Jubiläen 2006 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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und interpretierte epigraphisches Material. Entsprechend vielseitig waren auch<br />
seine zahlreichen Veröffentlichungen. Er schrieb über die Doktrin Machiavellis,<br />
forschte über antike Gemmen, die Geschichte der Langobarden, die deutsche<br />
Graphik und Malerei und verfasste eine Monogrammkunde. Mehrfach bekleidete<br />
Christ akademische Ämter, darunter viermal das Amt des Rektors (1744,<br />
1748, 1752, 1756), in das ihn die Bayerische Nation wählte. Außerdem besaß<br />
er eine umfangreiche Bücher- und Handschriftensammlung, ein Kabinett von<br />
Münzen, Gemmen, Vasen, antikem Hausgerät und Antiquitäten aller Art sowie<br />
wertvolle Kupferstiche. Den Grundstock hierfür legte er auf seiner Reise durch<br />
Europa, auf der er als gebildeter Liebhaber antike und neuere Kunstwerke nicht<br />
nur eingehend studieren, sondern dank des väterlichen Vermögens erwerben<br />
konnte. Am 2. September 1756 starb Christ infolge eines Lungenleidens. Sein<br />
Leichnam wurde in die Paulinerkirche überführt und dort beigesetzt.<br />
Christ hinterließ kein größeres Werk, das Erfolg und breite Wirkung gehabt hätte.<br />
In Erinnerung geblieben ist er vor allem als Lehrer Gotthold Ephraim Lessings<br />
(1729 – 1781) und Mitbegründer des von Johann August Ernesti (1707 – 1781)<br />
und dessen Schülern in <strong>Leipzig</strong> ausgegangenen Neuhumanismus. Sein Verdienst<br />
für die Altertumswissenschaften besteht darin, dass er die Klassische Archäologie<br />
zum <strong>Universität</strong>slehrfach erhob, lange bevor es andernorts in Deutschland<br />
und in <strong>Leipzig</strong> selbst zu einer institutionellen Organisation kam. Ab dem Sommersemester<br />
1735 las Christ in den unter res litteraria angekündigten Vorlesungen<br />
erstmals in Deutschland über antike Kunstwerke. Als bisher unbeachtete<br />
Gegenstände der Wissenschaft sollten sie nicht nur aus ästhetischem Vergnügen<br />
oder in Hinblick auf die antiken Autoren behandelt, sondern auf der Grundlage<br />
systematischer Beschreibung besprochen und erklärt werden. Einer Denkschrift<br />
für Christ zufolge gehörten dazu „viel Uebung des Auges, große antiquarische<br />
Gelehrsamkeit, einige technische Fertigkeit, wenigstens im Zeichnen, endlich<br />
eine unermüdliche Beharrlichkeit im Beschauen und Wiederbeschauen der<br />
Kunstwerke“. Da dies anhand graphischer Reproduktionen nur eingeschränkt<br />
möglich war, erkannte Christ die Notwendigkeit der direkten Anschauung antiker<br />
Kunstwerke im akademischen Unterricht. Seine in städtisch-bürgerlichem<br />
Kontext aus privater Leidenschaft und als Privileg der Oberschicht zusammengetragene<br />
Sammlung führte er daher einer neuen Bestimmung zu. Sie diente ihm<br />
nicht mehr nur der Repräsentation, dem persönlichen Kunstgenuss und eigenen<br />
wissenschaftlichen Studien Vielmehr stellte er sie in der <strong>Universität</strong>slehre für<br />
jene zur Verfügung, die antike Originale nicht wie er selbst auf Reisen durch<br />
Europa sehen konnten. Indem Christ antike Sachzeugnisse in die Lehre einbezog,<br />
bot er seinen Schülern zugleich eine neue, lebendige Art von Unterricht.<br />
Aus Büchern übernommene Urteile konnten durch Autopsie der Denkmäler auf<br />
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