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Warum Artenschutz? - Deutscher Rat für Landespflege

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Pflegeeingriffe immer zeitlich gestaffelt und jeweils nur in<br />

bestimmten Teilen (maximal 50 %) des Lebensraumes<br />

durchgeführt werden.<br />

Die Neuanlage von Biotopen dient der Vervollständigung eines<br />

Biotopverbundsystems. So lassen sich beispielsweise<br />

bestimmte halbnatürliche Biotope (wirtschaftsbedingte<br />

Waldtypen, Hecken, Sandheiden, Stillgewässer, Grünlandflächen)<br />

teilweise wieder·herstellen. Als Ersatz für fehlende<br />

Biotopelemente der natürlichen Fließwässer wie auch der<br />

Trockenhänge und Felsspaltengesellschaften lassen sich<br />

in Trocken- und NaBabgrabungen für den <strong>Artenschutz</strong> wichtige<br />

neue Biotope schaffen, die dem Vogel-, Amphibien-,<br />

Reptilien- und Insektenschutz sowie dem Schutz xerothermer<br />

Pflanzenarten dienen.<br />

Bei der Neuanlage von Biotopen ist zu berücksichtigen, daß<br />

nur solche Strukturen geschaffen werden, die im entsprechenden<br />

Gebiet auch natürlicherweise oder durch historische<br />

Nutzungsformen bedingt vorkommen oder vorkamen.<br />

Es sollten immer möglichst viele Arten oder Artengruppen<br />

gefördert werden; die Gebiete sollten in der Regel der natürlichen<br />

Entwicklung überlassen werden, abgesehen vielleicht<br />

von Gehölzpflanzungen der für das Gebiet geltenden<br />

natürlichen potentiellen Vegetation.<br />

Die Neuschaffung bestimmter heute extrem seltener halbnatürlicher<br />

Biotope, wie z. B. Halbtrockenrasen, muß als unrealistisch<br />

angesehen werden, da die Wirtschaftsformen,<br />

die zu diesen Biotopen geführt haben (Schafbeweidung)<br />

heute nicht mehr angewandt werden, und heutige Pflegemöglichkeiten<br />

das gewünschte Ziel nicht hervorbringen.<br />

Ebenfalls keinen Ersatz gibt es für Biotoptype"n wie Hochmoore,<br />

deren Entstehung mehr als 1000 Jahre dauert, urwaldähnliche<br />

Waldbestände oder das Wattenmeer sowie<br />

natürliche Quellbereiche und Gebirgsbäche. Die Möglichkeiten<br />

der Biotopneuschaffung sind also begrenzt. Daher<br />

hat die Erhaltung bestehender Biotope immer Vorrang vor<br />

der Neuschaffung. Das gilt auch für ggf. notwendige Neupflanzungen<br />

von Hecken in Flurbereinigungsverfahren als<br />

Ersatz für die beseitigten Gehölzstreifen oder auch für die<br />

Anlage von Kleingewässern oder Heideflächen.<br />

Die gesamte Bedeutung des gestaltenden Naturschutzes<br />

für den <strong>Artenschutz</strong> ist z. Z. noch ungenügend bekannt. Deshalb<br />

