ifb-Familienreport Bayern 2006. Zur Lage der Familie - ifb - Bayern
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<strong>ifb</strong>-<strong><strong>Familie</strong>nreport</strong> <strong>Bayern</strong> 2006<br />
3. Wenn <strong>der</strong> Vater im Alltag fehlt:<br />
Die Folgen <strong>der</strong> Vaterabwesenheit für die<br />
psychosoziale Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n (Ruth Limmer)<br />
3.1 Einführung und Präzisierung <strong>der</strong> Fragestellung<br />
3 Wenn <strong>der</strong> Vater im Alltag fehlt<br />
Ein leiblicher Elternteil ist verstorben, ist nach <strong>der</strong> Trennung ausgezogen o<strong>der</strong> lebt berufsbedingt<br />
zeitweilig nicht mit dem Kind zusammen. Dies sind nur einige Gründe dafür, dass ein leiblicher<br />
Elternteil im Alltag des Kindes abwesend ist. Aus <strong>der</strong> fehlenden physischen Präsenz kann<br />
jedoch nicht geschlossen werden, dass er/sie im Leben des Kindes keine Rolle spielt. Der beruflich<br />
mobile Vater kann beispielsweise über Fernkommunikationsmittel engen Kontakt halten<br />
und selbst in Fällen, in denen die Verbindung abgebrochen wurde, kann <strong>der</strong> Vater für das Kind<br />
eine große Bedeutung haben. Umgekehrt bedeutet das Zusammenleben bei<strong>der</strong> Eltern mit<br />
ihrem Kind nicht, dass sie beide als Interaktionspartner verfügbar sind. Fthenakis (1988) plädiert<br />
daher dafür, die Ab- bzw. Anwesenheit eines Elternteils als Kontinuum zu konzipieren. Zudem<br />
kann die Verfügbarkeit leiblicher Eltern verschiedene Funktionen in unterschiedlichem Ausmaß<br />
betreffen. Von Relevanz ist auch, ob und inwieweit Aufgaben von sozialen Eltern übernommen<br />
werden. Im Hinblick auf die Bedeutung des abwesenden Vaters ist außerdem zu klären, welchen<br />
spezifischen Beitrag Männer im Vergleich zu Frauen zur Entwicklung ihrer Kin<strong>der</strong> leisten und<br />
welche spezifische Bedeutung <strong>der</strong> Abwesenheit des Vaters im Vergleich zur Mutter zukommt.<br />
Vor dem skizzierten Hintergrund stellt sich erstens die Frage, wie Väterlichkeit konzipiert wird.<br />
Zweitens ist von Interesse, welche Folgen Vaterabwesenheit haben kann. Es existieren verschiedene,<br />
mehrdimensionale Konzepte zur Erfassung <strong>der</strong> Bedeutung von Männern im Leben ihrer<br />
Kin<strong>der</strong>. Entwicklungspsychologische Arbeiten konzentrieren sich dabei überwiegend auf verschiedene<br />
Aspekte <strong>der</strong> gemeinsam verbrachten Zeit (s. Kindler/Grossmann 2004: 244). Dabei<br />
orientieren sich die meisten Studien an <strong>der</strong> Unterscheidung verschiedener Formen väterlicher<br />
Einbindung („Involvement“) in das Leben ihrer Kin<strong>der</strong> (Lamb 2000). Es handelt sich um die<br />
Dimensionen „gemeinsam gestaltete Zeit“ („Engagement“: Zeit, die auf das gemeinsame Tun<br />
entfällt), „Verfügbarkeit“ („Accessibility“: Zeit, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Vater für das Kind ansprechbar ist) und<br />
„Verantwortlichkeit“ („Responsibility“: Zeit, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Vater die alleinige Verantwortung für das<br />
Kind trägt). Die Zeit, die Väter gemeinsam mit ihren Kin<strong>der</strong>n gestalten, wurde bislang am häufigsten<br />
untersucht.<br />
Die Beiträge, die Väter für die Entwicklung ihrer Kin<strong>der</strong> leisten, sind jedoch weitaus vielfältiger<br />
als die Typologie nahe legt: Neben <strong>der</strong> unmittelbaren Anwesenheit in <strong>der</strong> <strong>Familie</strong>, tragen Männer,<br />
entscheidend zur psychischen und physischen Gesundheit ihrer Kin<strong>der</strong> bei, indem sie ihre<br />
Rolle als (Mit-)Ernährer und unterstützen<strong>der</strong> Partner ausfüllen. Ein umfassendes Modell elterlicher<br />
Ressourcen (Amato und Sobolewski 2001; 2004) bezieht somit das finanzielle und soziale<br />
Kapital (Coleman 1988) ein, das Eltern ihren Kin<strong>der</strong>n zur Verfügung stellen können. Das finanzielle<br />
Kapital von Vätern umfasst die Einkommensseite und alle damit verbundenen Möglichkeiten,<br />
<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>n – angefangen von <strong>der</strong> Ernährung bis zu Bildungsausgaben. Alle<br />
Ressourcen, die aus Interaktionserfahrungen mit dem Vater und dessen sozialen Beziehungen<br />
erwachsen, werden als soziales Kapital bezeichnet. Neben <strong>der</strong> unmittelbaren Gestaltung <strong>der</strong><br />
Vater-Kind-Beziehung werden darunter auch Merkmale <strong>der</strong> elterlichen Paarbeziehung verstanden<br />
sowie alle weiteren verfügbaren Kontakte zum sozialen Umfeld. Diese Ressourcen sind für<br />
die kognitive und emotionale Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n von großer Bedeutung.<br />
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