbst und nicht unbedingt<br />

für andere. Wenn sich beispielsweise Kormorane als Endverbraucher<br />

im Nahrungsnetz der Seen-Ökosysteme in einer<br />

Brutpopulation von 500 Paaren wieder in Schleswig-Holstein<br />

ansiedeln und dann auch mit Hilfe von <strong>Artenschutz</strong>·<br />

8 Typen „seltener" und „häufiger" Arten<br />

Es lassen sich folgende Typen seltener und häufiger Arten<br />

unterscheiden:<br />

a) Von „Natur aus" - also genetisch fixiert - „seltene",<br />

also „primär-seltene" Arten; sie treten niemals in größe·<br />

rer Besiedlungsdichte in einem Biotop auf, auch nicht in<br />

völlig ungestörten und natürlichen Lebensräumen.<br />

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