sollten sowohl bei geplanten Pflegemaßnahmen als<br />

auch bei Biotopgestaltungen z. B. anhand von Probeflächen<br />

die Bestände möglichst vieler Tier- und Pflanzenarten vor<br />

und nach der Maßnahme erfaßt werden. Diese langfristigen<br />

Untersuchungen ermöglichen dann gesicherte Aussagen<br />

über den Erfolg der einzelnen Maßnahmen.<br />

4.6 Wiedereinbürgerung<br />

Von Fachleuten, zum Teil aber auch von Praktikern des Naturschutzes,<br />

wird diese Methode im Bereich des botanischen<br />

und zoologischen <strong>Artenschutz</strong>es unterschiedlich beurteilt:<br />

während Botaniker der Problematik der Wiederausbringung<br />

von Pflanzen eher ablehnend gegenüberstehen,<br />

bemühen sich die Zoologen, die bereits laufenden Aktivitäten<br />

zu koordinieren bzw. ihre Erfolgsaussichten durch wissenschaftliche<br />

Untermauerung zu steigern. Aus diesem<br />

Grund wird nachstehend lediglich zur Problematik der Wiedereinbürgerung7l<br />

von Tierarten Stellung genommen; hier<br />

unterscheidet man zwei Gruppen:<br />

a) Aussetzung von Tieren, die in großen Teilen bzw. in der<br />

gesamten Bundesrepublik Deutschland ausgestorben<br />

sind, anderenorts aber noch größere bzw. nennenswerte<br />

Bestände aufweisen, und<br />

b) Aussetzung von Tieren, die weltweit in freier Natur bereits<br />

ausgestorben sind bzw. deren Restbestände vom<br />

Aussterben bedroht sind.<br />

Im erstgenannten Bereich wurden in der Bundesrepublik<br />

Deutschland in den letzten 20-30 Jahren zahlreiche Aktivitäten<br />

unternommen. Die wichtigsten davon betreffen nachfolgende<br />

Tierarten: Biber, Luchs, Alpensteinbock, Alpenmurmeltier,<br />

Graugans, Wanderfalke, Uhu, Sperlingskauz,<br />

Birkhuhn, Auerhuhn, Europäische Sumpfschildkröte, Kleine<br />

Waldameise und Rote Waldameise. Biber, Luchs und Alpensteinbock<br />

sind in früherer Zeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik<br />

ausgerottet und erst mit Hilfe der Wiedereinbürgerung<br />

erneut in die einheim.ische Fauna integriert worden.<br />

Die einheimische Biberpopulation lebt heutzutage verstreut<br />

an etwa zehn Stellen mit gut 100 Tieren.<br />

Aufgrund der vorliegenden Erfahrungen, Fehler und Mißerfolge<br />

wurden für die weitere Wiedereinbürgerungs-Tätigkeit<br />

Empfehlungen ausgearbeitet8), welche u. a. die Beachtung<br />

nachfolgender Gesichtspunkte zur Bedingung einer Wiedereinbürgerung<br />

machen:<br />

- Der Aussetzung soll eine Untersuchung der Ursachen<br />

des Aussterbens bzw. des Rückgangs der betreffenden<br />

Art vorausgehen.<br />

- Eine sorgfältige Auswahl optimaler Aussetzungsplätze<br />

einschließlich der Beseitigung der Gefährdungsursachen<br />

und der Durchführung gezielter Pflege- oder Gestaltungsmaßnahmen<br />

muß noch vor der Aussetzung der Tiere<br />

durchgeführt werden.<br />

- Zur Aussetzung sollen nur Tiere gelangen, die taxonomisch<br />

und ökologisch der ehemaligen Population möglichst<br />

ähnlich sind.<br />

- Bei der Durchführung der Aussetzungsaktionen muß dafür<br />

Sorge getragen werden, daß:<br />

a) durch entsprechende Vorbereitung die Eingewöhnung<br />

der Tiere in den neuen Lebensraum erleichtert wird,<br />

b) ihre natürlichen Verhaltensweisen zur Entfaltung<br />

kommen könne,<br />

c) eine Vermehrung sichergestellt werden kann.<br />

- Eine fortlaufende Betreuung und Überwachung der ausgesetzten<br />

Tiere bis zum Zeitpunkt ihrer Integration in die<br />

örtliche Biozönose muß gewährleistet sein.<br />

Somit besteht das Ziel einer Wiedereinbürgerung in der<br />

Schaffung eines freilebenden Bestandes, der alle wichtigen<br />

ökologischen, ethologischen und taxonomischen Eigenschaften<br />

der heimischen Wildpopulation aufweist. Der Bestand<br />

soll in die Lage versetzt werden, sich ohne weitere<br />

Aussetzungen oder ständige Zusatzmaßnahmen des Menschen<br />

(wie z. B. Fütterung, Verminderung von natürlichen<br />

Feinden) langfristig im Gebiet zu halten.<br />

Bei der Wiedereinbürgerung von weltweit in der Natur ausgestorbenen<br />

Arten hat sich auch der deutsche Naturschutz<br />

bei der Rettungsaktion des Wisents verdient gemacht. Mehrere<br />

ähnlichen Projekte werden auch heute in verschiedenen<br />

Regionen der Welt, einige auch mit deutscher Beteiligung,<br />

durchgeführt. Leider spielen heutzutage häufig auch<br />

andere - dem <strong>Artenschutz</strong> fremde - Motive eine Rolle bei<br />

der Beteiligung an solchen Projekten (Tierhandel einschl.<br />

Falknerei).<br />

Eine Wiedereinbürgerung weltweit vom Aussterben bedrohter<br />

Arten kann nur unter der Bedingung befürwortet werden,<br />

7) Am Rande ist zu bemerken, daß der Naturschutz jegliche<br />

Aussetzungen fremder Tierarten ablehnt, und deshalb<br />

die Problematik der Einbürgerung hier nicht behandelt<br />

wird.<br />

8) NOWAK, Eugeniusz, 1982, Wiedereinbürgerungen von<br />

Tieren - Bericht über ein Kolloquium und dessen Ergebnisse<br />

- Natur und Landschaft, 57, H. 1.<br />

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