ifb-Familienreport Bayern 2006. Zur Lage der Familie - ifb - Bayern
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<strong>ifb</strong>-<strong><strong>Familie</strong>nreport</strong> <strong>Bayern</strong> 2006<br />
Das Väterdilemma: Die Balance zwischen Anfor<strong>der</strong>ungen im Beruf und Engagement in <strong>der</strong> <strong>Familie</strong><br />
Der elfte Kin<strong>der</strong>- und Jugendbericht hält neben <strong>der</strong> „erfolgreichen Fortsetzung von Mädchenför<strong>der</strong>programmen“<br />
die „Entfaltung <strong>der</strong> sozialen Kompetenzen bei Jungen“ für ein erstrebenswertes<br />
Ziel. „Ein neues Männerbild und ‘Jungen in Frauenberufen’ sind dabei unerlässlich“<br />
(Bundesministerium für <strong>Familie</strong>, Senioren, Frauen und Jugend 2002, S. 112). Verän<strong>der</strong>te Leitbil<strong>der</strong><br />
müssten zusätzlich einhergehen mit verän<strong>der</strong>ten Rollendarstellungen in den Lehrmaterialien.<br />
Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und<br />
Technologie kam zu dem Ergebnis, dass Schulbücher nach wie vor den technisch versierten,<br />
starken und aushäusigen Mann präsentieren. Die „gegenwärtige Geschlechterpolarität <strong>der</strong> Gesellschaft“<br />
finde sich in den Unterrichtsstoffen „nahezu ungebrochen wie<strong>der</strong>“ (Bönkost/Oberliesen<br />
1997, S. 474).<br />
„Solange wir Fürsorge als weiblich und freiwillig definieren, stecken wir in einer Falle“, glaubt<br />
<strong>der</strong> <strong>Familie</strong>nforscher Hans Bertram. Das Dilemma sei nur zu lösen, wenn die Rolle <strong>der</strong> Väter umdefiniert<br />
werde: „Wir müssen die Männer zwingen, fürsorglich zu sein“ (von Thadden 2001).<br />
Väter brauchen aber kein Bestrafungs-, son<strong>der</strong>n ein Ermutigungsprogramm. Die deutsche <strong>Familie</strong>npolitik<br />
belohnt immer noch die alten Rollenzuschreibungen. Zwar hat die Reform des Erziehungsgeldgesetzes<br />
die Rahmenbedingungen etwas verbessert – doch „neue Väterlichkeit“<br />
lässt sich nicht allein an <strong>der</strong> nach wie vor geringen Zahl männlicher „Elternzeitler“ messen.<br />
Das skandinavische Konzept <strong>der</strong> auf Väter zugeschnittenen „Papa-Monate“ ist ein wegweisen<strong>der</strong><br />
Ansatzpunkt. Die Unternehmen könnten sich dann weniger auf die volle Verfügbarkeit ihrer<br />
männlichen Mitarbeiter verlassen. Für die Personalchefs würden Väter wie Mütter zu unsicheren<br />
Kantonisten, zu einem betriebswirtschaftlichen Risiko: Eine neue Konstellation, welche die<br />
Entscheidungsgrundlage bei Einstellungen o<strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungen grundlegend verän<strong>der</strong>t. Individuelle<br />
Elternzeiten für Väter, die verfallen, wenn sie nicht in Anspruch genommen werden, sind<br />
auch für jede Zweierbeziehung ein interessanter Test. Paare können auf diese Weise herausfinden,<br />
wie ernst sie es mit <strong>der</strong> verbal immer wie<strong>der</strong> eingefor<strong>der</strong>ten egalitären Arbeitsteilung in<br />
Haushalt und Erziehung wirklich meinen – und gemeinsam auf sie persönlich zugeschnittene<br />
Rollenmodelle entwickeln.<br />
Die Trennung von Beruf und Privatleben in <strong>der</strong> Industriegesellschaft war in erster Linie eine<br />
Trennung <strong>der</strong> Väter von ihren <strong>Familie</strong>n. Angesichts <strong>der</strong> nahezu gleichwertigen Qualifikationen<br />
ihrer Partnerinnen wächst jetzt <strong>der</strong> Druck auf die Männer, sich in <strong>der</strong> Haus- und Erziehungsarbeit<br />
zu engagieren. Für einen (noch kleinen, aber wachsenden Teil) <strong>der</strong> Erwerbstätigen kehren im Informationszeitalter<br />
selbstständige und hoch individualisierte Arbeitsformen zurück, die in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit Künstlern o<strong>der</strong> Handwerkern vorbehalten waren. Die „alternierende“ Heimarbeit<br />
per Telekommunikation zum Beispiel kann Vätern neue Chancen eröffnen, ein besseres Gleichgewicht<br />
zwischen Beruf und Privatem zu finden (Gesterkamp 2002). Solche mo<strong>der</strong>nen Arrangements<br />
zwischen Erwerbsarbeit und <strong>Familie</strong> enthalten aber zugleich das Risiko, dass die Grenzen<br />
zwischen Job und Freizeit verschwimmen. „Twenty four – seven“ heißt die Devise <strong>der</strong> Servicegesellschaft<br />
nach amerikanischem Vorbild: stets zu Diensten, 24 Stunden täglich, 7 Tage die<br />
Woche.<br />
In einer Rund-um-die Uhr-Ökonomie wird es schwierig, abzuschalten, einen klaren Strich zu ziehen,<br />
<strong>der</strong> das Privatleben schützt. Die atemlose Projektarbeit lässt dazu wenig Raum. Wie können<br />
es Väter unter solchen Bedingungen schaffen, beruflich weiterhin Profi, aber privat nicht länger<br />
Amateur zu sein? Die „Entgrenzung“ <strong>der</strong> verschiedenen Lebenswelten eröffnet im günstigsten<br />
Fall Nischen, die eine stärkere <strong>Familie</strong>norientierung auch für Männer zulassen. Telearbeit und<br />
elektronische Vernetzung erweitern dann die Spielräume von Vätern, sich um das wichtigste<br />
„Projekt“ von allen zu kümmern: um ihre eigenen Kin<strong>der</strong>.<br />
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