ifb-Familienreport Bayern 2006. Zur Lage der Familie - ifb - Bayern
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<strong>ifb</strong>-<strong><strong>Familie</strong>nreport</strong> <strong>Bayern</strong> 2006<br />
5. Das Väterdilemma: Die Balance zwischen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen im Beruf und Engagement<br />
in <strong>der</strong> <strong>Familie</strong> (Thomas Gesterkamp)<br />
5.1 Hauptsache Arbeit, <strong>Familie</strong> Nebensache?<br />
Väter auf <strong>der</strong> Suche nach einem neuen Gleichgewicht<br />
5 Das Väterdilemma<br />
Engagierte Väterlichkeit ist heute zu einem selbstverständlichen Bestandteil <strong>der</strong> Alltagskultur<br />
geworden. Ein Mann, <strong>der</strong> tagsüber mit seinem Baby unterwegs ist, fällt weniger auf als früher.<br />
Vielleicht arbeitet dieser Vater zu an<strong>der</strong>en Zeiten, im nächtlichen Schichtdienst o<strong>der</strong> als Selbstständiger<br />
auf <strong>der</strong> Basis von Projekten. Die neue Unübersichtlichkeit ist nicht nur Ausdruck einer<br />
flexibel gewordenen Erwerbswelt. Sie dokumentiert auch die Vielfalt <strong>der</strong> Lebensstile, die Soziologen<br />
mit Begriffen wie „Individualisierung“ o<strong>der</strong> „Pluralisierung“ umschreiben.<br />
Verschiedene Facetten, Väterlichkeit zu leben, existieren nebeneinan<strong>der</strong>. Es gibt eben nicht „die<br />
Männer“ und „die Frauen“, und ebenso wenig „die Väter“ und „die Mütter“. Der breiten Palette<br />
verschiedener Lebensentwürfe entspricht eine breite Palette an Möglichkeiten, Vater zu sein: Es<br />
gibt „neue“ und traditionelle Väter, Ledige und Verheiratete, harmonisch getrennt Lebende und<br />
im Streit Geschiedene. Außerdem Stief-, Pflege- und Adoptivväter, Alleinernährer und Haupternährer,<br />
Hausmänner o<strong>der</strong> Väter, die mit geteilter Elternschaft experimentieren.<br />
Seit ein paar Jahren sind die Väter auch im wissenschaftlichen und politischen Diskurs verstärkt<br />
in die Öffentlichkeit gerückt. Auf Veranstaltungen und Tagungen wird die männliche Rolle in <strong>der</strong><br />
<strong>Familie</strong> diskutiert und neu bewertet, ministeriale Werbekampagnen und Medienberichte bis hin<br />
zu Titelgeschichten in <strong>der</strong> Wirtschaftspresse dokumentieren das wachsende Interesse am<br />
„Mann mit Kind“. Den wichtigsten Grund für die starke Präsenz des Themas bilden tief greifende<br />
Verän<strong>der</strong>ungen im Geschlechterverhältnis, die nicht von <strong>der</strong> männlichen, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong><br />
weiblichen Seite ausgehen: Die meisten Frauen betrachten ihren Beruf heute nicht mehr als kurzes<br />
Intermezzo vor Heirat und <strong>Familie</strong>ngründung. Mütter haben deshalb höhere Erwartungen<br />
und stellen Ansprüche an ein engagiertes Verhalten von Vätern im Privatleben.<br />
In <strong>der</strong> Debatte um Geburtenrückgang und Demografie werden Stimmen laut, die den „fehlenden<br />
Partner“ („Eltern“-Umfrage 2005), ein männliches „Nesthockersyndrom“ im „Hotel Mama“<br />
o<strong>der</strong> gar den „zeugungsunwilligen“ Mann für die wachsende Kin<strong>der</strong>losigkeit verantwortlich<br />
machen (Gaserow 2005). Die Schere zwischen den Geschlechtern geht beim Kin<strong>der</strong>wunsch<br />
immer weiter auseinan<strong>der</strong>, konstatiert eine Studie des Berliner Soziologen Hans Bertram. Dieser<br />
zufolge geben nur 21 Prozent <strong>der</strong> Frauen an, sie würden die <strong>Familie</strong>ngründung zu Gunsten<br />
des Jobs zurückstellen. Bei den Männern hingegen sind es 67 Prozent, die dem Beruf Priorität<br />
einräumen (ebd.).<br />
Sind die „neuen“, familienorientierten Väter also nur eine „Vater Morgana“ (Sauerborn 1992)?<br />
Beschreibt die viel zitierte „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehen<strong>der</strong> Verhaltensstarre“, die<br />
<strong>der</strong> Soziologe Ulrich Beck vor zwanzig Jahren (1986, S. 169) ironisch etikettierte, auch noch die<br />
heutige Situation? Der Blick in die <strong>Familie</strong>n-Ecke einer beliebigen Buchhandlung scheint diese<br />
Vermutung zu bestätigen. Schwangerschaft und Geburt, Kin<strong>der</strong>wunsch und Stillprobleme, Vereinbarkeit<br />
von <strong>Familie</strong> und Beruf: Die auf Mütter zugeschnittene Ratgeberliteratur füllt im Regal<br />
mindestens einen halben Meter. Für Väter reichen ein paar Zentimeter, doch an<strong>der</strong>s als früher<br />
ist überhaupt etwas im Angebot. Optimistischer als Beck (und die meist weiblichen<br />
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