Monitoring und Beurteilung <strong>des</strong> MaPaDro Phase 4Die wichtigsten EmpfehlungenWir empfehlen:•die Arbeiten, die sich mit der Qualität der ambulantenBehandlungen (Methadon und Buprenorphin) befassen,mit Hilfe eines Rahmenprogramms fortzusetzen;•die Übertragung der Erkenntnisse aus der HeGeBe aufden Methadonbereich zu fördern;•die kontrollierte Entwicklung der ärztlichen Verschreibungvon Heroin weiterzuführen;•die Situation im stationären Sektor zu evaluieren, insbesonderebei der Einführung von QuaTheDA und FiSu;•die Koordination zwischen den verschiedenen Behandlungssektorenzu fördern;• Empfehlung für den Bereich <strong>des</strong> Strafvollzugs: sieheBereich Schadenminderung.SchadenminderungDas Konzept der Schadenminderung beruht auf derFeststellung, dass abhängige Drogenkonsumierendedauerhaft unfähig sein können, eine Therapie zu beginnen,mit der eine Abstinenz angestrebt wird. In dieserPhase geht es darum, ihren Gesundheitszustand undihre soziale Integration zu bewahren. Dies erfolgt mitder Entwicklung eines sozialen und gesundheitlichenDienstleistungsangebots, mit dem die Risiken von Todund Krankheit gemindert werden können und einZugang zu annehmbaren Lebensbedingungen (Arbeitund Wohnen) geschaffen wird.Allgemeine Situation in der SchweizZu den Besonderheiten der Schadenminderung gehört,dass sie meist auf lokaler Ebene lanciert und umgesetztwird. Dies zeigt sich daran, dass die grossen DeutschschweizerStädte die verschiedenen Massnahmen in diesemBereich als erste umsetzten und die Kantone erstspäter folgten. Noch immer lässt sich feststellen, dass amhäufigsten Stadtbehörden und Stadtparlamente über solcheMassnahmen entscheiden. So erarbeiteten Exekutiveund Legislative der Städte in der Periode 1991-2000 fastdoppelt so viele Beschlüsse und Stellungnahmen <strong>zur</strong>Schadenminderung wie die entsprechenden kantonalenBehörden 1 . Im Zentrum der lokalen Debatten und Auseinandersetzungensteht somit oft die Einführung vonMassnahmen <strong>zur</strong> Schadenminderung in bestimmtenWohnvierteln 30 .Der Bund beteiligt sich hingegen an der Entwicklung vonInterventionen in diesem Bereich, indem er das Konzept<strong>zur</strong> Schadenminderung institutionalisiert und Städte undKantone beim Aufbau ihrer Projekte unterstützt.BedürfnisseDie Personen, die Massnahmen <strong>zur</strong> Schadenminderungbenötigen, sind in erster Linie die Heroin- undKokainkonsumierenden. Diese werden in der Schweizauf etwa 28’000-30’000 geschätzt. Die Untergruppeder drogeninjizierenden und der am stärksten marginalisiertenPersonen ist die Bevölkerungsgruppe mit demgrössten Bedarf.Umfragen bei den Drogenkonsumierenden, welche sichin den niederschwelligen Einrichtungen aufhalten cc ,ermöglichen Aufschlüsse über die Situation und somit dieBedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe. Der Anteil derPersonen, welche kürzlich – also in den letzten sechsMonaten – eine gebrauchte Spritze oder Nadel benutzthaben, ist recht tief und liegt bei knapp 10%, wobei dieserAnteil in den letzten Jahren leicht zugenommen hat(1994: 9%, 1996: 11%, 2000: 12%). Die Mitbenutzungvon Injektionsmaterial (Löffel, Wasser, Filter) kommt vielhäufiger vor und könnte die hohe Infektionsrate beimHepatitis-C-Virus (HCV) erklären. So gaben 40% derbefragten Benutzer der niederschwelligen Einrichtungenim Jahr 2000 ein positives Testergebnis für Hepatitis Bund 59% für Hepatitis C an. Die berichtete HIV-Prävalenzist stabil (10% im Jahr 1993, 11% im Jahr 2000). In diesemZusammenhang hat ein im Jahr 2001 31 durchgeführterinternationaler Vergleich gezeigt, dass die HIV-Prävalenzrate in der Schweiz etwa gleich hoch(Deutschland) oder tiefer (Frankreich, Italien) ist als diejenigeder Nachbarländer. Aus dem Vergleich geht auchhervor, dass das Risikoverhalten bei den Drogeninjizierenden(Mitbenutzung von Spritzen) allgemein abnimmt, miteiner momentan leicht tieferen Prävalenz in der Schweiz.cc Einrichtungen dieser Art geben Spritzen ab. Dazu gehören insbesonderesämtliche Einrichtungen in der Schweiz, die über einen Injektionsraumverfügen.85
Monitoring und Beurteilung <strong>des</strong> MaPaDro Phase 4Die soziale Situation der in den niederschwelligen Einrichtungenbefragten Konsumierenden ist prekär. JederZehnte hat keinen festen Wohnsitz und die Zahl derjenigenPersonen, die arbeitslos sind und Geld von einerVersicherung oder Sozialhilfe beziehen, ist im Zunehmenbegriffen. Die meisten Benutzer waren schon einmalinhaftiert.Angebot/MittelEnde 2000 beteiligten sich 28 niederschwellige Einrichtungenan einem nationalen Monitoring <strong>zur</strong> Abgabe vonInjektionsmaterial. Die Einrichtungen befanden sich in elfKantonen dd , die meisten davon in der Deutschschweiz.Im Tessin gab es überhaupt keine derartige Einrichtung.Im Jahr 2002 verfügten dreizehn niederschwelligeEinrichtungen über einen Injektionsraum ee . Ausserdembeabsichtigt die Stadt Lausanne (VD), demnächst einensolchen Raum <strong>zur</strong> Verfügung zu stellen.Nach Spitzenwerten in den Jahren 1993 und 1994 gingdie Spritzenabgabe in den niederschwelligen Einrichtungenim Jahr 1995 stark <strong>zur</strong>ück, nämlich von etwa6’400’000 Spritzen im Jahr 1993 auf etwa 3’000’000 imJahr 1995. Dieser Rückgang wurde auf die Schliessungder offenen Drogenszenen und die zahlreichen Aufnahmenvon Substitutionsbehandlungen mit Methadon undanschliessend mit Heroin <strong>zur</strong>ückgeführt. In der Folgestieg die Menge abgegebener Spritzen bis 1998 (etwa4’100’000) stetig an. Im Jahr 2000 ging diese Zahl leichtauf rund 3’500’000 Spritzen <strong>zur</strong>ück.In fünfzehn Kantonen stellen die Apotheken die wichtigsteVersorgungsquelle für die Spritzen dar. Verglichen mitden Kantonen, die über niederschwellige Einrichtungenverfügen, ist die <strong>zur</strong> Verfügung gestellte Menge jedochrelativ gering. Die von den Apotheken monatlich abgegebenenSpritzen werden auf 120’000 geschätzt 32 . Im Rahmen<strong>des</strong> Programms <strong>zur</strong> Heroingestützten BehandlungHeGeBe wird auch steriles Injektionsmaterial <strong>zur</strong> Verfügunggestellt. Im Jahr 2000 wurden monatlichAbbildung 5.1Entwicklung der Anzahl der in den niederschwelligen Einrichtungen der Schweiz abgegebenen Spritzen (1993 -2000)*7000006000005000004000003000002000001000000Jan-93Jun-93Nov-93Apr-94Sept-94Feb-95Jul-95Dez-95Mai-96Okt-96Mär-97Aug-97Jan-98Jun-98Nov-98Apr-99Sep-99Feb-00Jul-00Dez-00Einrichtung ohne Injektionsraum Einrichtung mit Injektionsraum Total* Zahl der Institutionen: 1993 : N = 28, 1994 : N = 23, 1995 : N = 23, 1996 : N = 24¸1997: N = 25, 1998 : N = 27, 1999 : N = 27, 2000 : N = 28.86